Am heutigen Tag beginnt für die Raumsonde Cassini der mittlerweile 203. Umlauf um den Planeten Saturn. In den folgenden 32 Tagen werden sich erneut das Ringsystem und die Atmosphäre des Saturn im Fokus des wissenschaftlichen Interesses befinden. Den Höhepunkt dieses in wenigen Stunden beginnenden Orbits bildet ein am 6. März erfolgender Vorbeiflug der Raumsonde an dem Saturnmond Titan. Dieser soll genutzt werden, um Einzelheiten über den inneren Aufbau dieses Mondes in Erfahrung zu bringen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, The Planetary Society.
Am 20. Februar 2014 wird die Raumsonde Cassini um 17:45 MEZ auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zu dem zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems erreichen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Raumsonde in einer Entfernung von rund 2,84 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und beginnt damit zugleich ihren mittlerweile 203. Umlauf um den Ringplaneten. Aktuell weist die Flugbahn von Cassini eine Inklination von 48,1 Grad auf.
Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, einem der 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während dieses 32 Tage andauernden Umlaufs – dieser trägt die Bezeichnung „Rev 202“ – insgesamt 32 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Wie üblich wird ein Großteil dieser Kampagnen erneut die Atmosphäre und das Ringsystem des Saturn zum Ziel haben. Den Höhepunkt der Beobachtungen stellt allerdings ein für den 6. März 2014 vorgesehener gesteuerter Vorbeiflug am größten der derzeit 62 bekannten Saturnmonde, dem 5.150 Kilometer durchmessenden Mond Titan, dar.
Mondbeobachtungen
Die ersten Beobachtungen der ISS-Kamera während dieses neuen Orbits, welche am 22. und 24. Februar erfolgen sollen, werden dann auch den Titan zum Ziel haben. Aus Entfernungen von mehr als drei Millionen Kilometern soll dabei die Atmosphäre des Mondes abgebildet werden. Durch die Dokumentation von kleineren Sturmgebieten und markanten Wolkenformationen in den Atmosphären des Titan lassen sich zum Beispiel Aussagen über die dort gegenwärtig vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten tätigen. In Kombination mit früheren und zukünftigen Beobachtungen lässt sich dadurch auch die „Großwetterlage“ auf dem Titan dokumentieren, welche sich aufgrund der Bewegung des Saturn um die Sonne in einem etwa 30 Jahre dauernden Rhythmus kontinuierlich verändert (Raumfahrer.net berichtete).
Ebenfalls am 24. Februar soll sich die ISS-Kamera auf den kleinen, äußeren Saturnmond Kiviuq richten. Mittels der aus einer Entfernung von rund 8,06 Millionen Kilometern angefertigten Aufnahmen – hierbei handelt es sich um eine der dichtesten Annäherungen an diesen Saturnmond während der gesamten Cassini-Mission – soll die Ausrichtung von dessen Rotationsachse und die Position des Nordpols bestimmt werden.
Für den 26. Februar sind diverse sogenannte astrometrische Beobachtungen vorgesehen. Hierbei sollen mehrere der kleineren, inneren Saturnmonde abgebildet werden. Die Umlaufbahnen dieser kleinen und entsprechend massearmen Saturnmonde unterliegen einer permanenten gravitativen Beeinflussung durch den Saturn und dessen größeren Monden, was zu minimalen Veränderungen der jeweiligen Umlaufbahnen führen kann. Das wissenschaftliche Ziel der anzufertigenden Aufnahmen der Monde besteht darin, die derzeit verfügbaren Daten über deren Umlaufbahnen noch weiter zu präzisieren. Eine weitere Astrometrie-Kampagne soll am 28. Februar durchgeführt werden.
Ebenfalls an diesem Tag wird sich die ISS-Kamera auf den Saturn richten und dessen Atmosphäre abbilden. Die entsprechenden WAC-Aufnahmen sind Bestandteil einer langfristig ausgelegten „Sturmbeobachtungskampagne“ und sollen erneut aktuelle Daten über das dortige Wettergeschehen liefern. Vergleichbar mit den Beobachtungen der Titan-Atmosphäre lassen sich auch hier Aussagen über die gegenwärtig in der Saturnatmosphäre vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten tätigen. Bis zum 28. Februar sind insgesamt drei weitere vergleichbare Beobachtungen vorgesehen.
Am 1. März soll die ISS-Kamera dann verschiedene Teilbereiche des F-Ringes des Saturn abbilden. Bei dieser Beobachtungssequenz gilt das wissenschaftliche Interesse speziell den diversen Verästelungen der gewundenen Einzelringe sowie deren Interaktion mit den in der Nähe befindlichen Monden. Frühere Beobachtungen führten zu dem Schluss, dass vor allem gravitative Wechselwirkungen mit dem weiter innen liegenden A-Ring und den beiden den F-Ring begrenzenden Saturnmonden Prometheus und Pandora die Struktur des F-Ringes gestalten. Speziell die gravitativen Einflüsse dieser beiden als Schäfermonde fungierenden Monde sind für die Ausbildung der beobachteten Wellenstrukturen des F-Ringes verantwortlich.
Der Titan-Vorbeiflug T-99
Am 6. März 2014 steht dann der Höhepunkt des 203. Umlaufs der Raumsonde Cassini um den Saturn an. Um 17:27 MEZ wird die Raumsonde den größten der Saturnmonde im Rahmen eines gerichteten Vorbeifluges in einer Entfernung von 1.500 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 5,8 Kilometern pro Sekunde passieren. Die mit diesem 100. Vorbeiflug am Titan – das Manöver trägt die Bezeichnung „T-99“ – assoziierten Beobachtungen beginnen mit Fotoaufnahmen durch die ISS-Kamera, welche dabei mit verschiedenen Spektralfiltern ein globales Mosaikbild des Titan erstellen wird.
Der wissenschaftliche Schwerpunkt dieses Vorbeifluges wird allerdings durch den Einsatz des „Radio Science Subsystem“ (kurz „RSS“) der Raumsonde Cassini dominiert. Während des Vorbeifluges an dem Mond wird die Raumsonde durch von Titan ausgehende gravitative Einflüsse zwar minimal, aber doch deutlich spürbar von der vorgesehenen Flugbahn abgelenkt werden. Diese Abweichung macht sich durch eine geringfügig veränderte Laufzeit der Radiosignale, welche Cassini während des Vorbeifluges konstant zur Erde aussenden wird, bemerkbar. Hierzu sendet Cassini im Bereich des S-Bandes eine hochstabile Trägerwelle in Richtung Erde aus, ohne selbst Signale zu empfangen. Hierfür wird der Sender der Kommunikationsanlage der Raumsonde verwendet, welcher die Trägerwelle mit einer Sendeleistung von zehn Watt abstrahlt.
Durch die Auswertung dieser auf dem Doppler-Effekt basierenden Daten lässt sich nicht nur die Masse von Titan und die sich daraus ergebende mittlere Dichte näher bestimmen. Vielmehr können hierdurch auch Aussagen über den inneren Aufbau dieses Mondes getätigt werden. Speziell erhoffen sich die beteiligten Wissenschaftler durch das RSS-Experiment weitere Erkenntnisse über einen eventuell existierenden unterirdischen Ozean sowie über Heterogenitäten und Massekonzentrationen innerhalb der Lithosphäre des Titan.
Die über einen Zeitraum von 24 Stunden durchzuführende RSS-Kampagne wird etwa 12 Stunden vor der dichtesten Annäherung an den Titan beginnen. Während der erfolgenden RSS-Messungen muss die vier Meter durchmessende Hauptantenne der Raumsonde exakt auf die Erde ausgerichtet sein. Nur so können die von Cassini abgesetzten Radiosignale von den Empfangsstationen des Deep Space Network (DSN) der NASA mit einer ausreichenden Präzision empfangen werden. Da die wissenschaftlichen Instrumente starr auf einer Instrumentenplattform montiert sind, ist es somit während der Hauptphase dieses Vorbeifluges nicht möglich, Aufnahmen des Mondes durch die ISS-Kamera zu gewinnen.
Nach dem Abschluss der RSS-Messungen soll neben der ISS-Kamera zudem ein weiteres Instrument des Saturnorbiters, das Composite Infrared Spectrometer (CIRS), dazu genutzt werden, um diverse Scans des Titan durchzuführen. Das Ziel dieser Messungen besteht darin, die zu diesem Zeitpunkt in der Stratosphäre der Titanatmosphäre vorherrschenden Temperaturen zu ermitteln. Zudem sollen durch Abtastungen, welche im mittleren Infrarotbereich erfolgen, die Verteilung von Aerosolen und verschiedener chemischer Verbindungen in den oberen Schichten der Titanatmosphäre bestimmen.
Periapsis und Untersuchung des Ringsystems
Am 8. März wird Cassini um 20:26 MEZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn während dieses Orbits Nummer 203 erreichen und den Planeten in einer Entfernung von etwa 800.000 Kilometern passieren. Nur wenige Stunden zuvor stehen zwei Sternbedeckungen auf dem Beobachtungsprogramm von Cassini, wobei neben der ISS-Kamera auch ein weiteres Spektrometer der Raumsonde, das Visual and Infrared Spectrometer (VIMS), zum Einsatz kommen wird.
Bei diesen beiden Okkultationen werden die im Sternbild Leier (lateinischer Name Lyra) gelegenen Sterne Wega und R Lyrae von Teilen des Ringsystems des Saturn bedeckt. Durch die sich dabei ergebenden Helligkeitsschwankungen in den Lichtkurven der beiden Sterne erhoffen sich die an der Kampagne beteiligten Wissenschaftler Aufschlüsse über den Aufbau, die Materialdichte und die Struktur der Ringbereiche, welche die Sterne bei dieser Okkultation bedecken. Außerdem, so die Wissenschaftler, können hierbei eventuelle Veränderungen in der Ringstruktur registriert werden, welche durch das Gravitationsfeld des Saturn oder durch erst kürzlich erfolgte „Einschläge“ von Meteoroiden verursacht wurden.
Auch im Anschluss an diese Beobachtungen wird sich das Interesse zunächst weiter auf das Ringsystem konzentrieren. Dabei soll die WAC-Kamera ein Mosaik des gesamten Ringsystems erstellen. Die NAC-Kamera wird sich dagegen auf die Bereiche konzentrieren, wo der Schattenwurf des Saturn die Ringe verdunkelt. Anschließend wird die ISS-Kamera Teile des äußeren A-Ringes abbilden. Hierbei sollen unter anderem zum wiederholten Mal sogenannte „Propellerstrukturen“ dokumentiert werden. Bei diesen lediglich etwa 15 bis 25 Kilometer großen Strukturen handelt es sich um kleine „Hohlräume“ innerhalb des Ringsystems, welche durch die gravitativen Einflüsse von vermutlich lediglich wenige Dutzend Kilometer durchmessenden Mini-Monden – so genannten Moonlets – verursacht werden (Raumfahrer.net berichtete). Durch die anzufertigenden Aufnahmen des A-Ringes sollen die bisher bekannten Bahnparameter dieser Moonlets noch weiter verfeinert werden.
Am 9. März wird das ISS-Kamerateam schließlich im Rahmen einer zehn Stunden andauernden Beobachtungskampagne versuchen, den am weitesten vom Saturn entfernt gelegenen, extrem lichtschwachen und erst im Jahr 2009 auf Aufnahmen des Weltraumteleskops Spitzer entdeckten Phoebe-Ring abzubilden.
Weitere Beobachtungen in den folgenden Tagen werden dann primär die Atmosphäre des Saturn zum Ziel haben. Durch den Einsatz der Instrumente CIRS und VIMS sowie des Ultraviolet Imaging Spectrometers (UVIS) soll die Struktur der oberen Atmosphärenschichten analysiert werden. Außerdem soll versucht werden, eventuell gerade über der Südpolregion des Planeten aktive Polarlichter nachzuweisen.
Am 14. und 15. März steht zudem einer der kleinen, äußeren Saturnmonde auf dem Beobachtungsprogramm der ISS-Kamera. Außer den Daten von dessen Umlaufbahn um den Saturn und seinem Durchmesser von lediglich rund sechs Kilometern ist über den erst im Jahr 2005 entdeckten Mond Fornjot bisher nur sehr wenig bekannt. Die ISS-Kamera soll Fornjot über einen Zeitraum von 36 Stunden aus einer Distanz von rund 18,8 Millionen Kilometern wiederholt abbilden. Anhand der Variationen in der sich bei dieser Beobachtungssequenz ergebenden Lichtkurve und einem Abgleich mit früheren Beobachtungen sollen die Helligkeitsvariationen auf dessen Oberfläche und die sich daraus ergebende Rotationsperiode dieses Mondes bestimmt werden.
Am 24. März 2014 wird die Raumsonde Cassini schließlich um 19:02 MEZ in einer Entfernung von rund drei Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis ihrer Umlaufbahn erreichen und damit auch diesen 203. Umlauf um den Ringplaneten beenden. Für den damit beginnenden Orbit Nummer 204 sind erneut diverse Beobachtungen des Ringsystems und der Atmosphäre des Saturn sowie verschiedener Saturnmonde vorgesehen. Den Höhepunkt dieses nächsten Orbits bildet dabei ein weiterer gesteuerter Vorbeiflug an dem Mond Titan, welcher von der Raumsonde am 7. April 2014 in einer Entfernung von dann lediglich 963 Kilometern erneut passiert werden wird.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.
Verwandte Meldungen bei Raumfahrer.net:
- Raumsonde Cassini: Der Saturnumlauf Nummer 202 beginnt (18. Januar 2014)
- Raumsonde Cassini beginnt den Saturnumlauf Nummer 201 (17. Dezember 2013)
- Neue Aufnahmen vom Nordpol-Hexagon des Saturn (7. Dezember 2013)
- Cassini: Ein beeindruckender Blick auf den Saturn (12. November 2013)
Diskutieren Sie mit im Raumcon-Forum:
Verwandte Internetseiten: