Im Juni klingt das seit November 2011 laufende Early Science Program (ESP) aus. Die Forschungsgruppen verfassen derzeit wissenschaftliche Veröffentlichungen zu den im Rahmen des ESP gewonnen Ergebnissen. Ein erster Überblick steht jetzt bereits zur Verfügung.
Ein Beitrag von Stefan Heykes. Quelle: Kowaljow et al.
Das im Juni 2011 gestartete Projekt RadioAstron ist derzeit das einzige weltraumbasierte Radiointerferometer. Mit seiner hochelliptischen Umlaufbahn erreicht es eine Erdentfernung und damit dementsprechende Interferometer-Basislängen bis zu 350.000 km. Diese Basislängen machen Beobachtungen möglich, die aus physikalischen Gründen bei kürzeren Basislängen nicht machbar wären. Mit diesem System wurden bislang vor allem drei Arten von Objekten beobachtet: Aktive Galaxienkerne (AGN), Pulsare und Maser.
Aktive Galaxienkerne
Die Forschungsgruppe wird von Juri Kowaljow vom Moskauer Lebedew-Institut für Physik geleitet. Der bei weitem größte Teil der Beobachtungszeit von RadioAstron wurde für diesen Forschungsbereich verwendet. Drei der vier verfügbaren Empfänger von RadioAstron wurden hier eingesetzt: Das K-Band (1,3 cm Wellenlänge), das C-Band (6 cm) und das L-Band (18 cm). Durch die großen verwendeten Basislängen konnten sehr hohe lineare Auflösungen der beobachteten Objekte erzielt werden.
Manche Parameter von AGN lassen sich nur bei sehr hoher Auflösung untersuchen. Die wichtigste Kenngröße, die mittels Radio-Interferometrie ermittelbar ist, ist die sogenannte „Helligkeitstemperatur“. Sie ist ein Maß dafür, wie leuchtstark das Objekt bezogen auf die Fläche ist. Von der Erde aus lassen sich nur Helligkeitstemperaturen bis etwa 1012 Kelvin ermitteln, für mehr ist die Auflösung zu gering. Nach üblichen Theorien zur Entstehung von Radiostrahlung sollten auch keine höheren Helligkeitstemperaturen auftreten. Demnach entsteht die Strahlung als Synchrotron-Strahlung von schnellen Elektronen in den von den AGN ausgestoßenen Jets.
Die Ergebnisse von RadioAstron zeigen jedoch, dass Helligkeitstemperaturen von 1013 K bis 1014 K durchaus üblich sind. Dies erfordert voraussichtlich ein größeres Umdenken zur Erklärung dieser Strahlung, sofern weitere Beobachtungen diesen Trend bestätigen. Im Verlauf des ESP wurden einige Dutzend AGN beobachtet. Üblicherweise gab es mehrere Beobachtungen bei verschiedenen Basislängen und Wellenlängen, um aus diesen einzelnen Beobachtungen Modelle für die Struktur berechnen zu können.
Während bei großen Basislängen alle Teleskope auf der Erde praktisch am gleichen Ort zu sein scheinen und damit nur lineare Auflösungen ermöglichen, ist es bei kürzeren Basislängen möglich, mithilfe der verteilten Teleskope direkt ein Bild der beobachteten Quelle zu erzeugen. Im Verlauf des ESP wurden drei solcher Experimente gemacht. Allerdings ist bislang nur von einem davon ein Ergebnis verfügbar, die beiden anderen Datensätze werden immer noch verarbeitet.
Insgesamt beurteilen die Wissenschaftler ihre Resultate sehr positiv. Auffallend ist vor allem der unerwartet geringe Einfluss von Streueffekten im interstellaren Medium. Dieser scheint unabhängig von der Basislänge nur minimal zu sein. Erwartet wurde eher, dass bei großen Basislängen viele Objekte dadurch unsichtbar werden. Etwas ungünstig ist jedoch die Bilanz im K-Band. Hier lieferten überdurchschnittlich viele Beobachtungen keine verwertbaren Ergebnisse. Erklärbar ist dies zum einen durch die vergleichbar geringe Empfindlichkeit des Empfängers, zum anderen durch die Tatsache, dass bei vielen Beobachtungen schlechtes Wetter die Datenqualität der Bodenteleskope verschlechterte.
Pulsare
Pulsare sind sehr kompakte Strahlungsquellen. Daher sind sie ideal, um zu erforschen, wie Radiostrahlung gestreut wird. Während die AGN-Beobachtungen für möglichst störungsfreie Daten also bei möglichst kurzen und daher wenig gestörten Wellenlängen arbeiten, sind hier die längeren von Interesse – also das L- und das P-Band (92 cm). Durch die großen Basislängen kann die Streuung auf sehr viel größeren Skalen beobachtet werden und somit zu einem besseren Verständnis führen.
Beobachtet wurden unter anderem der Crab-Pulsar und der Vela-Pulsar. Im Fall des Crab-Pulsars kann anhand der Ergebnisse davon ausgegangen werden, dass die Streuung vor allem direkt vom umgebenden Krebsnebel verursacht wird. Eine hochgenaue Untersuchung des Krebsnebels ist damit möglich.
Beim Vela-Pulsar gab es ein unerwartetes Verhalten zu beobachten. 1,1% der Pulse dieses Pulsars waren sichtbar. Beim erwarteten Streuverhalten läge die Wahrscheinlichkeit, einen Puls zu erfassen, aber nur bei 10-150, also verschwindend gering. Es existiert eine Theorie (Narayan & Goodman 1989), dass ein solches Verhalten bei großen Basislängen zu beobachten ist, wenn das für die Streuung verantwortliche Plasma eine fraktale Substruktur aufweist. Sollte sich dies bestätigen, macht dies eventuell sogar direkt bildgebende Beobachtungen in Bereichen möglich, wo nach bisherigem Stand Streueffekte dies verhindern sollten.
Maser
RadioAstron ermöglicht die Untersuchung von Wasser- und Hydroxyl-Masern. Diese strahlen bei 1,6 GHz beziehungsweise bei 22 GHz. Sie treten im interstellaren Plasma auf, unter anderem in Sternentstehungsgebieten und vergleichbaren Regionen. Maser sind relativ kleine Regionen, aber sehr leuchtkräftig. Dank der hohen Auflösung von RadioAstron können Größe, Leuchtkraft und umgebendes magnetisches Feld von Masern zum Teil zum ersten Mal überhaupt bestimmt werden.
Insgesamt wurden 5 Maser erfolgreich beobachtet, bei 11 wurden Versuche vorgenommen. Nicht jede Quelle ist also wirklich beobachtbar für RadioAstron, manche Beobachtungen scheitern aus unterschiedlichen technischen und physikalischen Gründen. Im Fall des Wasser-Masers Cep A wurde eine Auflösung erreicht, die einer Größe von nur 6,5 Mio Kilometer entspricht. Damit wurde es erstmals möglich, zu erkennen, dass dieser Maser tatsächlich aus zwei eng benachbarten Masern besteht. Vergleichbare Ergebnisse gab es bei anderen Masern.
Ausblick
uch wenn die Beobachtungen des Early Science Program im Juni zu Ende gehen, dauert die Analyse der bislang gewonnen Daten sicherlich noch Monate an. Daher sind die hier vorgestellten Ergebnisse auch nur als vorläufig zu betrachten und nicht als der Weisheit letzter Schluss. Fest steht aber, dass die bisherigen Ergebnisse eine gute Basis für die weiteren Beobachtungen während es im Juli beginnenden Key Science Program bilden.
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