Das vergangene Jahr hat für die Astronomie- und Raumfahrtinteressierten eine ganze Reihe von spannenden Momenten bereitgehalten. Wir halten Rückschau.
Ein Beitrag von Günther Glatzel. Quelle: Raumfahrer.net. Vertont von Peter Rittinger.
Statistik
Im Verlaufe von 70 erfolgreichen Starts (bei 4 komplett verlorenen) wurden 118 Raumflugkörper ins All gebracht. Davon gelangten 114 in Umlaufbahnen um unseren Heimatplaneten, drei auf eine interplanetare Flugbahn und einer zum Mond. 73 Nutzlasten erreichten niedrige Erdorbits (LEO), 33 wurden geostationär oder inkliniert geostationär positioniert, 7 umlaufen die Erde in Bahnen mittlerer Höhe (MEO) und 3 auf stark elliptischen Orbits (HEO), einer davon unfreiwillig.
Eine Besonderheit bilden die inklinierten quasistationären Orbits. Dabei benötigt der Satellit zwar einen Tag für einen Umlauf, steht aber nicht scheinbar über einem Punkt des Äquators still sondern bewegt sich in Nord-Süd-Richtung (auf einer mehr oder weniger ausgeprägten Acht) und zurück. Auch dadurch können zwei Satelliten für eine Dreipunktpeilung eines Satellitennavigationssystems verwendet werden. China und Japan nutzen diese Möglichkeit für die Navigationssysteme Baidou 2 (Kompass 2) bzw. Global Positioning System (GPS).
Die größte Anzahl an Starts wurde wie in den letzten Jahren durch russiche Träger realisiert. Insgesamt wurden 31 Raketen gestartet, 30 davon waren erfolgreich. Ein Träger konnte seine Nutzlast aufgrund eines Tankfehlers nicht in den geplanten Orbit bringen. Die 15 Träger der USA waren komplett erfolgreich. Gleiches gilt für die 15 chinesischen, die 6 ESA-Starts, die 2 japanischen und die israelische Mission. Für Indien endeten 2 der 3 Missionen erfolglos, bei Südkorea misslang der einzige Start.
Die meisten Nutzlasten (33) wurden für die USA ins All gebracht, gefolgt von Russland (29), China (20) und Japan (8). Für die ESA war nur 1 Raumflugkörper dabei, die anderen waren kommerzielle oder militärische Nutzlasten im Auftrag von Firmen, Organisationen oder Staaten. 12 Raumschiffe steuerten die Internationale Raumstation an, davon 7 bemannte. 23 Satelliten haben reine Kommunikationsfunktionen aus dem Geostationären Orbit, 13 Satelliten dienen drei verschiedenen Navigationssystemen (Baidou, GloNaSS, GPS).
Höhepunkte
Höhepunkte gab es viele. Zu Beginn des Jahres erwartete man die erste Datenauswertung des Planetensuchers Kepler. Neben 706 aussichtsreichen Kandidaten konnten aber nur wenige bestätigte Exoplaneten vermeldet werden. Auch CoRoT steuerte noch einige Entdeckungen bei, die meisten aber gehen auf Daten erdgebundener Teleskope zurück. Im Verlaufe des Jahres konnte die Zahl bekannter Exoplaneten auf mehr als 500 gesteigert werden.
Auf der ISS gibt es seit Anfang 2010 einen fast direkten Internet-Zugang. Außerdem wurden mit Tranquility, Cupoa und Rasswjet drei neue Module angebaut. Mitte des Jahres gab es Schlagzeilen für eine komplizierte und erfolgreiche Reparatur an einem der äußeren Kühlkreisläufe.
Die Navigationssatellitensysteme Baidou (China), GloNaSS (Russland) und GPS (USA) wurden weiter ausgebaut. Vor allem China kam dabei gut voran. In Russland gab es durch einen Betankungsfehler einen Rückschlag, der drei geplante Satelliten ihre Bahnen verfehlen ließ. Am GPS-System beteiligte sich erstmals Japan aktiv mit einem Satelliten, der über Japan hin und her pendelt und den Empfang der Navigationssignale in bergigen Regionen und Großstädten drastisch verbessern soll.
Lang erwartet, heiß umkämpft und letztlich viel diskutiert wurde eine neue Strategie für die US-amerikanische Raumfahrt präsentiert. Demnach soll sich die NASA mehr auf Forschungsaktivitäten im All und an neuer Technologie konzentrieren. Der Transport von Fracht und später auch Menschen in erdnahe Orbits soll privaten Raumfahrtfirmen der USA überlassen bleiben. Die NASA soll auch Träger und Raumfahrzeuge (mit)entwickeln, die für bemannte Flüge in die Tiefen des Alls, also aus dem Erdorbit heraus, geeignet sind.
Erste mutmachende Ereignisse auf dieser Strecke waren vor allem der Jungfernflug der Trägerrakete Falcon 9 der Firma SpaceX im Juni und die erste Demonstrationsmission des Raumfahrzeugs Dragon im Dezember.
Mittels Lunar Reconnaissance Orbiter sowie erdgebundener Messstationen konnten die russischen Mondfahrzeuge Lunochod 1 und 2 wiedergefunden werden. Die chinesische Sonde Chang’e 2 umläuft auf niedriger Bahn den Erdtrabanten und hält auch nach geeigneten Landestellen für Folgemissionen Ausschau.
Etwas weiter ins All wagten sich UNITEC 1, Akatsuki und IKAROS. Der Kontakt mit der ersten Sonde ging schon nach kurzer Zeit verloren, bei Akatsuki gelang das Bremsmanöver an der Venus nicht aber IKAROS war ein voller Erfolg. Durch Fliehkräfte wurde ein 173 m² großes Sonnensegel aus einem zylindrischen Sondenkörper herausgezogen und entfaltet. Der Lichtdruck der Sonne konnte gemessen, elektrische Energie durch Dünnschichtsolarzellen gewonnen, Gammastrahlungsausbrüche und Staubpartikel nachgewiesen sowie Position und Geschwindigkeit der Sonde mit einem neuen Verfahren bestimmt werden.
Ein anderer japanischer Vagabund kehrte nach langer, hürdenreicher Reise zur Erde zurück: Hayabusa. Die Sonde hatte den erdnahen Asteroiden Itokawa besucht und sich mit zweijähriger Verspätung auf den Rückweg gemacht. Im Juni näherte sie sich der Erde und warf eine kleine Rückkehrkapsel ab, die tatsächlich ein paar Körnchen Asteroidenstaub enthielt.
Ebenso erfolgreich bei ihren Vorbeiflügen waren Rosetta an Lutetia und Deep Impact (EPOXI) am Kometen Hartley 2. Dabei wurden fabelhafte Bilder und umfangreiche Messdaten gewonnen, die unser Wissen über Kleinkörper deutlich vergrößern.
WISE lieferte massenhaft Infrarot-Daten über Universum und Sonnensystem, GOCE für ein Gravitationsprofil unseres Heimatplaneten. Das Teleskop SOFIA ging in seinem umgebauten Jumbo erstmals für Messungen in die Luft, die Raumflug- und Isolationsstudie Mars500 nahm ihren Anfang. Russland begann mit dem Bau eines neuen Kosmodroms in der Amur-Region, der Marsrover Opportunity erreichte mit dem Krater Santa Maria ein neues Zwischenziel auf dem Weg zum größeren Krater Endeavour, die ISS ist seit 10 Jahren ohne Unterbrechung bemannt, der Neutrinodetektor IceCube am Südpol der Erde wurde fertiggestellt und der wiederverwendbare Minigleiter X-37B hatte seine erste militärische Geheimmission.
Aus deutscher Sicht wäre noch der Start des Radarsatelliten Tandem X zu vermelden, der mittlerweile mit seinem älteren Bruder TerraSAR X in Formation fliegt, mit 28.000 Kilometern pro Stunde in nur etwa 200 Metern Abstand!
Raumcon: