Am 11. Mai 2012 begann der mittlerweile 167. Umlauf der Raumsonde Cassini um den Planeten Saturn. Der Schwerpunkt der während des 17 Tage dauernden Umlaufs vorgesehenen Untersuchungen liegt diesmal in der Beobachtung der Saturnatmosphäre und des Saturnmondes Titan. Außerdem wird die Raumsonde ihre Umlaufbahn verändern und dabei eine größere Inklination einnehmen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, Planetary Society.
Am 11. Mai 2012 hat die Raumsonde Cassini auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn um 11.28 Uhr MESZ erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zum Saturn, erreichen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich Cassini in einer Entfernung von rund 2,37 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und begann damit zugleich ihren mittlerweile 167. Umlauf um den Ringplaneten.
Wie bereits die vorherigen Umläufe wird auch der jetzt begonnene Orbit, er trägt die Bezeichnung „Rev 166“, von den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern in erster Linie dazu genutzt werden, um den Saturn und dessen größere, innere Monde mit verschiedenen Instrumenten zu untersuchen und aus unterschiedlichen Entfernungen mit der ISS-Kamera der Raumsonde abzubilden. Den Höhepunkt des gegenwärtigen Orbits bildet ein gesteuerter Vorbeiflug an dem Mond Titan, welcher am 22. Mai in einer Entfernung von 955 Kilometern passiert werden wird.
Gegenwärtig bewegt sich die Raumsonde immer noch auf einer Umlaufbahn, welche fast genau auf einer Ebene mit der Ringebene des Saturn sowie den Umlaufbahnen mehrerer größerer Saturnmonde verläuft. Diese äquatoriale Flugbahn der Raumsonde ermöglichte es den an der Mission beteiligten Wissenschaftlern seit dem Oktober 2009 unter anderem, die vertikalen Strukturen der Saturnringe zu untersuchen. Zudem konnten speziell die Äquatorregionen des Saturn und dessen größten Mondes, des etwa 5.150 Kilometer durchmessenden Titan, im Detail untersucht werden.
Im Rahmen des am 22. Mai erfolgenden Titan-Vorbeifluges wird die Raumsonde diese Orbitbahn verlassen und aus der äquatorialen Ebene in eine Umlaufbahn wechseln, welche über eine deutlich größere Neigung gegenüber der Äquatorebene des Saturn verfügt. Dieser Flugverlauf ermöglicht eine detaillierte Untersuchung der Polarregionen des Saturn und seiner inneren Monde. Zusätzlich wird auch das Ringsystem des Saturn von den abbildenden wissenschaftlichen Instrumenten der Raumsonde zukünftig in seiner „Gesamtheit“ besser erfasst werden können.
Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, einem von insgesamt 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während des 17 Tage dauernden Orbits insgesamt 27 Beobachtungskampagnen vorgesehen.
Die ISS-Kamera nahm ihren wissenschaftlichen Betrieb bereits eine Stunde nach dem Beginn des neuen Saturnumlaufs auf. Das Ziel der Beobachtung war der kleine, äußere Saturnmond Erriapus, welcher aus einer Entfernung von rund 7,3 Millionen Kilometern über einen Zeitraum von acht Stunden mehrfach abgebildet wurde. Außer den Daten von dessen Umlaufbahn um den Saturn, seinem Durchmesser von etwa acht bis zehn Kilometern und seiner im Vergleich zu den anderen Saturnmonden relativ hohen mittleren Dichte von 2,3 Gramm pro Kubikzentimeter, welche auf eine Zusammensetzung aus Wassereis mit einem hohen Anteil an Silikatgestein hindeutet, ist über diesem erst im Jahr 2000 entdeckten Saturnmond bisher nur sehr wenig bekannt.
Anhand der Variationen in der sich bei der Beobachtung ergebenden Lichtkurve und dem Abgleich mit vorherigen Beobachtungen sollen dessen Helligkeitsvariationen und die sich daraus ergebende Rotationsperiode näher bestimmt werden. Diese Beobachtung ist ein Bestandteil einer langfristig angelegten Kampagne, in deren Verlauf mehrere der kleinen, äußeren Saturnmonde unter verschiedenen Beleuchtungsverhältnissen aus mehreren Millionen Kilometern Entfernung abgebildet werden. Trotz der großen Distanz zwischen den Monden und der Raumsonde kann Cassini bei derartigen Beobachtungen neben den Rotationsgeschwindigkeiten der Monde wertvolle Daten über deren Ausdehnung, die sich daraus ergebende Gestalt und die Neigung der Rotationsachsen gewinnen.
Zwischen dem 12. und dem 17. Mai wird das Kamerasystem mehrfach auf den Titan ausgerichtet werden. Das Ziel der dabei anzufertigenden Bildaufnahmen besteht in der Dokumentation der oberen Atmosphärenschichten des Titan und der zum Beobachtungszeitpunkt eventuell dort befindlichen Wolkenstrukturen. Zwischen dem 14. und dem 17. Mai stehen außerdem mehrere Beobachtungen des Saturn auf dem Beobachtungsprogramm der Raumsonde. Die NAC-Kamera wird dabei zusammen mit einem weiteren Instrument, dem Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS), auf dessen Südpolregion ausgerichtet werden und nach dort eventuell auftretenden Polarlichtern Ausschau halten. Aus diesen täglich erfolgenden und jeweils drei bis sechs Stunden andauernden Beobachtungen wollen die beteiligten Wissenschaftler zu einem späteren Zeitpunkt verschiedene Videosequenzen erstellen.
Am 20. Mai wird Cassini um 08.26 Uhr MESZ die Periapsis, den Punkt ihrer größten Annäherung an den Saturn während des 167. Orbits, erreichen. Zu diesem Zeitpunkt wird sich die Raumsonde 134.900 Kilometer über der obersten Wolkenschicht des Saturn befinden. Ungefähr zum gleichen Zeitpunkt erfolgen zwei nicht gesteuerte nahe Vorbeiflüge an den inneren Saturnmonden Tethys und Methone.
Zuerst wird Cassini den 1.062 Kilometer durchmessenden Mond Tethys in einer Entfernung von 53.800 Kilometern passieren. Neben einem aus acht Einzelbildern bestehenden Mosaik der Mondoberfläche sollen dabei verschiedene Krater und das Gebiet Ithaca Chasma im Detail abgebildet werden. Bei dem Ithaca Chasma handelt es sich um ein gewaltiges Grabensystem, welches rund und drei bis fünf Kilometer tief, bis zu 100 Kilometer breit und fast 2.000 Kilometer lang ist. Die Vielzahl der an den Talhängen und auf dem Boden erkennbaren kleineren Krater deutet auf ein sehr hohes Alter diese Canyons hin.
Über seine Entstehungsgeschichte herrscht dagegen bisher noch keine Einigkeit unter den Planetologen. Eine Theorie besagt, dass sich das Ithaca Chasma bildete, als flüssiges Wasser im Innern des Mondes ausfror und die Oberfläche infolge der Ausdehnung aufriss. Einer anderen Theorie zufolge könnte Ithaca Chasma entstanden sein, als bei dem Einschlag eines größeren Asteroiden Schockwellen durch das Innere des Mondes liefen, welche schließlich zu einem Aufbrechen der Oberfläche von Tethys führten. Ein entsprechend großer Impaktkrater wäre der auf der nördlichen Mondhemisphäre gelegene und etwa 450 Kilometer durchmessende Odysseus-Krater.
Um 08.57 Uhr MESZ wird Cassini schließlich den lediglich 3,2 Kilometer durchmessenden Mond Methone in einer Entfernung von 1.861 Kilometern passieren. Die besten Bildaufnahmen erwartet das für den Betrieb der ISS-Kamera zuständige CICLOPS-Team aufgrund der Beleuchtungsverhältnisse etwa 12 Minuten nach der dichtesten Annäherung. Aus einer Entfernung von dann rund 4.500 Kilometern wird die Kamera die Mondoberfläche unter der Verwendung verschiedener Farbfilter mit einer Auflösung von 26 Metern pro Pixel auflösen können. Methone wird auf den Bildern über eine Größe von 120 Pixeln verfügen.
Am 22. Mai 2012 wird die Raumsonde um 03.10 Uhr MESZ den Mond Titan zum 84. Mal im Rahmen eine gesteuerten Vorbeifluges nähern und diesen mit einer Geschwindigkeit von 5,9 Kilometern pro Sekunde passieren. Die dichteste Annäherung an Titan wird bei diesem als „T-83“ bezeichneten Manöver bei 955 Kilometern liegen. Während der Anflugphase werden zwei weitere Instrumente, das Composite Infrared Spectrometer (CIRS) und das Visual and Infrared Mapping Spectrometer (VIMS), dazu eingesetzt, um die Nachtseite des Mondes abzubilden. Zudem wird die ISS-Kamera Aufnahmen von der obersten Atmosphärenschicht des Titan erstellen.
Während der dichtesten Annäherung werden das RADAR-Instrument und das Ion and Neutral Mass Spectrometer (INMS) „übernehmen“. Das RADAR wird dabei im SAR-Modus einen Teil der nördlichen Mondhemisphäre abbilden. Der Aufnahmebereich erstreckt sich von einem bei 20 Grad nördlicher Breite und 210 Grad westlicher Länge gelegenen Punkt bis hin zu einem Punkt bei 80 Grad nördlicher Breite und 150 Grad westlicher Länge und dann wieder zurück bis zu dem Endpunkt der Messung, welcher sich bei 40 Grad nördlicher Breite und 20 Grad westlicher Länge befindet.
In diesem schmalen Streifen befinden sich mehrere Seen aus flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen. Die SAR-Aufnahmen sollen mit während der Titan-Vorbeiflüge T-16 und T-19 – diese erfolgten bereits im Juli und Oktober 2006 – angefertigten Radar-Bildern dieser Region verglichen werden. Das Ziel besteht darin, eventuelle Veränderungen der dort befindlichen Seen zu erkunden.
Das INMS soll dagegen die Zusammensetzung der Titanatmosphäre ermitteln. Auch diese Daten sollen mit zuvor in den Jahren 2006 und 2007 gesammelten Messdaten verglichen werden, um eventuelle jahreszeitlich bedingte Veränderungen in der Atmosphäre des Titan zu ermitteln. Nach weiteren Radaraufnahmen wird das CIRS während der Abflugphase dazu eingesetzt, um die Oberflächentemperatur des Mondes zu bestimmen. Zusätzlich soll das VIMS die Atmosphärenschichten des Titan abbilden und nach eventuell dort befindlichen Wolkenstrukturen Ausschau halten. Beide Instrumente werden dabei durch ergänzende ISS-Aufnahmen unterstützt. Des Weiteren wird das Dual Technique Magnetometer (MAG) dazu eingesetzt, um die Stärke des Magnetfeldes in der Umgebung von Titan zu ermitteln.
In den Tagen nach dem Titan-Flyby wird schließlich der Saturn mehrmals in den Fokus der ISS-Kamera rücken. Diese Beobachtungen werden das gewaltige Sturmgebiet zum Ziel haben, welches sich seit dem Dezember 2010 über der nördliche Hemisphäre des Saturn ausdehnte (Raumfahrer.net berichtete), mittlerweile aber immer mehr an Stärke verliert. Aufgrund der während des Titan-Vorbeifluges erreichten größeren Inklination der Raumsonde, diese wird jetzt bei fast 16 Grad liegen, kann jetzt auch das Ringsystem des Saturn wieder besser abgebildet werden. Zwei Beobachtungssequenzen werden am 23. Mai Teile des inneren D-Ringes und des äußeren A-Ringes zum Ziel haben.
Ebenfalls am 23. Mai sollen zudem mehrere der kleineren inneren Saturnmonde im Rahmen sogenannter astrometrischer Beobachtungen abgebildet werden. Die Umlaufbahnen dieser kleinen und entsprechend massearmen Saturnmonde unterliegen einer permanenten gravitativen Beeinflussung durch den Saturn und dessen größeren Monden, was zu minimalen Veränderungen der jeweiligen Umlaufbahnen führen kann.
Das wissenschaftliche Ziel der angefertigten Aufnahmen der Monde Calypso, Pandora, Atlas, Anthe, Pan, Janus und Daphnis besteht darin, die derzeit verfügbaren Daten über deren jeweilige Umlaufbahnen noch weiter zu verfeinern. Die entsprechenden Fotosequenzen werden allerdings durchweg aus größeren Distanzen angefertigt, so dass im Rahmen dieser Beobachtungen keine Oberflächendetails der jeweiligen Monde aufgelöst werden können. Eine weitere astrometrische Beobachtungskampagne ist für den 27. Mai vorgesehen und wird die Monde Calypso, Epimetheus, Telesto und Prometheus zum Ziel haben.
Am 28. Mai 2012 wird Cassini um 07.16 Uhr MESZ in einer Entfernung von rund 2,3 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis erreichen und diesen 167. Orbit um den Ringplaneten beenden. Während des damit beginnenden Orbits Nummer 168 wird am 7. Juni ein weiterer gesteuerter Vorbeiflug am Mond Titan erfolgen. Dieser soll dabei in einer Distanz von rund 959 Kilometern passiert und erneut mit verschiedenen Instrumenten untersucht werden.
Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC.
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