Raumsonde Cassini: Der Saturnumlauf 202 beginnt

Am morgigen Tag beginnt für die Raumsonde Cassini der mittlerweile 202. Umlauf um den Planeten Saturn. In den folgenden 32 Tagen werden sich erneut das Ringsystem und die Atmosphäre des Saturn im Fokus des wissenschaftlichen Interesses befinden. Den Höhepunkt dieses in wenigen Stunden beginnenden Orbits bildet ein für den 2. Februar geplanter dichter Vorbeiflug der Raumsonde an dem Saturnmond Titan.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, The Planetary Society.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Immer wieder beeindruckend: Das Nordpol-Hexagon auf dem Saturn (mehr zu diesem direkt über dem Nordpol des Saturn gelegenen Wirbelsturmgebiet in einem früheren Artikel ). Die hier gezeigte Aufnahme wurde am 23. Juli 2013 mit der WAC-Kamera der Raumsonde Cassini angefertigt. Aus einer Entfernung von etwa 950.000 Kilometern liegt die Auflösung bei 57 Kilometern pro Pixel.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Am 19. Januar 2014 wird die Raumsonde Cassini um 11:10 MEZ auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zu dem zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems erreichen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Raumsonde in einer Entfernung von rund 2,72 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und beginnt damit zugleich ihren mittlerweile 202. Umlauf um den Ringplaneten. Aktuell weist die Flugbahn von Cassini eine Inklination von 50,1 Grad auf.

Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, einem der 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während des diesmal 32 Tage andauernden Umlaufs – dieser trägt die Bezeichnung „Rev 201“ – insgesamt 51 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Wie üblich wird ein Großteil dieser Kampagnen erneut die Atmosphäre und das Ringsystem des Saturn zum Ziel haben. Den Höhepunkt der Beobachtungen stellt jedoch ein für den 2. Februar 2014 vorgesehener gesteuerter Vorbeiflug am größten der derzeit 62 bekannten Saturnmonde, dem 5.150 Kilometer durchmessenden Mond Titan, dar.
Die ersten Beobachtungen der ISS-Kamera werden bereits am 20. Januar erfolgen und den Saturn zum Ziel haben. Mittels der dabei geplanten Abbildungen der Saturnatmosphäre durch die WAC-Kamera, welche Bestandteil einer langfristig ausgelegten „Sturmbeobachtungskampagne“ sind, sollen erneut aktuelle Daten über das dortige Wettergeschehen gesammelt werden. Durch die Beobachtung von kleineren Sturmgebieten und markanten Wolkenformationen in den Atmosphären des Saturn lassen sich zum Beispiel Aussagen über die dort gegenwärtig vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten tätigen. Bis zum 19. Februar sind insgesamt 19 weitere vergleichbare Beobachtungen vorgesehen.

Der B-Ring des Saturn
Unmittelbar nach der Beendigung der ersten Sturmbeobachtungskampagne ist Cassini so im Raum positioniert, dass die ISS-Kamera direkt auf den B-Ring des Saturn zeigt. Aus den Aufnahmen der Kamera wollen die beteiligten Wissenschaftler kurze Videosequenzen erstellen, auf denen die im B-Ring angeordneten Speichenformationen erkennbar sind. Diese Strukturen wurden erstmals auf den Aufnahmen der Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 ausgemacht, welche den Saturn bereits Anfang der 1980er Jahre passierten. Diese auf Fotoaufnahme in hellen Farben erkennbaren Speichen sind im Durchschnitt lediglich etwa 100 Kilometer breit und erstrecken sich radial über eine Strecke von bis zu 20.000 Kilometer in das Ringsystem hinein.

NASA, JPL, Space Science Institute, Animation: Mike Malaska
Diese Speichenformationen im B-Ring des Saturn wurden im September 2009 durch die Raumsonde Cassini abgebildet.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute, Animation: Mike Malaska)

Bei diesen „Speichen“ handelt es sich um vorübergehend auftretende Erscheinungen, welche sich üblicherweise innerhalb von wenigen Stunden ausbilden und dann wieder auflösen. Die Planetenforscher sind sich mittlerweile nahezu sicher, dass diese Speichenstrukturen durch elektrisch aufgeladene Staubpartikel verursacht werden, welcher durch elektrischen Abstoßungskräfte vorübergehend aus dem B-Ring herausgedrückt werden. Es wird vermutet, dass die Speichen ein saisonales Phänome darstellen, welche sich nur zu bestimmten Zeiten während eines knapp 30 Jahre andauernden Saturnjahres bilden. Mit dem weiteren Fortschreiten der Jahreszeiten auf dem Saturn und dem Einsetzen des Sommers auf der nördlichen Planetenhemisphäre, so die Prognose der Wissenschaftler, sollten sie dann nicht mehr auftreten. Bis zur Vollendung des jetzt beginnenden Saturnumlaufs sind vier weitere solcher Beobachtungssequenzen vorgesehen.

Mondbeobachtungen und eine Sternbedeckung
Am 22. Januar steht eine Sternbedeckung auf dem Beobachtungsprogramm von Cassini, wobei neben der ISS-Kamera auch eines der Spektrometer der Raumsonde, das Visual and Infrared Spectrometer (VIMS), zum Einsatz kommen wird. Bei dieser Okkultation wird der halbregelmäßig veränderliche Riesenstern L2 Puppis von Teilen des Ringsystems des Saturn bedeckt. Durch die sich dabei ergebenden Helligkeitsschwankungen in der Lichtkurve von L2 Puppis erhoffen sich die an der Kampagne beteiligten Wissenschaftler Aufschlüsse über den Aufbau, die Materialdichte und die Struktur der Ringbereiche, welche den Stern bei dieser Okkultation bedecken. Außerdem, so die Wissenschaftler, können hierbei eventuelle Veränderungen in der Ringstruktur registriert werden, welche durch das Gravitationsfeld des Saturn oder durch erst kürzlich erfolgte „Einschläge“ von Meteoroiden verursacht wurden.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Der etwa 179 Kilometer durchmessende Mond Janus ist einer der kleineren, inneren Monde des Saturn. Für einen Umlauf um den Planeten benötigt Janus etwa 16 Stunden und 40 Minuten. Die hier gezeigte Aufnahme von Janus wurde am 10. September 2013 angefertigt. Aus einer Entfernung von rund einer Million Kilometern erreichte die NAC-Kamera dabei eine Auflösung von etwa sechs Kilometern pro Pixel.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Am darauffolgenden Tag sollen erneut mehrere der kleineren, inneren Saturnmonde im Rahmen sogenannter astrometrischer Beobachtungen abgebildet werden. Die Umlaufbahnen dieser kleinen und entsprechend massearmen Saturnmonde unterliegen einer permanenten gravitativen Beeinflussung durch den Saturn und dessen größeren Monden, was zu minimalen Veränderungen der jeweiligen Umlaufbahnen führen kann. Das wissenschaftliche Ziel der anzufertigenden Aufnahmen der Monde besteht darin, die derzeit verfügbaren Daten über deren Umlaufbahnen noch weiter zu präzisieren. Vier weitere Astrometrie-Kampagnen sollen zwischen dem 26. Januar und dem 18. Februar durchgeführt werden.

Am 26. und 27. Januar wird die ISS-Kamera mehrfach die Saturnmonde Titan und Aegaeon – letzterer wird als eine der Materialquellen für den G-Ring des Saturn angesehen (Raumfahrer.net berichtete) – abbilden. Für den 29. Januar vorgesehene Kameraaufnahmen werden Teilbereiche des F-Ringes des Saturn zum Ziel haben. Bei dieser Beobachtungssequenz gilt das wissenschaftliche Interesse speziell den diversen Verästelungen der gewundenen Einzelringe sowie deren Interaktion mit den in der Nähe befindlichen Monden. Vorherige Beobachtungen führten zu dem Schluss, dass in erster Linie gravitative Wechselwirkungen mit dem weiter innen liegenden A-Ring und den beiden den F-Ring begrenzenden Saturnmonden Prometheus und Pandora die Struktur und Form des F-Ringes gestalten. Speziell die gravitativen Einflüsse dieser beiden als Schäfermonde fungierenden Monde sind für die Ausbildung der beobachteten Wellenstrukturen des F-Ringes verantwortlich.

Der Titan-Vorbeiflug T-98
Am 2. Februar steht schließlich der Höhepunkt dieses 202. Umlaufs der Raumsonde Cassini um den Saturn an. Um 20:13 MEZ wird die Raumsonde den Saturnmond Titan im Rahmen eines gerichteten Vorbeifluges in einer Entfernung von 1.235 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 5,9 Kilometern pro Sekunde passieren. Die mit diesem 99. Vorbeiflug am Titan – das Manöver trägt die Bezeichnung „T-98“ – assoziierten Beobachtungen beginnen bereits rund 36 Stunden früher. Hierbei wird die ISS-Kamera vier Wolkenbeobachtungskampagnen durchführen, mit denen – vergleichbar mit den „Sturmbeobachtungskampagnen“ beim Saturn – aktuelle Daten über das gegenwärtige Wettergeschehen in der Titanatmosphäre gesammelt werden sollen.

Ab den Morgenstunden des 2. Februar soll neben der ISS-Kamera zunächst ein weiteres Instrument des Saturnorbiters, das Composite Infrared Spectrometer (CIRS), dazu genutzt werden, um diverse Scans von der Nachtseite des Titan durchzuführen. Das Ziel dieser Messungen besteht darin, die zu diesem Zeitpunkt in der Stratosphäre der Titanatmosphäre vorherrschenden Temperaturen zu ermitteln. Mit fortschreitender Annäherung an den Saturnmond soll das CIRS durch Abtastungen, welche im mittleren Infrarotbereich erfolgen, zudem die Verteilung von Aerosolen und verschiedener chemischer Verbindungen in den oberen Schichten der Titanatmosphäre bestimmen.

NASA, JPL-Caltech
Auf RADAR-Aufnahmen, welche am 20. Juni 2011 während des Titan-Vorbeifluges „T-77“ erstellt wurden, wurde ein zuvor nicht bekannter Krater auf der Titanoberfläche entdeckt ( Raumfahrer.net berichtete ).
(Bild: NASA, JPL-Caltech, ASI)

Während der Phase der dichtesten Annäherung an des Titan wird schließlich das RADAR-Instrument von Cassini über einen Zeitraum von 12 Stunden die Beobachtungsabläufe dominieren. Durch Scatterometrie- und Radiometriemessungen soll das RADAR weite Bereiche der in diesem Zeitraum zugänglichen Titanoberfläche abtasten und dadurch weitere Daten über die Gestalt und die Zusammensetzung der Oberfläche sammeln. Durch Beobachtungen im Synthetic Aperture Radar-Modus sollen zudem gezielt verschiedene Oberflächenformationen wie das Dünenfeld Shangri La, die Dilmun-Region oder der Selk-Krater in hoher Auflösung abgebildet werden.

Einige der so gewonnenen Daten, welche die Region um den mit Kohlenwasserstoffverbindungen gefüllten See Ontario Lacus wiedergeben, sollen mit zukünftigen RADAR-Bildern kombiniert werden und die dortige Landschaft in Stereobildern wiedergeben. Das hierfür benötigte Daten-Set soll während des nächsten Vorbeifluges am Titan – das entsprechende Manöver „T-99“ erfolgt am 6. März 2014 – angefertigt werden. Etwa sechs Stunden nach der dichtesten Annäherung wird wieder das CIRS-Spektrometer aktiviert, um weitere Daten über die Temperatur und Zusammensetzung der Titanatmosphäre zu sammeln. Im Gegensatz zu den Scans während der Annäherungsphase wird hierbei allerdings die Südpolregion des Titan das Zielgebiet der Messungen sein.

Periapsis

NASA, JPL, Space Science Institute, Cornell University
Diese propellerähnliche Struktur innerhalb des A-Ringes des Saturn wurde am 5. Juni 2012 mit der ISS-Kamera abgebildet.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute, Cornell University)

Am 4. Februar wird Cassini um 19:12 MEZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn während dieses Orbits Nummer 202 erreichen und den Planeten in einer Entfernung von etwa 920.000 Kilometern passieren. Etwa vier Stunden später wird die ISS-Kamera Teile des A-Ringes abbilden. Hierbei sollen unter anderem zum wiederholten Mal sogenannte „Propellerstrukturen“ dokumentiert werden. Bei diesen lediglich etwa 15 bis 25 Kilometer großen Strukturen handelt es sich um kleine „Hohlräume“ innerhalb des Ringsystems, welche durch die gravitativen Einflüsse von vermutlich lediglich wenige Dutzend Kilometer durchmessenden Mini-Monden – so genannten Moonlets – verursacht werden (Raumfahrer.net berichtete). Durch die anzufertigenden Aufnahmen des A-Ringes sollen die bisher bekannten Bahnparameter dieser Moonlets noch weiter verfeinert werden.

Auch in den darauf folgenden Tagen wird sich die Raumsonde in erster Linie auf die Ringe des Saturn konzentrieren. In Zusammenarbeit mit dem VIMS-Spektrometer wird die ISS-Kamera dabei unter anderem den Schattenwurf des Saturn auf dessen Hauptringe dokumentieren sowie Teilbereiche der Ringe „A“, „D“ und „F“ unter unterschiedlichen Beleuchtungsverhältnissen abbilden. Weitere Beobachtungen werden die Roche-Teilung zum Ziel haben, welche den A-Ring von dem F-Ring trennt. Zudem soll ebenfalls am 4. Februar eine weitere Sternbedeckung beobachtet werden. Hierbei wird der Stern Gamma Eridani von den Ringen bedeckt.

Am 20. Februar 2014 wird die Raumsonde Cassini schließlich um 17:45 MEZ in einer Entfernung von rund 2,9 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis ihrer Umlaufbahn erreichen und damit auch diesen 202. Umlauf um den Ringplaneten beenden. Für den damit beginnenden Orbit Nummer 203 sind erneut diverse Beobachtungen des Ringsystems und der Atmosphäre des Saturn sowie verschiedener Saturnmonde vorgesehen. Den Höhepunkt dieses nächsten Orbits bildet dabei ein weiterer gesteuerter Vorbeiflug an dem Mond Titan, welcher von der Raumsonde am 6. März 2014 in einer Entfernung von rund 1.500 Kilometern passiert werden wird.

NASA, JPL, Space Science Institute
Das Ringsystem des Saturn setzt sich aus mehr als 100.000 einzelnen Ringen zusammen, welche durch scharf umrissene Lücken voneinander abgegrenzt sind.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.

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