Erfolgreiche Woche für SpaceX: Spatenstich für SpaceXs Weltraumbahnhof in Brownsville und SpaceXs Dragon erreicht die ISS. SNC protestiert US-Crewtransportvergabe, US-Crewprogramm damit erstmal auf Eis. Europa einigt sich auf technisches Ariane 6 Konzept, weitere Details noch unklar. Die neue Juncker-Kommission wertet die EU-Raumfahrt auf und schafft einen EU Kommissar für Transport und Weltraum.
Ein Beitrag von Tobias Willerding. Quelle: SpaceNews, SpaceX, SNC, Les Echos, EU Kommission.
Erfolgreiche Woche für SpaceX
Am Montag wurde nahe Brownsville, im Süden des US-Bundesstaates Texas, die Zeremonie des ersten Spatenstiches für den SpaceX-eigenen Weltraumbahnhof abgehalten. Dabei waren Elon Musk, der CEO von SpaceX, der Gouverneur von Texas, lokale Politiker sowie die Presse anwesend. Von diesem Ort sollen ab Ende 2016 kommerzielle GTO-Missionen von SpaceX fliegen. Sowohl die aktuelle Falcon 9 als auch die neue Falcon Heavy sollen von hier abheben. Anfangs ist der Startplatz auf 12 Missionen pro Jahr ausgelegt und das Investitionsvolumen bewegt sich auf einer Größenordnung von 100 Millionen US-Dollar. Der eigentliche Bau soll jedoch erst im dritten Quartal 2015 beginnen, wenn die Bauarbeiten am Startplatz 39A abgeschlossen sind.
SpaceX hat das Projekt eines eigenen Weltraumbahnhofes begonnen, um Nachteilen am Cape, in Vandenberg und am KSC aus dem Weg zu gehen. Diese Weltraumbahnhöfe werden vom US-Militär bzw. von der NASA kontrolliert und sind zu restriktiv im Umgang mit z.B. Nicht-US-Bürgern und haben weitere Kostennachteile. In Brownsville kann SpaceX alles kontrollieren und ist allein den Vorschriften der FAA unterworfen.
Darüber hinaus hat am Dienstag die Dragonkapsel die ISS erreicht. Der Anflug verlief problemlos und die Dragon wurde um 12:52 MESZ vom ISS-Canadaarm eingefangen. Mitte Oktober wird die Dragonkapsel die ISS wieder verlassen und Platz für Orbitals Cygnuskapsel machen. Der Start dieser Mission ist derzeit für den 21. Oktober um 03:29 MESZ geplant.
Sierra Nevada Corporation protestiert CCtCap-Vergabe
Am späten Freitagabend wurde bekannt, dass die Sierra Nevada Corporation, die mit ihrem Dreamchaser-Design beim US-Crewtransportprogramm CCtCap den Kürzeren gezogen hat, gegen die Vergabe Protest beim GAO (Government Accountability Office – US Rechnungshof) eingelegt hat. Nach der Bekanntgabe der Vergabe, wollte SNC erstmal die Rücksprache mit der NASA abwarten bevor man das weitere Vorgehen bekannt gibt. Diese Rücksprache ist inzwischen erfolgt und nach Aussage von SNC gibt es große Unstimmigkeiten in der Bewertung der Angebote.
Bei der Bewertung der Angebote gab es drei Hauptfaktoren. Die technische Leistung des Konzepts, Performance der Firma in der Vergangenheit und Preis. Preis war dabei gleich gewichtet wie die beiden anderen Faktoren zusammen. SNC sagt in ihrer Pressemitteilung, dass bei Leistung und vergangener Performance alle Firmen ungefähr gleichwertig waren, jedoch SNC das zweitgünstigste Angebot nach SpaceX abgelegt hat. Anstatt Boeing hätte also SNC gewinnen müssen. Weiter hat SNC bekannt gegeben, dass man ca. 100 Mitarbeiter entlassen musste aber die CCiCap-Arbeiten trotzdem noch abschließen möchte.
Der US-Rechnungshof hat jetzt bis zum 5. Januar Zeit über diesen Einspruch zu entscheiden. In dieser Zeit dürfte das Programm NASA-seitig erstmal auf Eis liegen, da man kein Geld an Firmen geben möchte, was sich später als unrechtmäßig herausstellen könnte. Allerdings können die Firmen in dieser Zeit die Entwicklung mit eigenen Mitteln voranbringen, was zumindestens bei SpaceX wahrscheinlich sein dürfte.
Positive Nachrichten von der EU
Nach dem das Galileoprogramm in der letzten Zeit vor allem wegen dem Sojusfehlstart negativ in der Presse war, wo übrigens immer noch keine Erklärung für die Unglücksursache vorliegt, gibt es jetzt eine positive Nachricht zu vermelden. In der neuen Juncker-Kommission, die am 1. November antritt, ist das EU-Raumfahrtprogramm nicht mehr im Ressort „Industrie und Unternehmertum“ untergebracht, sondern im Ressort „Transport und Weltraum“. Dadurch haben Galileo und Copernicus innerhalb der EU an Bedeutung gewonnen. Dass das Wort „Weltraum“ direkt in einer Jobbezeichnung eines EU-Kommissars auftaucht – was in einer normalen Regierung ein Minister wäre – kann als bedeutender Schritt gesehen werden. Der neue europäische Kommissar für Transport und Weltraum, der Slowake Maroš Šefčovič, wird sich also einen signifikanten Anteil seiner Zeit mit dem EU-Raumfahrtprogramm beschäftigen dürfen.
Vor ihm stehen wichtige Entscheidungen. Nach dem Sojusfehlstart in Kourou gibt es Überlegungen alle Sojusstarts für Galileo auszusetzen und die restlichen mit Ariane 5 zu starten. Diese Entscheidung für oder gegen die Sojus ist eine der bedeutendsten Entscheidungen im europäischen Raumtransport seit Jahren und könnte eine Kaskade von Konsequenzen nach sich ziehen. Die europäischen Staaten haben mehrere hundert Millionen Euro für die Sojus in Kourou ausgegeben und könnten jetzt durch einen Galileo-Wechsel zu Ariane 5 die Sojus als nicht mehr zuverlässig genug für europäische Satelliten „brandmarken“.
Europa einigt sich auf Ariane 6-Design
Von der ESA-Seite des europäischen Raumfahrtprogramms gibt es eine kleine positive Meldung zu verbuchen. Die nationalen Agenturen, ESA und Industrie haben sich auf ein technisches Konzept für Ariane 6 geeinigt. Die neue Ariane 6 besteht aus einer Hauptstufe mit dem aktuellen Vulcain 2 Triebwerk, einer neuen Oberstufe mit dem Vinci-Triebwerk und aus 2-4 Feststoffboostern. Die Variante mit 2 Feststoffboostern heißt Ariane 62 und die mit 4 Boostern Ariane 64. Das ist dann aber auch alles, worauf man sich verständigt hat. Weiter unklar ist, ob erst die Ariane 5 ME gebaut werden soll oder direkt die neue Ariane 6, welche Frankreich gerne 2020 einsatzbereit haben möchte. Ebenfalls die Entwicklungkosten von 4 Milliarden Euro bereiten noch Kopfschmerzen und die Frage der Glaubwürdigkeit der aktuellen Kostenschätzungen steht auch noch im Raum.
Berlin hadert außerdem noch mit dem Geo-Return von Ariane 6. Ursprünglich war angedacht den Geo-Return zu lockern, um die Industriestruktur zu straffen und wettbewerbsfähiger zu werden, jetzt ist davon jedoch keine Rede mehr. Berlin geht mit gutem Beispiel voran und blockt offenbar Ariane 6, weil es noch kein Arbeitspaket für OHB bzw. MT Aerospace in Augsburg gibt. Anstatt europäischer Interessen werden also weiterhin knallhart nationale Interessen vertreten. Die neue Ariane 6 soll nur noch 65 Millionen Euro (Ariane 62) bzw. 85 Millionen Euro (Ariane 64) pro Start kosten. Wie diese Kostenziele erreicht werden sollen, wo doch der technische Aufbau von der neuen Ariane 6 der alten Ariane 5 stark ähnelt und offenbar die alten Firmen auch alle bei der neuen Ariane ein Arbeitspaket abgekommen, muss, soll oder kann man als Außenstehender nicht verstehen.
Weiterhin berichtete „SpaceNews“ diese Woche, dass die neue Ariane 6 jetzt doch eine eigene Startanlage bekommen soll. Kostenpunkt: 700 Millionen Euro oder 900 Millionen Dollar, also 9x Mal so teuer wie der neue SpaceX-Weltraumbahnhof in Brownsville. Wie diese Kostendifferenz wohl dem europäischen Steuerzahler kommuniziert werden kann?