Polarisierte Strahlung gibt Hinweis auf neue Physik

Mithilfe des kosmischen Mikrowellenhintergrundes, aufgenommen vom Planck-Satelliten, hat ein internationales Team von Wissenschaftlern einen Hinweis auf neue Physik entdeckt. Um den Polarisationswinkel des uralten Lichts zu messen, entwickelte das Team eine neue Methode, die die Mikrowellenstrahlung von interstellarem Staub aus unserer eigenen Milchstraße zur Kalibrierung nutzt. Die Genauigkeit der Messung reicht noch nicht aus, um eine endgültige Aussage treffen zu können, jedoch könnte sie darauf hindeuten, dass Dunkle Materie oder Dunkle Energie die sogenannte Paritätssymmetrie verletzen. Eine Pressemeldung des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA).

Quelle: Max-Planck-Institut für Astrophysik (MPA).

Ausschnitt des kosmischen Mikrowellenhintergrundes (CMB), der vor 13,8 Milliarden Jahren emittiert wurde (links) und schließlich auf der Erde beobachtet wird (rechts). Auf dem Weg zu uns ändert sich dabei die Richtung, in der die elektromagnetische Welle oszilliert, um den Winkel β (orangefarbige Linie). Diese Rotation könnte durch die Interaktion des CMB-Lichts mit Dunkler Materie oder Dunkler Energie entstehen und so das charakteristische Muster der Polarisation (schwarze Linien in den Ausschnitten) ändern. Die roten bzw. blauen Areale in den Ausschnitten zeigen heiße bzw. kalte Regionen des kosmischen Mikrowellenhintergrunds.
(Bild: Y. Minami / KEK)

In der Kosmologie geht man davon aus, dass sich die physikalischen Gesetze, die im Universum herrschen, bei einer Spiegelung nicht ändern: Die Gesetze des Elektromagnetismus beispielsweise bleiben unverändert, egal ob im ursprünglichen System betrachtet oder in einem System, in dem alle räumlichen Koordinaten gespiegelt wurden. Ist diese Symmetrie, auch “Parität” genannt, verletzt, könnte es uns viel über die Beschaffenheit der geheimnisvollen Dunklen Materie und Dunklen Energie verraten, die 25 bzw. 70 Prozent des Energiegehalts des heutigen Universums ausmachen. Obwohl beide Bestandteile “dunkel” sind, d.h. sie sind nicht direkt sichtbar, haben sie eine gegenteilige Wirkung auf die Entwicklung des Universums: Dunkle Materie wirkt anziehend, wohingegen Dunkle Energie zur einer immer schnelleren Ausdehnung des Universums führt.

Nun berichtet eine neue Studie von Wissenschaftlern des “Institute of Particle and Nuclear Studies” (IPNS) der japanischen KEK-Forschungsorganisation, des “Kavli Institute for the Physics and Mathematics of the Universe” (Kavli IPMU) der Universität Tokio und des Max-Planck-Instituts für Astrophysik (MPA) über einen Hinweis auf neue Physik, die die Parität verletzt — mit einem Konfidenzniveau von 99,2 Prozent. Die am 23. November 2020 im Journal Physical Review Letters veröffentlichten Ergebnisse wurden von den Herausgebern als wichtig, interessant und gut geschrieben beurteilt und damit als “Editors’ Suggestion” ausgewählt.

Den Hinweis auf eine Verletzung der Paritätssymmetrie fanden die Wissenschaftler im kosmischen Mikrowellenhintergrund, einem Licht, das kurz nach dem Urknall ausgesandt wurde. Der Schlüssel liegt dabei in der sogenannten Polarisation. Licht besteht aus elektromagnetischen Wellen, die in verschiedene Richtungen oszillieren. Haben alle Wellen dieselbe Schwingrichtung, spricht man von polarisiertem Licht. Solche Polarisation entsteht, wenn Licht gestreut wird. Sonnenlicht beispielsweise besteht aus Wellen mit allen möglichen Polarisationsrichtungen und ist somit unpolarisiert, wohingegen das Licht eines Regenbogens polarisiert ist, da hierbei Sonnenlicht an Wassertropfen in der Atmosphäre gestreut wird. Ganz ähnlich wurde das Licht des kosmischen Mikrowellenhintergrunds polarisiert als es 400.000 Jahre nach dem Urknall an Elektronen streute. Wenn dieses Licht, das seit 13,8 Milliarden Jahren durch das Universum unterwegs ist, nun mit Dunkler Materie oder Dunkler Energie interagiert, könnte das zu einer Drehung der Polarisationsebene um einen Winkel β führen (s. Abbildung).

“Wenn Dunkle Materie oder Dunkle Energie mit dem Licht des kosmischen Mikrowellenhintergrunds auf eine Art interagiert, die die Paritätssymmetrie verletzt, dann können wir diese Signatur in den Polarisationsdaten finden”, betont Yuto Manami, ein Postdoc am IPNS, KEK.

Um den Rotationswinkel β zu messen, benötigten die Wissenschaftler einen polarisationssensitiven Detektor, wie den an Bord des Planck-Satelliten der Europäischen Weltraumorganisation ESA. Zusätzlich mussten sie genau bestimmen, wie dieser Detektor relativ zum Himmel orientiert ist. Ist diese Information nicht mit ausreichender Genauigkeit bekannt, würde die gemessene Polarisationsebene künstlich rotiert erscheinen und damit ein falsches Signal generieren. Ungenaue Kenntnis dieses vom Detektor selbst erzeugten künstlichen Rotationswinkels schränkte deshalb frühere Messungen des Polarisationswinkels β stark ein.

“Wir haben eine neue Methode entwickelt, um diese künstliche Rotation zu bestimmen, indem wir polarisiertes Licht vom Staub aus unserer Milchstraße nutzen,” erklärt Minami. “Mit dieser Methode konnten wir eine Messgenauigkeit erzielen, die doppelt so gut ist wie bei früheren Arbeiten, und waren endlich in der Lage β zu messen.” Die Strecke, die das vom Staub emittierte Licht in der Milchstraße zurücklegt, ist viel kürzer als die des kosmischen Mikrowellenhintergrunds. Die Strahlung des Staubs wird deshalb nicht von Dunkler Materie oder Dunkler Energie beeinflusst, sondern nur das Licht des kosmischen Mikrowellenhintergrunds wird um den Winkel β gedreht, wohingegen beide der künstlichen Rotation ausgesetzt sind. Aus der Differenz zwischen den gemessenen Polarisationswinkeln von beiden Quellen kann β bestimmt werden.

Das Forscherteam benutzte diese Methode um β mit den Polarisationsdaten des Planck-Satelliten zu messen. Sie fanden damit einen Hinweis auf die Verletzung der Paritätssymmetrie mit einem Konfidenzniveau von 99,2 Prozent. Von der Entdeckung neuer Physik spricht man allerdings erst ab einem viel höheren Konfidenzniveau, nämlich 99,99995 Prozent. Eiichiro Komatsu, Direktor am MPA und leitender Wissenschaftler beim Kavli IPMU und beim Exzellenzcluster ORIGINS, macht deutlich: “Es ist klar, dass wir noch keinen endgültigen Nachweis für neue Physik gefunden haben; wir brauchen eine höhere statistische Signifikanz, um das Signal zu bestätigen. Aber es ist toll, dass wir mit unserer neuen Methode diese “unmögliche” Messung durchführen konnten, die tatsächlich auf neue Physik hinweist.”

Um die Messung zu bestätigen, kann die neue Methode auf Daten von weiteren existierenden — und zukünftigen — Experimenten angewendet werden, die die Polarisation des kosmischen Mikrowellenhintergrunds messen, wie das “Simons Array” und “LiteBIRD”, an denen sowohl KEK als auch Kavli IPMU beteiligt sind.

Originalveröffentlichung
Yuto Minami, Eiichiro Komatsu
New extraction of the cosmic birefringence from the Planck 2018 polarization data
Physical Review Letters, 23 November 2020
Quelle

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