Eigentlich ist die Hauptmission des Infrarot-Weltraumteleskops Spitzer mit dem Aufbrauchen seines Kühlmittels seit Mitte dieses Jahres beendet. Die Auswertung der bis dato gewonnenen Daten wird die beteiligten Wissenschaftler jedoch noch viele Jahre beschäftigen und weitere neue Erkenntnisse liefern.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: NASA, Arxiv.org.
Bereits im Jahr 2004 fertigte das Weltraumteleskop Spitzer Aufnahmen des Infrarotspektrums des Sterns HD 172555 an, welcher sich in etwa 100 Lichtjahren Entfernung im Sternbild Pfau befindet. Bei der Auswertung der Aufnahmen der Infrarot-Emissionen stieß ein internationales Forscherteam um Dr. Carey M. Lisse von der Johns Hopkins University in Baltimore/USA auf ungewöhnliche Signaturen, welche darauf hindeuten, dass in diesem Sternsystem zwei Exoplaneten kollidiert sind. Zwar konnte das Spitzer-Teleskop bereits zuvor in einigen Staubscheiben, welche relativ junge Sterne umkreisen, Anzeichen für Kollisionen von Asteroiden und Planetesimalen, den Vorläufern von Planeten, nachweisen. Die jetzt festgestellte Kollision übertrifft die bisherigen Beobachtungen jedoch sowohl in Bezug auf die Stärke als auch auf die Massen der daran beteiligten Objekte.
„Die Kollision muss gewaltig gewesen sein und ist mit hoher Geschwindigkeit abgelaufen“, so Carey M. Lisse. „Das hier beobachtete Spektrum ist sehr ungewöhnlich. Etwas ähnliches habe ich noch nie zuvor gesehen.“ In den untersuchten thermalen Emissions-Spektren konnten so neben größeren Mengen vaporisierten Siliziums in Form von Feinstaub zum Beispiel auch Spuren von zu Glas erstarrter Lava, speziell von Tektiten und Obsidian nachgewiesen werden. Tektite bilden sich auf der Erde infolge von Meteoritenimpakten. Das Impaktmaterial wird dabei aufgeschmolzen und erstarrt anschließend zu Glas. Obsidian hingegen ist das Resultat von sehr schnell abkühlender Lava. Die erwähnten Materialien wurden im System von HD 172555 in einer Entfernung von 5,8 plus/minus 0,6 Astronomischen Einheiten (AE) zum Zentralstern nachgewiesen.
Den von Lisse und seinen Kollegen angestellten Berechnungen zufolge muss ein Planet von der Größe des Merkurs mit einem zweiten, etwa mondgroßen Objekt zusammengestoßen sein. Bei dem Zusammenprall, welcher mit einer Geschwindigkeit von etwa 10 Kilometern pro Sekunde (36.000 km/h) erfolgte, wurde der kleinere Körper vermutlich vollständig zerstört. Dabei wurde eine große Menge Gesteins regelrecht verdampft und heiße Lava in die Umgebung geschleudert, welche anschließend zu den beobachteten Tektiten und Obsidian erstarrte. Auf der Basis der detektierten Gas- und Staubmengen schätzen Lisse und seine Kollegen, dass die kollidierten Planeten zusammen mindestens so massereich waren wie der Erdmond. Allein die Menge des nachgewiesenen Feinstaubes würde ausreichen, um einen Asteroiden von 300 bis 400 Kilometern Durchmesser zu formen.
Solche Kollisionen sind bei relativ jungen Sternsystemen, HD 172555 verfügt über ein geschätztes Alter von lediglich etwa 12 Millionen Jahren, anscheinend keine Seltenheit. Vergleichbare Ereignisse gelten auch für die Frühzeit unseres Sonnensystems als sicher. Nach der gängigen Theorie zur Entstehung des Erdmondes kollidierte die noch sehr junge Protoerde vor 4,527 Milliarden Jahren mit einem etwa marsgroßen Planeten, Theia genannt. Die Trümmer dieser Kollision formten einen Ring um die Erde, aus dem sich in der Folgezeit der Mond bildete. Und auch unser äußerer Nachbar in unserem Sonnensystem, der Mars, wurde in seiner Frühzeit sehr wahrscheinlich von einem sehr großen Objekt getroffen, was letztendlich zu einer Dichotomie, einer Zweiteilung seiner Oberfläche, in das kraterzernarbte Hochland auf der Südhälfte und die relativ ebene, aber bedeutend tiefer gelegenen Nordhälfte führte.
Die bei HD 172555 beobachtete Kollision ist vermutlich erst vor wenigen tausend Jahren erfolgt. Anderenfalls wären die Spuren dieses Zusammenpralls nicht mehr detektierbar gewesen, da sich die Trümmer bereits zu weit verstreut hätten. Dass Spitzer die Spuren einer solchen kosmischen Katastrophe trotzdem entdeckt hat, ist laut Lisse ein Glücksfall: „Hierbei handelt es sich um ein wirklich seltenes und auch kurzlebiges Phänomen. Wir können uns glücklich schätzen, dass wir es so bald nach seinem Eintreten noch beobachten konnten.“
Das Team um Carey M. Lisse wird die Ergebnisse der Untersuchungen demnächst in der Fachzeitschrift „Astrophysical Journal“ veröffentlichen.
Raumcon