In den frühen Morgenstunden des 18. Mai 2010 wird die Raumsonde Cassini den Saturnmond Enceladus in einer Entfernung von etwa 201 Kilometern passieren. Das Hauptaugenmerk der wissenschaftlichen Instrumente wird dabei erneut auf die Untersuchung der vom Südpol des Mondes ausgehenden Fontänen aus Wassereis gerichtet sein.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, CICLOPS.
Die Raumsonde Cassini nähert sich dem Höhepunkt ihrer wissenschaftlichen Aktivitäten während ihres 132. Orbits um den Planeten Saturn. Dieser 132. Umlauf um den Ringplaneten, der auch als REV131 bezeichnet wird, begann bereits am 8. Mai 2010, als sich die Raumsonde rund 2,6 Millionen Kilometer von dem Planeten entfernt befand und damit den Punkt der größten Entfernung auf ihrer elliptischen Saturn-Umlaufbahn erreicht hatte. In den folgenden Tagen erfolgte dann wieder eine Annäherung an den Ringplaneten. Am 18. Mai 2010 wird sich Cassini um 10:31 Uhr MESZ der obersten Wolkenschicht des Saturn bis auf eine Entfernung von 150.000 Kilometern annähern. In den Tagen vor und nach dieser Annäherung werden die drei Saturnmonde Dione, Enceladus und Titan im Fokus der wissenschaftlichen Arbeiten stehen.
Im Rahmen des in diesem Fall lediglich 18 Tage andauernden 132. Orbits um den Planeten Saturn wird Cassini am 17. Mai 2010 sowie in den frühen Morgenstunden des 18. Mai den Saturnmond Dione untersuchen. Das Ziel dieser Untersuchung besteht darin, durch die Detektion von Temperaturunterschieden mögliche kryovulkanische Aktivitäten auf der Mondoberfläche nachzuweisen. In einer ersten Beobachtungsphase wird dazu die ISS-Kamera zusammen mit dem Composite Infrared Spectrometer (CIRS) und dem Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS) auf den zu diesem Zeitpunkt etwa 500.000 Kilometer von der Raumsonde entfernten Mond ausgerichtet werden. Eine zweite Beobachtung von Dione wird anschließend noch einmal von CIRS durchgeführt werden. Das Spektrometer soll dabei die Temperaturveränderung auf der Mondoberfläche erfassen, während Dione in den Planetenschatten des Saturn eintritt.
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt beginnt die Raumsonde dann auch mit der Beobachtung des Saturnmondes Enceladus, auf welchen sie sich im Verlauf ihrer weiteren Flugbahn zubewegt. Im Gegensatz zum letzten Enceladus-Vorbeiflug, welcher am 28. April 2010 erfolgte, werden diesmal auch wieder eine Vielzahl von Instrumenten eingesetzt werden, um wissenschaftliche Daten von diesem Mond zu gewinnen.
Dieser letzte Vorbeiflug im April hatte ausschließlich zum Ziel, die Einflüsse der Gravitation von Enceladus auf die Raumsonde Cassini zu bestimmen. Durch minimalste Abweichungen im Bahnverlauf der Sonde, so die Hoffnung der an der Mission beteiligten Wissenschaftler, sollte es möglich sein, Rückschlüsse auf den inneren Aufbau des Mondes zu ziehen. Cassini näherte sich am 28. April über der südlichen Mondhemisphäre bis auf etwa 100 Kilometer an die Mondoberfläche an. In den Stunden vor und nach dieser Annäherung bestand dabei eine ständige Verbindung zwischen Cassini und dem Deep Space Network (DSN) der NASA auf der Erde. Durch minimalste Positionsabweichungen in dem von der Raumsonde ausgestrahlten Radiosignal konnten so auch die Positionsveränderungen von Cassini nachvollzogen werden. Um diese Messungen der Gravitationseinwirkung nicht zu stören, verzichtete man auf den Einsatz von Steuerungsdüsen zur Lageregelung der Raumsonde, da diese für eine zusätzliche Beschleunigung oder Abbremsung von Cassini gesorgt und so die präzisen Vermessungen des Radiosignals unmöglich gemacht hätten.
Auf diese Weise konnten die beteiligten Wissenschaftler das Radio Science Instrument an Bord von Cassini dazu nutzen, um festzustellen, wie sich die Anziehungskraft des Mondes während der einzelnen Phasen des Vorbeifluges der Raumsonde verändert hat. Sie erhoffen sich dadurch unter anderem neue Erkenntnisse darüber, ob die vom Enceladus-Südpol ausgehenden Fontänen aus Wasser und Wassereis von einem lokal begrenzten Reservoir aus flüssigem Wasser, einem größeren See oder einen den gesamten Mond umspannenden unterirdischen Ozean gespeist werden. Die gewonnenen Daten sollten zudem auch Rückschlüsse darauf ermöglichen, ob sich im Inneren des Mondes größere Massen aus Eis befinden und eventuell vertikal oder horizontal bewegen.
Da die Lageregelung der Sonde während dieses Experiments lediglich über die Reaktionsräder von Cassini erfolgte, konnten die fest an der Sonde montierten Instrumente nicht gezielt auf Enceladus ausgerichtet werden. Aus diesem Grund wurden im Rahmen des April-FlyBys an Enceladus lediglich einige Bilder aus größeren Entfernungen von mehreren hunderttausend Kilometern angefertigt, während in der Phase der größten Annäherung keine weiteren Daten durch die insgesamt 12 an Bord der Sonde befindlichen Instrumente gewonnen wurden.
Auch die jetzt anstehenden Beobachtungen von Enceladus beginnen zunächst mit Fotosequenzen aus größeren Distanzen. Aus Entfernungen von 440.000 bis 230.000 Kilometern wird Cassini eine Serie von Bildern aufnehmen, welche die Südpolregion dieses rund 504 Kilometer durchmessenden Mondes abbilden werden. Anhand dieser Bilder wollen die Wissenschaftler die Anzahl der dort befindlichen kryovulkanischen Plumes und deren jeweilige Aktivität bestimmen. Am Morgen des 18. Mai 2010 wird Cassini den Mond dann um 08:04 Uhr MESZ in einer Höhe von 201 Kilometern überfliegen. Hierbei handelt es sich um den 11. gezielten Vorbeiflug an diesem Eissatelliten des Saturn. Im Gegensatz zum letzten Vorbeiflug am 28. April 2010 werden diesmal auch wieder eine Vielzahl von Instrumenten eingesetzt werden, um wissenschaftliche Daten von diesem Mond zu gewinnen.
Zum Zeitpunkt der größten Annäherung an die Mondoberfläche werden sowohl der Cosmic Dust Analyser (CDA) als auch das Ion and Neutral Mass Spectrometer (INMS) aktiviert sein. Beide Instrumente werden versuchen, von der Mondoberfläche ausströmende Gas- und Wassereispartikel zu detektieren und zu analysieren. Cassini wird den Mond erneut an dessen Nachtseite überfliegen. Dies ermöglicht es dem CIRS-Spektrometer, auch bei diesem Vorbeiflug die auf der Mondoberfläche herrschenden Temperaturen zu ermitteln. Zudem wird die ISS-Kamera dazu genutzt werden, um die von der Südpolregion ausgehenden Partikelwolken der Kryovulkane fotografisch abzubilden. Unmittelbar vor der größten Annäherung an Enceladus wird die ISS-Kamera sechs hochaufgelöste Bilder dieser Jets aufnehmen. Das letzte Bild dieser Aufnahmesequenz wird dabei aus einer Distanz von etwa 13.200 Kilometern ein besonderes Motiv enthalten, denn zu diesem Aufnahmezeitpunkt werden sich neben den von Enceladus ausströmenden Jets auch der Saturnmond Titan und das Ringsystem des Saturn im Aufnahmebereich der Kamera befinden.
Nach dem Zeitpunkt der größten Annäherung an Enceladus werden die ISS-Kamera und das Visual and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS) die unterhalb von Saturn gelegene Hemisphäre des Mondes abbilden. In dieser Phase des dann vom Mond wegführenden Flugverlaufes der Raumsonde wird die ISS-Kamera zwei Mosaikaufnahmen von Enceladus anfertigen. Das erste Mosaik, ENCEL001, wird aus neun Einzelaufnahmen bestehen, welche bei Auflösungen zwischen 91 und 135 Metern pro Pixel den Großteil der von der Sonne beleuchteten Mondoberfläche wiedergeben werden. Das zweite Mosaik besteht dagegen aus lediglich vier Einzelaufnahmen. Hierbei wird dann die gesamte Mondoberfläche mit einer niedrigeren Auflösung abgebildet werden.
Am Morgen des 20. Mai 2010 wird sich Cassini dann um 05:24 Uhr MESZ dem größten der Saturnmonde, dem Titan, nähern. Im Verlauf dieses mittlerweile 69sten gezielten Vorbeifluges am Titan wird die Raumsonde die Mondoberfläche in einer Entfernung von 1.400 Kilometern passieren. Das Hauptaugenmerk der dabei erfolgenden Untersuchungen wird auf Messungen des CIRS-Spektrometers gelegt werden. Das Instrument soll in erster Linie die Temperaturen der Titan-Atmosphäre in verschiedenen Höhen messen. Die ISS-Kamera wird zudem Aufnahmen des Mondes liefern, während dieser lediglich als „Sichel“ sichtbar ist und somit auch dessen äußeren Atmosphärenschichten fotografisch abgebildet werden können. Dabei sollen eventuelle Veränderungen in den einzelnen Atmosphärenschichten dokumentiert werden, welche aus dem gerade erfolgenden Einsetzten des Frühlings über der Nordhemisphäre des Mondes und den dadurch bedingten Temperaturveränderungen resultieren. In Kombination mit den CIRS-Messungen sollen zudem in der Phase der dichtesten Annäherung an Titan Wolkenstrukturen aufgenommen und später von den Wissenschaftlern analysiert werden. Zeitgleich wird das RADAR-Instrument der Sonde einen Bereich der südlichen Titan-Hemisphäre abbilden.
Am folgenden Tag wird die ISS-Kamera ein aus vier Einzelbildern bestehendes Mosaik der vom Saturn abgewandten Seite des Titan anfertigen, welches aus einer Distanz von dann 585.000 Kilometern aufgenommen werden wird. In Kombination mit weiteren Einzelaufnahmen, welche in den Tagen vor und nach der Aufnahme dieser Mosaikabbildung angefertigt werden, will man sich damit ein Bild über die Bewegungen der Wolken in der Titanatmosphäre und somit auch über die dort gerade vorherrschenden Wetterbedingungen während des Wechsels der Jahreszeiten machen.
Im Verlauf dieses 132. Orbits sind anschließend noch zwei weitere Beobachtungskampagnen vorgesehen. Am 22. Mai 2010 wird die ISS-Kamera den Mond Iapetus und dessen unmittelbare Umgebung abbilden. Ziel dieser Aufnahmen ist es, eventuelle Staubkonzentrationen zu beobachten, welche sich im Bereich dieses Mondes befinden könnten. Es wird vermutet, dass Staub, welcher von den äußeren Bereichen des Saturn-Systems ausgeht, für die farbliche Zweiteilung der Oberfläche von Iapetus verantwortlich ist (Raumfahrer.net berichtete). Der Nachweis einer eventuellen Staubwolke in der Umgebung von Iapetus, welche allerdings aller Wahrscheinlichkeit nach nur über eine sehr geringe Dichte verfügen dürfte, würde diese Theorie bekräftigen. Zuletzt wird die ISS-Kamera schließlich am 23. Mai 2010 den Stern Wega im Sternbild Leier abbilden. Bei diesen Aufnahmen sollen alle Filter der beiden Einzelkameras eingesetzt werden, um die Kamera neu zu kalibrieren.
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