Proton-M bringt EUTELSAT 9B mit EDRS-A ins All

Am 29. Januar 2016 startete von der Rampe 200/39 des Raumfahrtzentrums Baikonur in Kasachstan eine Proton-M-Rakete mit Breeze-M-Oberstufe, um EUTELSAT 9B für den europäischen Kommunikationssatellitenbetreiber Eutelsat Communications S.A. und die Europäische Raumfahrtorganisation (ESA) in den Weltraum zu bringen.

Erstellt von Thomas Weyrauch. Quelle: Airbus Defence and Space, Chrunitschew, ESA, Eutelsat, ILS, TESAT Spaceom.

Proton-M-Start am 29. Januar 2016
(Bild: Roskosmos)

Der Start der Rakete mit der Baunummer 6302907978 wurde unter der Ägide des internationalen Vermarkters von Proton-Raketen International Launch Service (ILS) abgewickelt. Als exakten Startzeitpunkt für den ersten erfolgreichen Proton-Flug im Jahr 2016, den 92. für ILS und den 410. insgesamt nennt Chrunitschew 1:20 Uhr und 9,03 Sekunden Moskauer Zeit am 30.01. (23:20 Uhr und 9,03 Sekunden MEZ am 29.01.).

Die Abtrennung der Orbitaleinheit bestehend aus Breeze-M-Oberstufe und EUTELSAT 9B von der dritten Stufe der Proton-M erfolgte rund 10 Minuten nach dem Abheben. Anschließend war es Aufgabe der wie die Proton-M-Rakete von Chrunitschew in Russland gebauten Oberstufe, erst für die Einnahme einer stabilen Parkbahn zu sorgen und dann das Erreichen des vorgesehenen Zielorbits sicherzustellen.

Der Trennprozess des Satelliten von der Oberstufe fand rund 9 Stunden und 12 Minuten nach dem Abheben um 10:32 Uhr Moskauer Zeit und 9,32 Sekunden am 30. Januar 2016 statt (8:32 Uhr MEZ und 9,32 Sekunden). Zwei Stunden nach der Trennung erfolgte wie geplant ein teilweises Entfalten der Solarzellenausleger von EUTELSAT 9B, wie sein künftiger Betreiber zwischenzeitlich mitteilte. Die Oberstufe führte zur Kollisionsvermeidung rund zwei und dreieinhalb Stunden nach dem Aussetzen zwei weitere Brennphasen aus, um ihre Bahn wieder abzusenken.

„Hochzeit“ der Antriebs- und Nutzlastmodule
von EUTELSAT 9B
(Bild: Airbus Defence and Space)

Das Apogäum – der erdfernste Bahnpunkt – des vom Satelliten erreichten Geotransferorbits (GTO) lag nach Berechnungen von Chrunitschew bei 35.687,88 km (geplant 35.702,25 km), das Perigäum, der der Erde nächstliegende Bahnpunkt bei 4.370,57 km (geplant 4.454,48 km) über der Erde. Die Neigung dieser Bahn gegen den Erdäquator liegt bei 12° 03′ 52,45″ (geplant 12° 10′ 59,00″).

Als abgetrennte Satellitenmasse nennen Chrunitschew und Eutelsat rund 5.612 kg.

Der Hauptauftragnehmer für den Bau des Satelliten, der europäische Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus Space, ist jetzt für Überwachung und Steuerung des Satelliten zuständig. Er wird sich um die erforderlichen Bahnanhebungsmanöver und eine Positionierung im Geostationären Orbit (GEO) rund 35.786 Kilometer über der Erde kümmern und den raumflugtechnischen Teil sowie die Kommunikationsnutzlast intensiven Tests unterziehen.

Für den Flug in den GEO wurde der Satellit mit einem Apogäumsmotor ausgestattet. Außerdem besitzt der Erdtrabant für Bahnanpassungen und Lageregelung 14 zehn Newton starke Zweistofftriebwerke des Typs S10-18 von Airbus Defence and Space.

Nach der Inbetriebnahmephase mit den erforderlichen Tests und der Positionierung bei 9 Grad Ost im GEO in Kolokation mit KA-SAT und als Ersatz für EUTELSAT 9A werden Überwachung und Kontrolle des Satelliten an Eutelsat übergeben.

Vom Eutelsat-Kontrollzentrum in Rambouillet rund 50 km südwestlich von Paris überwacht und gesteuert, wird schließlich die Ausstrahlung von Radio- und Fernsehprogrammen für Nutzer in baltischen und skandinavischen Staaten, in Deutschland, Italien, Griechenland und der Ukraine aufgenommen werden und die Versorgung von Kabelkopfstationen beginnen. Dabei will man eine große, Europa abdeckende Ausleuchtzone und vier regionale Ausleuchtzonen realisieren.

TESAT LCT im Test
(Bild: TESAT Spacecom)

Um den Anforderungen gerecht zu werden, wurde der auf dem Satellitenbus Eurostar 3000 basierende EUTELSAT 9B mit einer Kommunikationsnutzlast mit 56 gleichzeitig einsetzbaren Ku-Band-Transpondern ausgerüstet und auf eine Betriebsdauer von 15 Jahren ausgelegt.

Kommunikationsnutzlast und raumflugtechnische Systeme werden von zwei Solarzellenauslegern mit Energie versorgt. Sie stellen zusammen maximal rund 12 kW elektrische Leistung zur Verfügung und geben dem Satelliten eine Gesamtspannweite von rund 31 Metern. Der Energiespeicherung dienen Lithiumionenakkumulatoren.

Neben der Kommunikationsnutzlast für Eutelsat befindet sich an Bord des Satelliten außerdem eine Nutzlast für das Weltraumsegment des europäischen Datenrelaissatellitensystems (European Data Relay System, EDRS).

Den Aufbau des europäischen Datenrelais- und Kommunikationssatellitensystems hatte die ESA-Ministerratskonferenz 2008 im niederländischen Den Haag beschlossen. Industrieunternehmen aus der Raumfahrtbranche setzen den Beschluss mit maßgeblicher Unterstützung des Bundesministeriums für Wirtschaft und Technologie (BMWi) und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) um.

TESAT LCT vor der Integration in EUTELSAT 9B
(Bild: Airbus Defence and Space)

Airbus Defence and Space ist als Hauptauftragnehmer der Europäischen Raumfahrtorganisation (ESA) tätig und organisiert Aufbau und Betrieb. Außerdem fungiert das Unternehmen als Mit-Finanzier, Eigentümer und Vermarkter des EDRS.

Das rund 500 Millionen Euro kostende System soll künftig eine schnellere und breitbandigere Weiterleitung von Informationen zwischen wissenschaftlichen Raumfahrzeugen, Anwendungssatelliten, anderen Vehikeln wie unbemannten Drohnen sowie den Bodenstationen ermöglichen.

Die europäischen Erdbeobachtungssatelliten-Paare der Reihen Sentinel 1 und Sentinel 2 beispielsweise sind mit Laserkommunikationsterminals (Laser Communication Terminal, LCT) ausgestattet, mit deren Hilfe sie zeitkritische Daten, z.B. solche zur Unterstützung bei Katastrophenfällen und große Datenmengen mit großer Geschwindigkeit (bis 1,8 Gigabit pro Sekunde) zu einem EDRS-Satelliten an einer fixen Position im GEO schicken können, der in der Lage ist, sie unmittelbar an eine EDRS-Bodenstation zu funken.

Die Sentinel-Erdbeobachter müssen demnächst also nicht mehr mit einer der eigenen Bodenstation in Kiruna (Schweden), Redu (Belgien) oder Svalbaard (Norwegen) in Verbindung stehen, um gewonnene Daten weiterzuleiten. Mit einer der genannten Stationen können die Satelliten nur für maximal rund 10 Minuten Verbindung halten, während sie sich über der Erdoberfläche bewegen.

Auch die Internationale Raumstation (International Space Station, ISS) soll künftig vom EDRS profitieren. Ab 2018 will man EDRS für eine zusätzliche Bewegtbild- und Datenverbindung von der ISS zum Erdboden einsetzen.

LCT (Mitte links) auf dem Topdeck von
EUTELSAT 9B
(Bild: Airbus Defence and Space)

Die TESAT Spacecom GmbH aus Backnang, eine Tochter von Airbus Defence and Space, baut die Datenrelais- und Kommunikationsnutzlasten für die EDRS-Satelliten. Diese besteht aus einem LCT und einem im Ka-Band arbeitenden Kommunikationssystem. Das LCT will man für Datenverbindungen zwischen dem Kommunikationssatelliten und anderen entsprechend ausgerüsteten Raumfahrzeugen einsetzen, die Ka-Band-Komponenten sind insbesondere für die Verbindung mit entsprechend ausgerüsteten Bodenstationen vorgesehen.

Für die EDRS-Nutzlast von EUTELSAT 9B, die im EDRS-Netz die Bezeichnung EDRS-A trägt, gibt es Ka-Band-Empfangsstationen im oberbayerischen Weilheim rund 35 km südwestlich von München und in Harwell in Großbritannien. Um Telemetrie und die Übertragung von Daten mit einer bedarfsgerechten Vorprogrammierung der EDRS-Nutzlast an den Satelliten wird sich ein Eutelsat-Kontrollzentrum kümmern.

Um die EDRS-A-Nutzlast sicher betreiben zu können, erfuhren der zu Grunde liegende Satellitenbus und das von TESAT Spacecom gelieferte LCT der zweiten Generation gewisse Anpassungen.

EUTELSAT 9B in Testkammer in Toulouse
(Bild: Airbus Defence and Space)

Auf Grund der für die Übertragung von Informationen per Laserlicht erforderliche Präzision ist das LCT bei der Ausrichtung auf eine möglichst vibrationsfreie Arbeitsumgebung und genaue Kenntnis von Zeitbasis und Lage im Raum angewiesen. Mechanische- und Datenschnittstellen mussten deshalb entsprechend adaptiert werden.

Der Abführung von Wärme des LCT dienen zwei Radiatoren, die an zwei Seiten des der Erde im Regelbetrieb dauerhaft zugewandten sogenannten Top- oder Erddecks des rund 6,8 Meter hohen Satellitengrundkörpers angebracht wurden.

Das LCT selbst ist mit seiner eigenen Basisplatte (Frame Unit System, FUS) auf einer zusätzlichen Grundplatte auf dem Topdeck mit Füßen aus einem speziellen Elastomer (einem elastischen Kunststoff) montiert, die zusätzliche Grundplatte selbst besteht ebenfalls aus extra ausgesuchtem Material. Airbus Defence and Space bezeichnet das Montagesystem als Payload Elastomer Mounting System (PEMS).

Airbus Defence and Space, seinerzeit noch unter dem Namen Astrium firmierend, war im Oktober 2011 mit dem Bau von EUTELSAT 9B beauftragt worden.

EUTELSAT 9B im Transportcontainer – auf dem
Topdeck Richtung Wandseite die LCT-Radiatoren
(Bild: Airbus Defence and Space)

Integration und Tests des Satelliten erfolgten im Airbus-Werk Toulouse in Frankreich. Dort erfolgten im Juni 2014 auch umfangreiche Untersuchungen des Satelliten in einer Temperatur- und Vakuumkammer, an denen sich auch Mitarbeiter von TESAT Spacecom beteiligten.

Im November 2015 verließ ein Transport mit EUTELSAT 9B Toulouse und erreichte nach wenigen Tagen das in Kasachstan gelegene Kosmodrom Baikonur. Am 21. November 2015 gelangte der Satellit schließlich in das Gebäude für die Startvorbereitungen auf dem Gelände des Kosmodroms.

Durch Spezialisten von Airbus Stevenage (Großbritannien), wo das chemische Antriebssystem des Satelliten entstand, erfolgte die Betankung des Satelliten in Baikonur. Jeweils zwei Tage, unterbrochen von einer eintägigen Umbaupause, wurden für die Arbeiten zum Befüllen der in Bremen entstandenen Tanks mit NTO und dann mit MMH benötigt. Am 11. Dezember 2015 meldete ILS, dass die Arbeiten zur Betankung des Satelliten abgeschossen wurden.

EUTELSAT 9B im All – Illustration
(Bild: Airbus Defence and Space)

Mitte Dezember 2015 wurde EUTELSAT 9B auf die Oberstufe Breeze-M aufgesetzt. Später wurde die Nutzlastverkleidung um die Orbitaleinheit verschlossen und die Einheit anschließend mit der Proton-M verbunden. Die Aufstellung bzw. Aufrichtung der vollständigen Rakete auf dem Startplatz erfolgte schließlich an 26. Januar 2016.

Die nächsten Satelliten für Eutelsat, die 2016 Bahnen um die Erde erreichen sollen, sind EUTELSAT 65 West A und EUTELSAT 117 West B.

Die nächste EDRS-Nutzlast befindet sich an Bord eines Hylas 3 bzw. EDRS-C genannten Satelliten. Letzter entsteht basierend auf OHBs SmallGEO-Plattform und wird voraussichtlich im Jahre 2017 in den Weltraum transportiert.

EUTELSAT 9B ist katalogisiert mit der NORAD-Nr. 41.310 und als COSPAR-Objekt 2016-005A.

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