Raumsonde Cassini beginnt den Saturnumlauf Nummer 201

In wenigen Stunden beginnt für die Raumsonde Cassini der mittlerweile 201. Umlauf um den Planeten Saturn. In den kommenden Wochen werden sich erneut das Ringsystem und die Atmosphäre des Saturn im Fokus des wissenschaftlichen Interesses befinden. Den Höhepunkt dieses Orbits bildet allerdings ein für den 1. Januar 2014 geplanter dichter Vorbeiflug der Raumsonde an dem Saturnmond Titan.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: CICLOPS, JPL, The Planetary Society.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute, Cornell University
Diese beeindruckende Mosaikaufnahme der Nordhemisphäre des Saturn und von dessen Ringen wurde aus 33 Einzelbildern zusammengesetzt, welche am 10. Oktober 2013 angefertigt wurden.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute, Cornell University)

Am 17. Dezember 2013 wird die Raumsonde Cassini um 22:24 MEZ auf ihrer elliptischen Umlaufbahn um den Saturn erneut die Apoapsis, den Punkt ihrer größten Entfernung zu dem zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems erreichen. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Raumsonde in einer Entfernung von rund 2,64 Millionen Kilometern zu der obersten Wolkenschicht des Saturn und beginnt damit zugleich ihren mittlerweile 201. Umlauf um den Ringplaneten. Aktuell weist die Flugbahn von Cassini eine Inklination von 51,3 Grad auf.

Für das aus einer Telekamera (NAC) und einer Weitwinkelkamera (WAC) bestehende ISS-Kameraexperiment, einem der 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord von Cassini, sind während des diesmal 33 Tage andauernden Umlaufs – dieser trägt die Bezeichnung „Rev 200“ – insgesamt 43 Beobachtungskampagnen vorgesehen. Ein Großteil dieser Kampagnen wird erneut die Atmosphäre und das Ringsystem des Saturn zum Ziel haben. Den Höhepunkt der Beobachtungen stellt jedoch ein am 1. Januar 2014 erfolgender gesteuerter Vorbeiflug am größten der derzeit 62 bekannten Saturnmonde, dem 5.150 Kilometer durchmessenden Mond Titan, dar.
Der B-Ring des Saturn
Die erste Beobachtungskampagne der ISS-Kamera wird am 18. Dezember den B-Ring des Saturn zum Ziel haben. Aus den Aufnahmen der Kamera sollen anschließend kurze Videosequenzen erstellt werden, auf denen die im B-Ring angeordneten Speichenformationen erkennbar sind. Diese Strukturen wurden erstmals auf den Aufnahmen der Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 ausgemacht, welche den Saturn bereits Anfang der 1980er Jahre passierten. Diese auf Fotoaufnahme in hellen Farben erkennbaren Speichen sind im Durchschnitt lediglich etwa 100 Kilometer breit und erstrecken sich radial über eine Strecke von bis zu 20.000 Kilometer in das Ringsystem hinein.

NASA, JPL, Space Science Institute, Animation: Mike Malaska
Diese Speichenformationen im B-Ring des Saturn wurden im September 2009 durch die Raumsonde Cassini abgebildet.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute, Animation: Mike Malaska)

Es handelt sich hierbei um lediglich vorübergehend auftretende Erscheinungen, welche sich innerhalb von wenigen Stunden ausbilden und dann wieder verschwinden. Die Planetenforscher sind sich mittlerweile weitgehend sicher, dass diese Speichenstrukturen durch elektrisch aufgeladenen Staub verursacht werden, welcher durch elektrischen Abstoßungskräfte vorübergehend aus dem B-Ring herausgedrückt wird. Es wird vermutet, dass die Speichen ein saisonales Phänome darstellen und sich nur zu bestimmten Zeiten während eines knapp 30 Jahre andauernden Saturnjahres bilden. Mit dem Fortschreiten der Jahreszeiten und dem Einsetzen des Sommers auf der nördlichen Planetenhemisphäre sollten sie dann nicht mehr auftreten. Bis zum 14. Januar 2014 sind vier weitere solcher Beobachtungssequenzen vorgesehen.

Mondbeobachtungen
Eine für den 19. Dezember eingeplante Beobachtung wird den Saturnmond Titan zum Ziel haben. Aus einer Entfernung von etwa 3,75 Millionen Kilometern soll dabei dessen ausgedehnte Atmosphäre studiert werden. Das Interesse der beteiligten Wissenschaftler wird sich bei dieser Gelegenheit auf die in den obersten Atmosphärenschichten enthaltenen Aerosole und Dunstschichten konzentrieren.

Am 20. und 21. Dezember erfolgen diverse Abbildungen der beiden kleineren, äußeren Saturnmonde Tarvos und Skathi. Außer den Daten von deren Umlaufbahnen um den Saturn und ihren Durchmessern von lediglich rund 15 beziehungsweise acht Kilometern ist über diese erst im Jahr 2000 entdeckten Monde bisher nur sehr wenig bekannt. Anhand der Variationen in den sich bei diesen aus Entfernungen von 21,2 beziehungsweise 17,1 Millionen Kilometern erfolgenden Beobachtungssequenzen ergebenden Lichtkurven und einem Abgleich mit früheren Beobachtungen sollen die Helligkeitsvariationen auf deren Oberfläche und die sich daraus ergebenden Rotationsperioden und die Ausrichtung der Rotationsachsen dieser beiden Monde bestimmt werden.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Der etwa 179 Kilometer durchmessende Saturnmond Janus wurde am 28. April 2013 aus einer Entfernung von 1,3 Millionen Kilometern von der NAC-Kamera der Raumsonde Cassini abgebildet. Die Auflösung dieser Aufnahme liegt bei etwa sieben Kilometern pro Pixel.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Am 22. Dezember steht erneut der Titan auf dem Beobachtungsprogramm der Raumsonde. Die aus einer Entfernung von diesmal 2,82 Millionen Kilometern anzufertigenden Aufnahmen sollen erneut dessen Atmosphäre wiedergeben. Das Interesse wird sich dabei auf die Verteilung von Wolkenstrukturen und die verschiedenen in der Titanatmosphäre befindlichen Dunstschichten richten. Durch die Beobachtung von markanten Wolkenformationen in den Titan-Atmosphäre lassen sich zum Beispiel Aussagen über die dort gegenwärtig vorherrschenden Windrichtungen und Windgeschwindigkeiten tätigen.

Am darauffolgenden Tag sollen schließlich mehrere der kleineren, inneren Saturnmonde im Rahmen sogenannter astrometrischer Beobachtungen abgebildet werden. Die Umlaufbahnen dieser kleinen und entsprechend massearmen Saturnmonde unterliegen einer permanenten gravitativen Beeinflussung durch den Saturn und dessen größeren Monden, was zu minimalen Veränderungen der jeweiligen Umlaufbahnen führen kann. Das wissenschaftliche Ziel der anzufertigenden Aufnahmen der Monde besteht darin, die derzeit verfügbaren Daten über deren Umlaufbahnen noch weiter zu präzisieren. Vergleichbare Kampagnen sollen zusätzlich am 27. Dezember und am 3. Januar durchgeführt werden.

Ebenfalls am 23. Dezember wird die WAC-Kamera den Saturn abbilden. Im Rahmen dieser Beobachtung, welche Bestandteil einer langfristig ausgelegten „Sturmbeobachtungskampagne“ ist, sollen erneut aktuelle Daten über das dortige Wettergeschehen gesammelt werden, welche sich durch die Dokumentation von kleineren Sturmgebieten und markanten Wolkenformationen ergeben. Bis zum 14. Januar sind zehn weitere solcher Beobachtungen vorgesehen.

Am 29. Dezember erfolgen – verteilt über einen Zeitraum von rund 15 Stunden – mehrere Abbildungen des Saturnmondes Aegaeon, der als eine der Materialquellen für den G-Ring des Saturn angesehen wird (Raumfahrer.net berichtete). Am nächsten Tag soll ein weiterer äußerer Mond, diesmal handelt es sich um Siarnaq, abgebildet werden, um dessen Rotationsperiode zu bestimmen.

Der Titan-Vorbeiflug T-97

NASA, JPL, Space Science Institute
Der G-Ring des Saturn. Auf diesen drei Aufnahmen, welche am 27. Oktober 2008 angefertigt wurden, wurde der Mond Aegaeon entdeckt.
(Bild: NASA, JPL, Space Science Institute)

Am 1. Januar 2014 steht dann der Höhepunkt des 201. Umlaufs der Raumsonde Cassini um den Saturn an. Um 23:00 MEZ wird die Raumsonde den größten der Saturnmonde im Rahmen eines gerichteten Vorbeifluges in einer Entfernung von 1.400 Kilometern mit einer Geschwindigkeit von 5,8 Kilometern pro Sekunde passieren. Aufgrund eines vergleichbaren Flugverlaufes der Raumsonde während dieses Vorbeifluges weist das zu absolvierende wissenschaftliche Programm sehr große Ähnlichkeiten mit dem vorherigen Titan-Flyby, dem erst am 1. Dezember 2013 erfolgten Vorbeiflug „T-96“, auf. Die mit diesem 98. Vorbeiflug am Titan – das Manöver trägt die Bezeichnung „T-97“ – assoziierten Beobachtungen beginnen bereits am 31. Dezember. Hierbei wird die ISS-Kamera vier Wolkenbeobachtungskampagnen durchführen.

Ab den Morgenstunden des 1. Januar und somit ebenfalls noch während der Annäherungsphase an den Titan soll neben der ISS-Kamera ein weiteres Instrument, das Composite Infrared Spectrometer (CIRS), dazu genutzt werden, um diverse Scans auf der Nachtseite des Titan durchzuführen. Das Ziel dieser Messungen, welche sich auf die Nordhemisphäre konzentrieren werden, besteht darin, die zu diesem Zeitpunkt in der Stratosphäre der Titanatmosphäre vorherrschenden Temperaturen zu ermitteln. Zusätzlich sollen hierbei durch Abtastungen, welche im mittleren und fernen Infrarotbereich erfolgen, die Verteilung von Aerosolen und verschiedener chemischer Verbindungen in den oberen Schichten der Titanatmosphäre bestimmt werden.

Im Anschluss an diese Messungen soll die ISS-Kamera diverse Aufnahmen der zu diesem Zeitpunkt sichtbaren Titanhemisphäre anfertigen und diese mit einer Auflösung von 1,5 Kilometern pro Pixel abbilden. Während das CIRS-Instrument zu diesem Zeitpunkt weitere Daten über die Atmosphäre sammelt, wird zudem ein weiteres Instrument, das Ultraviolet Imaging Spectrometer (UVIS), eingesetzt. Auch das UVIS wird diverse Scans durchführen, welche der Analyse der Titanatmosphäre dienen sollen.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Ein Blick auf die Südhemisphäre des Titan, erstellt am 14. Juli 2013 durch die NAC-Kamera. Der von der Sonne beleuchtete Rand eines direkt über dem Südpol des Titan gelegenen Wolkenwirbels zeichnet sich hier deutlich erkennbar gegenüber den in Dunkelheit gelegenen Bereichen der angrenzenden Atmosphäre ab. Daraus schlussfolgern die an der Cassini-Mission beteiligten Wissenschaftler, dass sich dieser Wirbel deutlich weiter in die Höhe erstreckt als die umgebenden Atmosphärenschichten.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Während der Phase der dichtesten Annäherung an den Titan wird das VIMS-Spektrometer die wissenschaftlichen Arbeiten dominieren. Dieses Instrument wird dabei diverse Aufnahmen der Seen in der Nordpolregion anfertigen und bei dieser Gelegenheit auch speziell jene Bereiche der Titanoberfläche abbilden, welche derzeit nicht mit zu früheren Zeitpunkten dort befindlichen Kohlenwasserstoffverbindungen gefüllt sind. Ein besonderes Interesse gilt dabei der Verteilung von Evaporit-Gesteinen, welche von der „Verdunstung“ der flüssigen Kohlenwasserstoffverbindungen zeugen.

Des weiteren wird das Instrument diverse in der Äquatorregion des Titan befindliche ausgedehnte Dünenfelder abbilden. Die unterschiedliche Helligkeit, in der sich die Regionen Shangri-La und Mindanao Facula auf den bisherigen Aufnahmen präsentierten, deuten auf eine unterschiedliche chemische und mineralogische Zusammensetzung dieser Oberflächenbereiche hin.

Nach dem Passieren des Titan wird das CIRS-Spektrometer erneut diverse Scans durchführen, welche sich diesmal allerdings auf die südliche Titan-Hemisphäre konzentrieren werden. Auch hierbei sollen die Struktur, die Temperatur und die chemische Zusammensetzung der obersten Schichten der Atmosphäre analysiert werden. Zur gleichen Zeit wird das VIMS-Spektrometer einen umfassende Abtastung der Südhemisphäre durchführen.

Bei diesem Titan-Vorbeiflug handelt es sich um den ersten von insgesamt 11 im Jahr 2014 erfolgenden gesteuerten Vorbeiflügen der Raumsonde Cassini an dem Titan.

Periapsis
Am 3. Januar wird die Raumsonde um 12:34 MEZ die Periapsis, den Punkt der größten Annäherung an den Saturn während dieses Orbits Nummer 201 erreichen und den Planeten in einer Entfernung von 1,04 Millionen Kilometern passieren. Nur wenige Stunden später wird die ISS-Kamera zusammen mit dem VIMS-Spektrometer eine Sternbedeckung beobachten. Bei dieser Okkultation wird der rote Riesenstern R Lyrae von Teilen des Ringsystems des Saturn bedeckt. Durch die sich dabei ergebenden Helligkeitsschwankungen in der Lichtkurve von R Lyrae erhoffen sich die an der Kampagne beteiligten Wissenschaftler Aufschlüsse über den Aufbau, die Materialdichte und die Struktur der Ringbereiche, welche den Stern bei dieser Okkultation bedecken. Außerdem, so die Wissenschaftler, können so eventuelle Veränderungen in der Ringstruktur registriert werden, welche durch das Gravitationsfeld des Saturn oder durch erst kürzlich erfolgte „Einschläge“ von Meteoroiden verursacht wurden.

NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute
Diese Aufnahme des Saturn fertigte die WAC-Kamera von Cassini am 12. August 2013 aus einer Entfernung von 1,6 Millionen Kilometern zum Planeten an. Die Raumsonde befand sich dabei etwa 18 Grad oberhalb der Ringebene. Die Bildauflösung beträgt 92 Kilometer pro Pixel. Verwendet wurde ein für das nahinfrarote Lichtspektrum optimierter Spektralfilter (728 Nanometer).
(Bild: NASA, JPL-Caltech, Space Science Institute)

Am 5. Januar wird das ISS-Kamerateam schließlich versuchen, den am weitesten vom Saturn entfernt gelegenen, extrem lichtschwachen und erst im Jahr 2009 auf Aufnahmen des Weltraumteleskops Spitzer entdeckten Phoebe-Ring abzubilden. Speziell wollen die Wissenschaftler hierbei versuchen, den Schatten zu fotografieren, welchen der Saturn an diesem Tag auf den 12 Millionen Kilometer entfernt gelegen Ring werfen wird. Weitere Beobachtungen in den folgenden Tagen werden erneut das Ringsystem des Saturn und einen weiteren äußeren Mond, den etwa sieben Kilometer durchmessenden Tarqeq, zum Ziel haben.

Am 19. Januar 2014 wird die Raumsonde Cassini schließlich um 11:10 MEZ in einer Entfernung von rund 2,8 Millionen Kilometern zum Saturn erneut die Apoapsis ihrer Umlaufbahn erreichen und damit auch diesen 201. Umlauf um den Ringplaneten beenden. Für den damit beginnenden Orbit Nummer 202 sind erneut diverse Beobachtungen des Ringsystems und der Atmosphäre des Saturn sowie verschiedener Saturnmonde vorgesehen. Den Höhepunkt dieses nächsten Orbits bildet dabei ein weiterer gesteuerter Vorbeiflug an dem Mond Titan, welcher von der Raumsonde am 2. Februar 2014 in einer Entfernung von rund 1.235 Kilometern passiert werden wird.

Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC. Nach dem derzeitigen Planungsstand soll Cassini den Saturn noch bis zum Jahr 2017 erkunden und am 15. September 2017 aufgrund des dann nahezu komplett aufgebrauchten Treibstoffvorrates kontrolliert in der Atmosphäre des Ringplaneten zum Absturz gebracht werden.

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