Auch im zurückliegenden Jahr war wieder einiges los im All. Wir lassen einige Höhepunkte noch einmal Revue passieren.
Ein Beitrag von Günther Glatzel. Quelle: Raumfahrer.net.
Statistik
Bei immerhin 80 erfolgreichen Starts (und 4 Fehlschlägen) gelangten 128 Raumfahrzeuge und Kleinsatelliten ins All, 4 davon allerdings auf falsche Bahnen. Vier der erfolgreichen machten sich auf den Weg zu Jupiter (Juno), Mond (Grail A und B) sowie Mars (MSL Curiosity). 80 Nutzlasten gelangten auf niedrige Erumlaufbahnen (LEO), 32 in den Geostationären (GEO) oder einen inklinierten geosynchronen Orbit (IGSO), 9 auf Bahnen in mittlerer Höhe (MEO) und 3 auf stark elliptische Orbits (HEO), einer davon unbeabsichtigt.
Spitzenreiter als Startdienstleister war Russland mit 33 erfolgreichen Starts, wobei 3 Nutzlasten nicht auf die geplanten Bahnen gelangten, und 2 Totalverlusten. Platz 2 belegt in diesem Jahr China mit 18 Erfolgen und 1 Fehlstart vor den USA mit 17 Erfolgen und einem Verlust. Der ESA (Arianespace) gelangen 5 Starts, Japan und Indien waren jeweils 3 Mal erfolgreich und Iran beförderte 1 Satelliten in eine Umlaufbahn.
Die meisten Nutzlasten stellen nach wie vor die USA (29) vor Russland (24), China (18), dem internationalen Unternehmen Globalstar (12), Frankreich (5) und Indien (5). Des Weiteren wurden Satelliten für Regierungen oder Unternehmen in Japan (4), Singapur, den Vereinigten Arabischen Emiraten, im Iran, in Kasachstan, Luxemburg (2), Pakistan, Italien, Nigeria (3), der Türkei, Argentinien (2), der Ukraine (2), Saudi Arabien, Mexiko, für Eutelsat (2), die Europäische Union (2), die ESA, Chile, Hongkong und Israel ins All gebracht. Außerdem gab es 5 Satelliten, die in internationaler Kooperation betrieben werden.
13 Raumschiffe steuerten die Internationale Raumstation (ISS) an, davon waren 7 mit insgesamt 28 Raumfahrern aus 5 Ländern bemannt. Die Station wurde um 1 Druckmodul (PMM), ein komplexes Experiment (Alpha Magnet Spectrometer) und zwei Außenlastträger (ELC) erweitert. Große Fortschritte gab es auch bei den Navigationssystemen (12 neue Satelliten): GloNaSS ist seit einigen Wochen weltweit verfügbar, Beidou funktioniert seit einigen Tagen regional in und um China und die ersten beiden Galileo-Einsatzsatelliten senden Navigationssignale.
Höhepunkte
Zu den Höhepunkten zählen sicherlich die vielen neu entdeckten Exoplaneten (Planeten bei anderen Sternen) mit Hilfe der Weltraumteleskope Kepler und CoRoT sowie bodengestützter Observatorien. Dazu gehören auch erste Gesteinsplaneten, ganze Planetensysteme, Planeten in habitabler Zone (wo Wasser flüssig sein könnte) sowie den ersten Planeten in Erdgröße. Insbesondere der Sonnensatellit Kepler hat mit seinen 42 CCD-Sensoren mit 95 Megapixeln im Sternbild Schwan ständig mehr als 100.000 sonnenähnliche Sterne im Blick und konnte durch periodische Verdunklungen einiger Sterne mehr als 2.300 Planetenkandidaten identifizieren, die in der nächsten Zeit wahrscheinlich größtenteils bestätigt werden.
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Ihren würdigen Abschied nahm die Shuttle-Flotte der NASA. Die letzten Flüge der drei Raumfähren wurden gründlich vorbereitet, erfolgreich absolviert und entsprechend in Szene gesetzt. Insgesamt 30 Jahre lang leisteten die 5 Raumfähren Großes für die US-amerikanische und internationale Raumfahrt. Auch wenn die Shuttles und die NASA doch manche Kritik einstecken mussten, kann man am Ende doch eine positive Bilanz ziehen. Die politischen, wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Diskussionen des Jahres 2010 um einen Nachfolger gingen 2011 weiter und haben noch immer zu keinem klaren Ziel geführt. Orion wird entwickelt, ein qualifizierter Träger ist bestenfalls in der Planung, kommerzielle Unternehmen (CCDev) müssen um Unterstützung bangen und betteln und die Zukunft weitergehender privater Initiativen wie Falcon Heavy, Red Dragon, Stratolaunch oder „STS 2.0“ ist noch längst nicht entscheiden. Manche Konzepte oder Ideen wirken auf die interessierte Öffentlichkeit eher wie Science Fiction oder Werbekampagnen.
Die Realität ist schwierig genug. Nach drei erfolgreichen Shuttle-Flügen und zwei Langzeitmissionen mit Sojus-Raumschiffen sorgte der Absturz eines unbemannten Progress-Frachters für vielfältige Diskussionen, die bis zur Reduzierung der Besatzungsstärke auf 3 Personen oder einem zeitweise unbemannten Flug der ISS gingen. Gegenwärtig ist die Station aber planmäßig mit 6 Raumfahrern besetzt und noch ausreichend Nachschub an Nahrungsmitteln, Treibstoffen, Wasser, Luft und Experimentiermaterial vorhanden. Am Boden werden vor allem bei NASA, ESA und JAXA die Planungen für die wissenschaftliche Nutzung des Außenpostens ausgeweitet. In Russland werden Vorbereitungen für den Start weiterer Module getroffen, von denen die meisten überwiegend der Forschung dienen sollen.
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Sehr groß war auch der Wissenszuwachs über die Planeten unseres Sonnensystems sowie über Asteroiden und Kometen. Stardust passierte den Kometen Tempel 1, der damit bereits zum zweiten Mal Besuch von der Erde bekam. Dawn ist im September in einen Orbit um Vesta eingeschwenkt und hat die Höhe immer weiter verringert. Den Mars erforschen Mars Reconnaissance Orbiter, Mars Express und Mars Odyssey aus einer Umlaufbahn und liefern wöchentlich neue Bilder und Erkenntnisse über Vergangenheit und Gegenwart des Roten Planeten. Auf der Oberfläche hat Opportunity die 30-Kilometer-Marke überfahren, mittlerweile den Endeavour-Krater erreicht und in dessen Umgebung Gips entdeckt. Sein Zwilling Spirit wurde im Frühjahr aufgegeben, nachdem er zuvor mehr als 15-mal so lange erfolgreich gearbeitet hatte als ursprünglich geplant.
Im März ist die NASA-Sonde Messenger in eine Umlaufbahn um den Merkur eingeschwenkt und liefert seitdem Bilder und Daten. Der Saturn und seine vielen interessanten Monde wird weiterhin von Cassini erforscht. Jeder Umlauf ist dabei minutiös geplant. Ein Highlight in diesem Jahr war die Untersuchung eines riesigen Wirbelsturms in der Saturnatmosphäre, der im Dezember vergangenen Jahres von Amateurastronomen entdeckt worden war. Diese bescherten uns 2011 u.a. eine Supernova in der Whirlpool-Galaxie und fantastische Bilder vom Kometen Lovejoy um die Weihnachtszeit.
Auf den Weg zum Mars machte sich im November mit Curiosity ein neuer, größerer Rover, der im August 2012 den Roten Planeten erreichen soll. Länger unterwegs ist aufgrund der zwar treibstoffsparenden aber komplizierten Flugbahn die Jupitersonde Juno. Im Erdorbit hängengeblieben sind dagegen leider Fobos-Grunt und die Huckepacksonde Yinghuo, die jetzt eigentlich auf einer Flugbahn zum Mars sein sollten. Sie werden Mitte Januar in den dichten Schichten der Erdatmospäre verglühen, wie dies am Weihnachtsabend spektakulär mit der 3. Stufe einer Sojusrakete über Teilen Deutschlands geschah. Mit etwas Bangen war auch das Vergehen von UARS und ROSAT beäugt worden.
SpaceShipTwo führte im Mai den ersten Federflug aus, hängt sonst aber hinter dem Zeitplan her. Die Erde hat einen kleinen Begleiter, der ihr auf der Bahn manchmal voraus, manchmal hinterher ist, das VLT Survey Telescope auf der Erde wurde eingeweiht und lieferte die ersten spektakulären Bilder aus dem All, die chinesische Mondsonde Chang´e 2 wurde aus dem Mondorbit manövriert und steuerte den Lagrange-Punkt L2 des Sonne-Erde-Systems an, während die Mondsonden GRAIL A und B heute und morgen auf dem umgekehrten Weg von L1 aus den Erdtrabanten erreichen. SDO hat auf der Sonne superschnelle Wellen nachweisen können, die als Ursache für die Aufheizung der Sonnenumgebung infrage kommen, das Erdobservatorium VISTAhat eine Vielzahl unbekannter offener Sternhaufen in der Milchstraße entdeckt und die Chinesen haben mit Tiangong 1 eine erste, kleine Raumstation ins All gebracht. Hier koppelte das unbemannte Raumschiff Shenzhou 8 zweimal an und macht damit den Weg frei für eine oder zwei bemannte Missionen 2012.
Raumcon: