Rätselhafte Hangrinnen auf Vesta

Während der fast 14monatigen Erkundung des Asteroiden Vesta durch die Raumsonde DAWN entdeckten Wissenschaftler im Bereich mehrerer Krater Hangrinnen, deren Form und Struktur auf das zeitweilige Auftreten von flüssigem Wasser hindeuten. Dieses Wasser ist offenbar in Form von Eis und hydratisierten Mineralen im Untergrund von Vesta gebunden.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: EPSC 2013.

NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA
Unter anderem am inneren Rand des Fonteia-Kraters auf Vesta konnten diverse, relativ geradlinig verlaufende Hangrinnen vom L-Typ (hier als „Typ A“ bezeichnet) beobachtet werden. Diese bildeten sich durch den Fluss von Sand und Geröll.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Die Raumsonde DAWN startete am 27. September 2007 und schwenkte am 16. Juli 2011 in eine Umlaufbahn um den Asteroiden (4) Vesta ein. Bis zum September 2012 wurde dieser drittgrößte Körper im Haupt-Asteroidengürtel des Sonnensystems mit drei wissenschaftlichen Instrumenten, darunter ein unter der Leitung von Mitarbeitern des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) in Katlenburg-Lindau entwickeltes und gebautes Kamerasystem, intensiv erforscht.

Hangrinnen auf Vesta
Bei der Durchsicht der über 28.000 Aufnahmen, welche die Framing Camera von der Asteroidenoberfläche anfertigte, entdeckten die an der Mission beteiligten Wissenschaftler an den Innenseiten mehrerer geologisch noch relativ junger Krater zwei verschiedene Arten sogenannter Hangrinnen (engl. Bezeichnung „gullies“).

Bei insgesamt 48 Kratern verlaufen diese Rinnen relativ geradlinig vom oberen Rand des Kraters zu dessen unteren Bereichen. Laut den an der Auswertung dieser Aufnahmen beteiligten Wissenschaftlern lassen sich diese auch als „L-Typ-Rinnen“ bezeichneten Hangrinnen relativ einfach durch den Fluss von trockenem Material wie etwa Sand, Staub oder Regolith erklären, welches durch Erschütterungen losgelöst wurde und sich anschließend wie eine Lawine an der Kraterwand in die Tiefe ergoss. Die Prozesse, welche zur Bildung dieser L-Typ-Rinnen führen, sind mittlerweile gut untersucht. Ähnliche Formationen sind zum Beispiel vom Erdmond oder anderen Asteroiden her bekannt und wurden im Vorfeld der Mission auch bei Vesta erwartet.

Deutlich rätselhafter präsentiert sich dagegen der zweite Hangrinnen-Typ („C-Typ“), welcher bei 11 Kratern beobachtet wurde, die sich wiederum in zwei Bereichen auf der Vesta-Oberfläche konzentrieren. Diese Rinnen, welche anfangs schmaler ausfallen als die geradlinig verlaufenden Hangrinnen, gehen in der Regel von V-förmigen Abbruchregionen aus und vereinen sich im weiteren Verlauf mit anderen Rinnen, wobei die Breite der jetzt vereinten Rinnen zunimmt. Dabei folgen sie einem eher geschlängelten Verlauf und enden teilweise in fächerförmigen Ablagerungen. Auf der Erde, so die Wissenschaftler, entstehen vergleichbare Strukuren durch den Einfluss von Wasser. Und auch auf dem Mars, wo Hangrinnen vom C-Typ erstmals im Jahr 2000 von dem Orbiter Mars Global Surveyor nachgewiesen wurden, wird deren Entstehung mit dem Einfluss von schmelzenden Wassereis in Zusammenhang gebracht. Bisher konnte kein Mechanismus gefunden werden, welcher die Entstehung von geschlängelten Hangrinnen durch einen ausschließlich „trockenen“ Prozess erklärt.

NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA
Bei 11 Kratern, hier als Beispiel der Cornelia-Krater, konnten Hangrinnen ausgemacht werden, welche einen deutlich verschlängelteren Verlauf folgen und sich dabei auch mit anderen Rinnen vereinen. Solche Strukturen lassen sich nur dadurch erklären, dass bei der Bildung dieser Rinnen Wasser im Spiel war.
(Bild: NASA, JPL-Caltech, UCLA, MPS, DLR, IDA)

Ein verborgenes „Wasserreservoir“ im Untergrund
Wo jedoch könnte sich auf einem lediglich durchschnittlich 525 Kilometer durchmessenden Himmelskörper dieses Wasser verbergen? Die Wissenschaftler vermuten dessen Ursprung im Untergrund des Asteroiden. Durch frühere Einschläge von Asteroiden oder Kometen könnte sich Wassereis auf der Oberfläche von Vesta abgelagert haben, welches anschließend von Regolith bedeckt und so vor einem Verdampfen aufgrund der von der Sonne ausgehenden Strahlung geschützt wurde. Durch eine spätere partielle Erhitzung des Asteroiden, eventuell durch weitere Impakte verursacht, wurde dieses Eis dann aufgeschmolzen, trat in Form von Wasser an die Oberfläche und führte noch vor dessen Verdampfung zur Entstehung der C-Typ-Rinnen.

Dieser vorgeschlagene Entstehungsprozess für einige der auf Vesta beobachteten Hangrinnen deckt sich mit früheren Forschungsarbeiten, bei denen sich zeigte, dass sich im Untergrund des Asteroiden größere Mengen an Wasserstoff befinden, welche hier in Form von hydratisierten Mineralen gebunden sind (Raumfahrer.net berichtete).

Die hier kurz vorgestellte Studie wurde am heutigen Tag auf dem European Planetary Science Congress 2013, einer gegenwärtig in London stattfindenden Fachtagung der Planetenforscher, vorgestellt.

Nach dem Abschluss der Untersuchungen bei Vesta im Jahr 2012 setzte die Raumsonde ihre Reise durch unser Sonnensystem fort. Im Jahr 2015 wird DAWN ihr zweites Reiseziel, den Zwergplaneten Ceres, erreichen und auch dieses größte und zugleich massereichste Objekt im Asteroiden-Hauptgürtel aus einem Orbit heraus über mehrere Monate hinweg untersuchen.

Die DAWN-Mission wird vom Jet Propulsion Laboratory (JPL) der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA geleitet. Die University of California in Los Angeles ist für den wissenschaftlichen Betrieb der Mission verantwortlich. Das Kamerasystem an Bord der Raumsonde wurde unter der Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung in Katlenburg-Lindau in Zusammenarbeit mit dem Institut für Planetenforschung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Berlin-Adlershof und dem Institut für Datentechnik und Kommunikationsnetze in Braunschweig entwickelt und gebaut. Das Kameraprojekt wird finanziell von der Max-Planck-Gesellschaft, dem DLR und der NASA (JPL) unterstützt.

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