Raumsonde Cassini: Ein Blick auf die Seen des Titan

Der Raumsonde Cassini sind in den vergangenen Monaten einige beeindruckende Aufnahmen der in der Nordpolregion des Saturnmondes Titan gelegenen Kohlenwasserstoffseen gelungen. Der Flüssigkeitspegel einiger dieser Seen scheint Schwankungen aufzuweisen. Von den neuen Daten erhoffen sich die Wissenschaftler weitere Hinweise auf den Flüssigkeitskreislauf des Titan.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL.

NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, University of Idaho
Diese globale Ansicht der nördlichen Hemisphäre des Saturnmondes Titan wurde aus mehreren Infrarot-Aufnahmen der Raumsonde Cassini zusammengesetzt und zeigt die Oberfläche in Falschfarben. Oberhalb der Bildmitte zeigen sich mehrere unregelmäßig geformte, mit flüssigem Methan und Ethan gefüllte Seen. Der größte dieser Seen, das Kraken Mare, verfügt über die Fläche des Kaspischen Meeres.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, University of Arizona, University of Idaho)

In den letzten Jahren durchgeführte Studien haben zu dem Resultat geführt, dass auf dem 5.150 Kilometer durchmessenden Mond Titan, dem größten der 62 bisher bekannten Saturnmonde, ein regelrechter Flüssigkeitskreislauf stattfindet, welcher im Gegensatz zu dem vergleichbaren Kreislauf auf der Erde allerdings nicht auf Wasser basiert. Bei Oberflächentemperaturen von rund minus 180 Grad Celsius regnen Methan und Ethan aus der Titanatmosphäre ab, welche sich anschließend auf der Oberfläche in ausgedehnten Abflusssystemen sammeln, von wo aus diese flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen zu verschiedenen Seen transportiert werden.

Somit hat sich der Titan neben der Erde als der einzige bekannte Ort innerhalb unseres Sonnensystems herauskristallisiert, an dem auch in der Gegenwart ein Flüssigkeitskreislauf stattfindet. Aus den daran beteiligten Kohlenwasserstoffen könnten sich unter bestimmten Bedingungen auch komplexere organische Verbindungen bilden, welche als die „Grundbausteine des Lebens“ angesehen werden. Unter den Exobiologen gilt der Titan daher als einer der derzeit aussichtsreichsten Kandidaten für den Nachweis von extraterrestrischen Lebensformen.

Der Großteil der Daten, welche den Planetologen gegenwärtig über den Titan zur Verfügung stehen, wurden während der letzten knapp 9,5 Jahre durch die Raumsonde Cassini gewonnen, die sich bereits seit dem 1. Juli 2004 in einer Umlaufbahn um den Saturn befindet und dabei auch dessen Mond Titan mittlerweile 96 mal im Rahmen von dichten Vorbeiflügen passiert und bei diesen Gelegenheiten mit verschiedenen Instrumenten eingehend untersucht hat. Dank der dabei gesammelten Daten sind den Planetenforschern derzeit etwa 400 Seen auf der Titanoberfläche bekannt. Ein größerer See, der Ontario Lacus, und mehrere kleinere Seen befinden sich in der Nähe des Südpols des Titan. Der Großteil dieser Seen konzentriert sich jedoch in den hohen nördlichen Breiten des Titan, wo sich eine regelrechte Seenlandschaft befindet.

Im Juli und September 2013 fertigte die Raumsonde im infraroten Spektralbereich detaillierte Aufnahmen der Nordpolarregion des Titan an, mit denen erstmals die gesamte Ausdehnung der dort befindlichen Seen erfasst werden konnte. Dass die dort befindlichen Seen erst jetzt vollständig abgebildet werden konnten, liegt zum einen an den ausgeprägten Jahreszeiten, welche im Saturn-Titan-System auftreten. Als Cassini im Sommer 2004 bei Saturn eintraf, herrschte auf der Nordhemisphäre des Ringplaneten und auf dem Titan noch Winter. Mittlerweile ist dort jedoch der Frühling angebrochen, wodurch sich die Beleuchtungsverhältnisse für Aufnahmen von der nördlichen Hemisphäre entsprechend verbessert haben.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Der Titan ist von einer dichten Atmosphäre umgeben, welche im Bereich des sichtbaren Lichts keinen Blick auf dessen Oberfläche zulässt. Durch die Verwendung verschiedener Filtersysteme kann diese Atmosphäre jedoch „durchdrungen“ werden. Die hier gezeigte linke Aufnahme gibt den Mond in den Farben wieder, wie sie auch ein im Saturnsystem befindlicher menschlicher Betrachter wahrnehmen würde. Die mittlere Aufnahme wurde im nahen Infrarotbereich bei 938 Nanometern erstellt und ermöglicht einen Blick auf verschiedene Oberflächenstrukturen. Bei der rechten Aufnahme handelt es sich um ein Falschfarbenkomposit. Zwei Infrarotaufnahmen (erstellt bei 938 und 889 Nanometern) wurden hierzu mit einer im sichtbaren Lichtbereich erstellten Aufnahme kombiniert. Alle verwendeten Aufnahmen wurden am 16. April 2005 mit der WAC-Kamera aus Entfernungen zwischen 173.000 bis 168.200 Kilometern angefertigt.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Zusätzlich erschwerte zudem bisher die Titanatmosphäre einen Blick auf die Oberfläche des Mondes. Der Titan ist als einziger Mond in unserem Sonnensystem von einer dichten Atmosphäre umgeben. Diese Gashülle besteht hauptsächlich aus Stickstoff, welcher dort mit einem Anteil von rund 98 Prozent vertreten ist. Neben dem Edelgas Argon sind zudem Spuren von Methan, Ethan und weitere komplexe Kohlenwasserstoffverbindungen vertreten. Nahe der Oberfläche fällt diese Atmosphäre etwa fünfmal dichter aus als auf unserem Heimatplaneten und erreicht einen Atmosphärendruck von 1,5 bar, was einen etwa 50 Prozent höheren Wert als auf der Erde darstellt. Die Lufthülle, deren gesamte Masse etwa 1,19 mal größer ausfällt als die Gesamtmasse der Erdatmosphäre, erreicht eine Höhe von mehreren hundert Kilometern und ist mit Wolken und Dunstschleiern durchsetzt.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute, JHUAPL, University of Arizona
Diese im nahen Infrarot erstellte Mosaikaufnahme zeigt, dass die Seen des Titan von hellen Materialablagerungen umgeben sind.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute, JHUAPL, University of Arizona)

Speziell diese aus feinen Aerosolen bestehenden Dunstschichten verhindern jeglichen Blick im Bereich des sichtbaren Lichtes auf die Titanoberfläche, welche lediglich bei Wellenlängen im Infrarotbereich des Lichtes abgebildet werden kann. Außerdem konzentrierte sich in den letzten neun Jahren über dem Nordpol des Titan eine zusätzliche und besonders dichte Schicht aus Wolken und Dunst, welche auch für die im Infrarotbereich arbeitenden Abbildungsinstrumente der Raumsonde nahezu undurchdringlich war. Mit dem Fortschreiten der Jahreszeiten und dem damit verbundenen leichten Temperaturanstieg auf der Nordhalbkugel des Titan hat sich diese Schicht jetzt weitgehend aufgelöst.

Ein weiterer Grund für die erst jetzt erfolgreichen Aufnahmen ist die Flugbahn der Raumsonde durch das Saturnsystem. Aktuell verfügt die Raumsonde auf ihrer Umlaufbahn um den Saturn über eine Inklination von 51,9 Grad. Dieser Flugverlauf ermöglicht es den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern speziell die Polarregionen des Saturn und des Titan im Detail abzubilden und zu untersuchen.

„Die Aufnahmen von Cassinis Visual and Infrared Imaging Mapping Spectrometer bieten uns eine Gesamtansicht von einer Region, die wir bislang nur in kleinen Teilbereichen und mit niedriger Auflösung gesehen haben“, so Jason Barnes von der University of Idaho, einer der Mitarbeiter des Teams des Visual and Infrared Imaging Mapping Spectrometers (VIMS), mit dem die Beobachtungen durchgeführt wurden. „Dabei hat sich herausgestellt, dass der Nordpol von Titan noch interessanter ist, als wir bisher annahmen. Es existiert ein komplexes Wechselspiel der Flüssigkeiten in den Seen und Meeren mit Ablagerungen, die durch Verdunstung entstanden sind.“

Ein Teilbereich der nördlichen Seenlandschaft des Titan wurde dabei mit den neu angefertigten Aufnahmen erstmals abgebildet. Die Oberfläche scheint sich hier deutlich von der Oberfläche in anderen Regionen des Saturnmondes zu unterscheiden. Dies, so die Wissenschaftler, könnte eventuell erklären, warum sich fast alle Seen des Titan ausgerechnet in dieser Region befinden. Aufgrund der variierenden Form der Titanseen werden für diese gegenwärtig verschiedene Entstehungsszenarien diskutiert, welche vom Einsturz der Oberfläche nach vulkanischen Eruptionen bis hin zu Prozessen reichen, die auf der Erde zur Entstehung von Karstlandschaften geführt haben.

„Seit der Entdeckung der Seen auf dem Titan haben wir uns gefragt, warum diese sich in den hohen nördlichen Breiten konzentrieren“, so Elizabeth Turtle vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University in Laurel im US-Bundesstaat Maryland. „Die Entdeckung, dass die Oberfläche dort irgendwie besonders ist, könnte ein wichtiger Hinweis sein, um die möglichen Erklärungen einzugrenzen.“

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute, JHUAPL, University of Arizona
Auch in dieser Mosaikaufnahme sind helle Ablagerungen erkennbar.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute, JHUAPL, University of Arizona)

Die jetzt gewonnenen Aufnahmen beruhen auf Daten, welche während der Cassini-Vorbeiflüge „T-92“ bis „T-94“ am Titan – diese erfolgten am 10. Juli, am 26. Juli und am 12. September 2013 – gesammelt wurden. Die angefertigten Aufnahmen zeigen die variierende Zusammensetzung der Oberfläche rund um die großen Seen auf der Nordhemisphäre.
Bei der Auswertung stellte sich heraus, dass einige der Seen von hellen Säumen umgeben sind. Dies, so die an der Mission beteiligten Wissenschaftler, könnte darauf hindeuten, dass der Flüssigkeitspegel in diesen Seen nicht konstant ist sondern vielmehr gewissen Schwankungen unterliegen. Vergleichbar mit den Salzseen auf der Erde, trocknen manche der Seen auf dem Titan anscheinend teilweise aus und hinterlassen eine ebene Fläche, auf der sich die ehemals in der Flüssigkeit gelösten Stoffe abgelagert haben.

„Die nördliche Seenlandschaft des Titan ist eine der erdähnlichsten und faszinierendsten Regionen im Sonnensystem“, so Linda Spilker, Cassini-Projektwissenschaftlerin am Jet Propulsion Laboratory der NASA in Pasadena/Kalifornien. „Wir wissen, dass sich die Seen auf der Erde im Laufe der Jahreszeiten verändern. Die langlebige Cassini-Mission ermöglicht es uns, solche saisonalen Veränderungen auch auf dem Titan zu beobachten.“
Die nächste Möglichkeit für eine direkte Untersuchung des Titan bietet sich bereits am 1. Dezember 2013. An diesem Tag wird die Raumsonde Cassini den Titan um 01:41 MEZ erneut im Rahmen eines gesteuerten Vorbeifluges passieren und aus einer Überflughöhe von diesmal 1.400 Kilometern mit verschiedenen Instrumenten untersuchen.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn und seine Monde noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.

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