Das Marshall Raumflugzentrum der US-amerikanischen Luft- und Raumfahrtagentur (NASA) gab Anfang Dezember 2015 bekannt, dass das Mikrowellen-Radiometer AMSR-E an Bord des 2002 gestarteten Erdbeobachtungssatelliten Aqua endgültig abgeschaltet wurde.
Ein Beitrag von Thomas Weyrauch. Quelle: JAXA, NASA.
Zuletzt arbeitete das AMSR-E für „Advanced Microwave Scanning Radiometer – EOS“ genannte Instrument rund drei Jahre in einem Modus, bei dem der Teil des Instruments mit dem Antennenträger und der daran zuoberst angebrachten großen Reflektorschüssel mit einem Durchmesser von 1,6 Metern zwei Umdrehungen pro Minute absolvierte. Die Abschaltung des Instruments erfolgte am 4. Dezember 2015. Gegen 10:45 Uhr MEZ kam das Instrument zum Stillstand. Der Einsatz von Aqua indes geht weiter, das AMSR-E will man aber nicht mehr aktivieren.
Aqua gehört zu einer Konstellation von Erdbeobachtungssatelliten mit der Bezeichnung EOS. EOS steht für „Earth Observing System“ und bedeutet schlicht System zur Erdbeobachtung.
Der Satellit war am 4. Mai 2002 von der Luftwaffenbasis Vandenberg (VAFB) an der Westküste der USA aus gestartet worden. Entsprechend seiner Namensgebung ist Aqua zur Untersuchung der Phänomene auf der Erde und in der Atmosphäre gedacht, bei denen Wasser eine Rolle spielt.
Um seinen Aufgaben gerecht zur werden, wurde der Satellit mit sechs hochentwickelten Instrumenten ausgestattet. Sie erlauben es, die Niederschlags- und Verdunstungsprozesse des globalen Wasserkreislaufs mit hoher Genauigkeit zu beobachten.
Von den mit Hilfe des Satelliten gewonnenen Daten verspricht man sich insbesondere Aufschluss darüber, ob die Geschwindigkeit des Wasserkreislaufs im Zuge des weltweiten Klimawandels ansteigt.
Das AMSR-E an Bord von Aqua ist eine Weiterentwicklung des Radiometers AMSR des Erdbeobachtungssatelliten Advanced Earth Observing Satellite-II (ADEOS-II). Das passive Mikrowellen-Radiometer mit einer Masse von rund 324 Kilogramm wurde von der Japanischen Agentur für Luft- und Raumfahrtforschung (Japan Aerospace Exploration Agency, JAXA) entworfen und zur Verfügung gestellt. Die Herstellung des Instruments oblag der Mitsubishi Electric Corporation (MELCO).
Bei seinem Entwurf war dem Instrument eine Auslegungsbetriebsdauer von sechs Jahren zugedacht worden. Es war jedoch erheblich länger in der Lage, von der Erde oder der Atmosphäre abgestrahlte ausgesprochen schwache Radiowellen zu erfassen und versorgte nicht nur Klimaforscher mit nachgefragten Daten, sondern lieferte Informationen für eine ganze Reihe praktischer Anwendungsfelder.
Mit Informationen des Instruments arbeitet eine Anzahl von ozeanographischen Institutionen und Wetterbehörden rund um den Globus. Darunter sind die nationale US-amerikanische Wetterbehörde (US National Oceanic and Atmospheric Administration, NOAA), das europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersagen (European Centre for Medium-range Weather Forecasts, ECMWF), der kanadische Eisinformationsdienst (Canadian Ice Service, CIS) und das Institut für Meereskunde der Universität Hamburg.
Daten vom AMSR-E ermöglichten es beispielsweise, die Genauigkeit von Wettervorhersagen der Japanischen Wetteragentur zu verbessern. Außerdem waren sie unter anderem bei der Bestimmung der Zentren von Wirbelstürmen nützlich. Bei der Erstellung eines täglichen Datensatzes mit globalen Informationen zu Oberflächentemperaturen der Weltmeere fanden die Messungen des AMSR-E ebenfalls Eingang,
Berichten aus Japan zufolge ermöglichten Daten des Instruments einen effizienteren Einsatz der Fischereiflotte, da diese über das Informationszentrum für die Fischereiindustrie rasch über sich verändernde Wetterbedingungen auf dem Meer unterrichtet werden konnte.
Am 3. Oktober 2011 hatte die Rotation des Antennenträgers des AMSR-E eine Grenze von 40 Umdrehungen pro Minute unterschritten. Weil Vibrationen auch eine Rotation in einem Modus mit vier Umdrehungen pro Minute nicht zuließen – der Betrieb der übrigen Beobachtungsinstrumente wäre über ein tolerierbares Maß hinaus gestört worden – wurde die Rotation schließlich vollständig eingestellt und das Instrument schaltete sich automatisch aus.
Prinzipiell ist es möglich, mit ausreichend hoher elektrische Leistung eine kontrollierte Rotation auch bei wegen Schmiermittelverlust gestiegenem Getriebewiderstand herzustellen. Eine Leistungserhöhung über eine bestimmte Grenze hinaus ließen die Satellitensysteme vernünftigerweise jedoch nicht zu, um den Satelliten als Ganzes nicht zu gefährden. Eine Gefahr wäre ein Zerleger des Getriebesatzes, in dessen Folge der Satellit zum Beispiel ins Taumeln gerät.
Spezialisten der JAXA entwickelten zusammen mit Ingenieuren der NASA einen Betriebsmodus für das AMSR-E, der bei langsamer Rotation einen wieder nutzbringenden Einsatz des Instruments ermöglichen sollte. Ab dem 4. Dezember 2012 lief das Instrument dann mit zwei Umdrehungen pro Minute.
Obschon es wegen der geringen Rotationsgeschwindigkeit nur möglich war, kleine Bereiche der Erde abzutasten, lohnte sich der Einsatz, weil er zusätzlich Möglichkeiten zur Datengewinnung für die Kalibrierung eines Radiometers an Bord eines anderen Satelliten erlaubte.
Das Radiometer AMSR2 an Bord des seit dem 18. Mai 2012 die Erde umkreisenden japanischen Erdbeobachtungssatelliten SHIZUKU alias GCOM-W setzt die Arbeit des AMSR-E fort. Die zusätzliche Kalibrierungsmöglichkeit sorgte für eine Verbesserung bei der Datenkonsistenz und -kontinuität. Unterschiede in den Daten, die die konstruktiv durchaus unterschiedlichen Instrumente mit abweichenden Sensoreigenschaften liefern bzw. lieferten, können jetzt einfacher korrigiert werden.
Am 4. Dezember 2015 konnte auch eine Mindestgeschwindigkeit von 2 Umdrehungen pro Minute nicht mehr eingehalten werden und erneut schaltete sich das AMSR-E automatisch ab.
Weil es gelungen war, das AMSR-E und das AMSR2 von SHIZUKU rund drei Jahre lang parallel einzusetzen, und auf jeden Fall genug Daten zur Abstimmung der Messergebnisse beider Instrumente gewonnen wurden, entschieden die Betreiber sich, den Einsatz des Instruments an Bord von Aqua offiziell endgültig zu beenden.
Aqua alias EOS-PM1 ist katalogisiert mit der NORAD-NR. 27.424 und als COSPAR-Objekt 2002-022A.