Raumfahrt 2002

Das Jahr 2002 war ein sehr erfolgreiches für Raumfahrt und Astronomie.

Autor: Michael Schumacher und Karl Urban

Die wichtigsten Ereignisse im Jahr 2002

Weniger spektakulär als 2001 aber nicht weniger ereignisreich war das Weltraumjahr 2002. Im März 2001 versanken die Überreste der russischen Raumstation nach einem kontrollierten Absturz im Pazifik – mit einem ähnlich spektakulären Ereignis kann das nun zurückliegende Jahr tatsächlich nicht aufwarten, jedoch sind viele kleine und große Fortschritte in Raumfahrt und Astronomie zu verzeichnen. Neben dem Fehlstart der neuen Ariane 5 konnte vielleicht auch eine größere Katastrophe bei einer Shuttlemission verhindert werden, denn nachdem im Sommer haarfeine Risse in allen Orbitern der NASA entdeckt worden waren, musste das Programm des Transporters monatelang ausgesetzt werden.

Astronomie
Das Very Large Telescope (VLT) der europäischen Südsternwarte macht bereits mehrere Jahre lang die besten Bilder, die bisher erdgebundene Teleskope erreichen können. Auch 2002 konnte die Qualität weiter gesteigert werden. So machte das VLT sogar dem Hubble-Weltraumteleskop Konkurrenz, das nicht durch eine Atmosphäre gestört wird. Erst Mitte Dezember wurde vermeldet, dass zwei der vier Spiegel des VLT erfolgreich zusammengeschlossen worden waren, was eine vielfache Verbesserung der Beobachtungsqualität bedeutet.
Doch auch das Hubble-Teleskop konnte sich in diesem Jahr steigern: Ende Februar startete das Space Shuttle Columbia zu einer Hubble-Servicemission. Dabei wurde neben vielen Beobachtungs-Instrumenten auch die Stromversorgungs-Einheit sowie die die Solarpaneele des Weltraumteleskops ausgewechselt. Die Erfolge der Mission ließen sich daraufhin an den Aufnahmen mit gesteigerter Qualität ablesen.
Sogar für Hobbyastronomen hatte das Jahr etwas zu bieten: Im April zog der Komet Ikeya-Zhang an der Erde vorbei und näherte sich dabei am Nachthimmel scheinbar der Andromeda-Galaxie, was ein interessantes Schauspiel darstellte. Im November schließlich lieferten die Leoniden ein Meer von Sternschnuppen, die in dieser Form erst wieder in vielen Jahrzehnten zu beobachten sein dürften.

Außerdem ging 2002 natürlich auch die Suche nach Planeten außerhalb unseres Sonnensystems weiter. Dafür wurde bei NASA und ESA auch der Weg zu neuen Teleskopprojekten geebnet, die in Zukunft im All nach diesen Objekten Ausschau halten und vielleicht irgendwann eine „zweite Erde“ entdeckten werden. Immerhin vermeldete man im Juli, dass nun über 100 extrasolare Planeten gefunden worden sind – alle jedoch etwa von der Größe des Jupiters, so dass sie kein Leben beherbergen können.

Raumfahrt in Europa

Der Umweltsatellit der ESA Envisat stellte 2002 eine der größten Herausforderungen dar.
(Bild: ESA)

Es sollte das Jahr der Ariane-Rakete werden: Die letzten Starts der alten aber zuverlässigen Ariane 4 liefen dieses Jahr problemlos ab. Im Februar startete der acht Tonnen schwere ESA-Umweltsatellit Envisat erfolgreich mit der Ariane 5 – die schwerste Nutzlast für eine europäische Rakete bisher. Obwohl der Start des Kommunikationssatelliten Artemis 2001 nur zum Teil gelungen war, da die Ariane 5 ihn damals nicht in eine ausreichende Höhe befördert hatte, konnte er mithilfe seines Ionentriebwerks seiner Zielposition in diesem Jahr sehr viel näher kommen. Nach einem weiteren erfolgreichen Ariane 5-Start im Juli hob am 17. Oktober das Gammastrahlen-Observatorium Integral vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur mit einer Proton-Rakete ab.

Integral gehört zu den besten Gammastrahlen-Observatorien aller Zeiten
(Bild: ESA)

Damit wäre das erfolgreiche Jahr für die europäische Raumfahrt fast zu Ende gewesen – fast: Am 26. November misslingt der Start einer russischen Proton-Rakete von Baiknonur aus, als sie nicht die korrekte Umlaufbahn erreicht: Die Fracht war der europäische Großsatellit ASTRA 1Kist. Zuvor war bereits eine ebenfalls russische Sojus-Rakete mit einem französischen Experimentalsatelliten nach dem Start abgestürzt, was Menschenleben gefordert hatte. Ein runder Ausklang für die europäische Raumfahrt ist aber letztlich nicht wegen der Fehlstarts in Russland sondern aufgrund der bereits erwähnten Notsprengung der neuen Ariane 5 kaum möglich: Diese sollte eine neue Ära für das Betreiberunternehmen Arianespace einleiten, da sie erstmals bis zu zehn Tonnen, was der Masse zweier großer Satelliten entspricht, ins All transportieren konnte. Der Fehlstart bedeutet für Arianespace vor allem eine Vergrößerung des Konkurrenzdrucks durch die Unternehmen in den USA, Russland und Japan.

Die ISS – ein ruhiges Jahr?
Die ersten Höhepunkte bei den Geschehnissen an Bord der Internationalen Raumstation (ISS) im Jahr 2002 bildeten zwei Extravehicular Activities (EVAs) der vierten Stammbesatzung, die Kommandant Juri Onufrijenko jeweils mit einem der Bordingenieure Carl Walz und Daniel Bursch am 14. und 25. Januar unternahm. Die Aufgaben beinhalteten das Versetzen des Krans Strela 2 vom Pressurised Mating Adapter (PMA) 1 zum Docking Compartment (DC) 1 Pirs und die anschließende Montage, so dass Pirs die zwei Kranarme Strela 1 und 2 besitzt, die zum Bewegen schwerer Lasten gemeinsam eingesetzt werden können, sowie die Installation von Deflektoren um die Steuerdüsen des Servicemoduls Swjesda, damit die beim Feuern der Triebwerke entstehenden Abgase von empfindlichen Experimenten und Sensoren ferngehalten werden.

Am 04. Februar kam es zu einem Computerausfall in Swjesda, so dass es sechs Stunden lang nicht möglich war, die ISS exakt zu steuern, was wegen der nicht auf die Sonne ausgerichteten Solarflügel zu Problemen bei der Stromversorgung führte. Die dritte EVA, die die beiden Bordingenieure durchführten, diente der Vorbereitung der Montage der Integrated Truss Structure (ITS) Starboard 0 (S0) zusammen mit dem Mobile Transporter (MT), die zwischen dem 10. und 17. April im Rahmen der Mission STS-110 durch das Space Shuttle Atlantis mit seiner Besatzung aus Kommandant Michael Bloomfield, Pilot Stephen Frick sowie den Missionsspezialisten Rex Walheim, Ellen Ochoa, Lee Morin, Jerry Ross und Steven Smith durchgeführt wurde.

Erneuten Besuch bekam die vierte Stammbesatzung vom 27. April bis zum 05. Mai von Sojus TM-34 und seiner Besatzung aus Kommandant Juri Gidsenko, Bordingenieur Roberto Vittori und Weltraumtourist Mark Shuttleworth, die ein neues Rettungsraumschiff zur ISS brachten und im Gegenzug mit dem alten Rettungsraumschiff Sojus TM-33 zur Erde zurückkehrten.
Das Space Shuttle Endeavour besuchte im Rahmen der Mission STS-111 mit der Besatzung aus Kommandant Kenneth Cockrell, Pilot Paul Lockhart sowie den Missionsspezialisten Franklin Chang-Díaz und Philippe Perrin vom 07. bis zum 15. Juni die ISS, brachte mit der fünften Stammbesatzung aus Kommandant Waleri Korsun, Bordingenieur Sergej Trestschow und Wissenschaftsoffizierin Peggy Whitson die Ablösung für die vierte Stammbesatzung, die nach einer Dauer von 196 Tagen zur Erde zurückkehrte, womit Walz und Bursch einen neuen amerikanischen Dauerflugrekord aufstellten, und lieferte das Multi Purpose Logistics Module (MPLM) Leonardo sowie das Mobile Base System (MBS), das auf dem MT installiert wurde. Am 16. und 26. August führte Korsun mit Whitson bzw. mit Trestschow eine EVA durch, die der Umsetzung von Schutzabdeckungen gegen Mikrometeoriten und Weltraumtrümmer vom PMA-1 zu Swjesda, wo sie anschließend montiert wurden bzw. dem Austausch von Materialproben eines japanischen Experimentes und eines russisches Experimentes an der Außenhülle von Swjesda, das die Rückstände von Triebwerkszündungen der Steuertriebwerke misst, diente.

Feinste Haarrisse im Bereich der Wasserstoffzuleitungen zu den Haupttriebwerken bei der gesamten Space Shuttle-Flotte verhinderten einen planmäßigen Weiterausbau der ISS, so dass erst vom 09. bis zum 16. Oktober der Space Shuttle Atlantis mit seiner Besatzung aus Kommandant Jeffrey Ashby, Pilotin Pamela Melroy sowie den Missionsspezialisten David Wolf, Sandra Magnus, Piers Sellers und Fjodor Jurtschichin im Rahmen der Mission STS-112 die ITS Starboard 1 (S1) installieren konnte.
Vom 01. bis 09. November erhielt die fünfte Stammbesatzung Besuch von Kommandant Sergej Saljotin sowie den Bordingenieuren Frank de Winne und Juri Lontschakow, die mit Sojus TMA-1 ein neues Rettungsraumschiff zur ISS brachten und danach mit dem alten Rettungsraumschiff Sojus TM-34 zur Erde zurückkehrten. Vom 25. November bis zum 02. Dezember koppelte das Space Shuttle Endeavour mit seiner Besatzung aus Kommandant James Wetherbee, Pilot Paul Lockhart sowie den Missionsspezialisten Michael Lopez-Alegria und John B. Herrington an die ISS an und brachte im Rahmen der Mission STS-113 neben dem ITS Port 1 (P1) mit der sechsten Stammbesatzung aus Kommandant Kenneth Bowersox, Bordingenieur Nikolai Budarin und Wissenschaftsoffizier Donald Pettit auch die Ablösung für die fünfte Stammbesatzung, die nach 185 Tagen zur Erde zurückkehrte.

Fazit
Trotz europäischer Rückschläge und dem längeren Ausfall der Shuttleflotte war 2002 ein gutes Jahr für Raumfahrt und Astronomie. Das kommende Jahr verspricht zudem zum Beispiel mit dem Start der europäischen Kometensonde Rosetta interessant zu werden.

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