Das auf die Suche nach Exoplaneten spezialisierte Weltraumteleskop Kepler setzt seine Mission trotz des Ausfalls von zwei für die Lageregelung benötigten Reaktionsrädern auch weiterhin fort. Erst kürzlich gelang dabei die Entdeckung eines weiteren Exoplaneten.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics.
Seit der Entdeckung des ersten Exoplaneten im Jahr 1995 konnten Astronomen bis zum heutigen Tag außerhalb unseres Sonnensystems 1.855 Planeten nachweisen. Einen wesentlichen Beitrag bei dieser Suche lieferte das auf die Exoplanetensuche spezialisierte Weltraumteleskop Kepler.
Nach seinem Start am 7. März 2009 hat Kepler über einen Zeitraum von vier Jahren hinweg im Bereich der Sternbilder Schwan, Drache und Leier systematisch mehr als 150.000 Sterne anvisiert und dabei mittels der „Transitmethode“ nach Anzeichen für dort befindliche Planeten Ausschau gehalten.
Sobald ein Exoplanet – von der Erde aus betrachtet – direkt vor seinem Mutterstern vorbeizieht, nimmt die Helligkeit des beobachteten Sterns um einen winzigen Bruchteil ab, da der vorbeiziehende Planet einen Teil des von seinem Zentralgestirn ausgehenden Lichts abschirmt. Durch die wiederholten Beobachtungen dieser periodisch auftretenden Helligkeitsveränderungen kann der Durchmesser und die Dauer der Umlaufzeit des verursachenden Planeten bestimmt werden. Anhand der Daten des Weltraumteleskops konnten so bisher 996 Exoplaneten definitiv nachgewiesen werden. Weitere rund 4.000 ‚Planetenkandidaten‘ warten dagegen noch auf ihre Bestätigung, für die zunächst weiterführende Beobachtungen mit anderen Teleskopen notwendig sind.
Um die Suche nach Exoplaneten mit der dafür notwendigen Präzision durchführen zu können ist es jedoch zwingend notwendig, dass das Weltraumteleskop Kepler bei seinen Beobachtungen über eine äußerst genaue und zudem dauerhaft stabile Ausrichtung im Weltall verfügt. Diese Ausrichtung wird allerdings durch den von der Sonne ausgehenden Strahlungsdruck negativ beeinflusst, der mit seiner zwar minimalen, aber doch deutlich spürbar einwirkenden Kraft zu einer permanenten Veränderung der Orientierung des Weltraumteleskops im Raum führt. Um dieser Kraft entgegenzuwirken wurde Kepler mit vier Reaktionsrädern ausgestattet, welche das Weltraumteleskop in allen drei Achsen stabilisieren sollte.
Die Kepler-Mission war eigentlich beendet
Als im Mai 2013 auch das zweite dieser vier Reaktionsräder ausfiel (Raumfahrer.net berichtete) – mindestens drei stabilisierende Kreisel werden jedoch benötigt – schien es zunächst so, als ob die bis dahin überaus erfolgreiche Kepler-Mission beendet werden muss.
Die „K2“-Mission
Die Mitarbeiter der Kepler-Mission waren jedoch nicht bereit, ihr Teleskop ‚einfach so‘ abzuschreiben. Stattdessen wurde von den beteiligten Ingenieuren und Wissenschaftlern ein innovatives Missionskonzept entwickelt, welches in dieser Form bisher noch nie in der Praxis erprobt wurde. Kepler – so die zugrunde liegende Idee – sollte in Zukunft das Sonnenlicht als dritten stabilisierenden ‚Kreisel‘ nutzen. Auf diese Weise kann Kepler in einer Achse stabilisiert werden. Für die anderen beiden Achsen sollten dagegen weiterhin die zwei noch verbliebenen Reaktionsräder genutzt werden.
Zu diesem Zweck muss das Weltraumteleskop ‚lediglich‘ so ausgerichtet werden, dass sich der von der Sonne ausgehende Strahlungsdruck gleichmäßig über das Teleskop verteilt und auf diese Weise die Notwendigkeit von Lagekorrekturen, welche ja letztendlich erst durch genau diesen Strahlungsdruck erforderlich werden, entfällt.
Für dieses alternative Konzept – so die Mitarbeiter der Kepler-Mission müsste allerdings das bisherige Beobachtungsprogramm deutlich modifiziert werden. Das Weltraumteleskop muss sich bei seinen Beobachtungen in Zukunft auf den Bereich der Ekliptik beschränken. Um eine dauerhafte Stabilisierung zu gewährleisten, muss zudem alle 83 Tage die Orientierung und damit auch das Sichtfeld von Kepler verändert werden, was zur Folge hat, dass dann für die folgenden 12 Wochen eine andere in der Ekliptik gelegene Himmelsregion in den Aufnahmebereich des Teleskops rückt.
Neben der Suche nach Exoplaneten, so die Kepler-Wissenschaftler, soll das Weltraumteleskop hierbei dann auch für die Beobachtung und Untersuchung von Sternhaufen, Galaxien, einzelner Sterne und Supernovae eingesetzt werden. Nach einer eingehenden Analyse dieses Vorschlags gab die NASA schließlich im Mai 2014 bekannt, dass dieses neue, als „K2-Mission“ bezeichnete Missionskonzept bewilligt und die finanziellen Mittel für einen zunächst auf zwei Jahre befristeten Weiterbetrieb von Kepler bereitgestellt wurden.
Ein erster Achtungserfolg noch während der Testphase
Unabhängig von dieser Entscheidung wurde Kepler jedoch bereits im Februar 2014 wie hier beschrieben eingesetzt und hat dabei im Rahmen einer ersten, neun Tage andauernden Testkampagne regelmäßig Aufnahmen von dem dabei im Sichtbereich gelegenen Sternfeld angefertigt. Durch die Auswertung der dabei gewonnenen Daten, bei denen fast 2.000 Sterne abgebildet wurden, zeigte sich jetzt, dass das Weltraumteleskop tatsächlich wieder erfolgreich als ‚Exoplanetenjäger‘ eingesetzt werden kann.
Am 18. Dezember 2014 gaben die an der Mission beteiligten Wissenschaftler bekannt, dass in den Daten, welche bereits im Februar aufgezeichnet wurden, ein weiterer Exoplanet entdeckt wurde. Dieser neu entdeckte Planet trägt die Bezeichnung HIP 116454b, verfügt über einen Durchmesser von etwa 32.000 Kilometern und in etwa über die 12-fache Masse der Erde. Für eine vollständige Umrundung seines Zentralsterns benötigt dieser somit als Supererde klassifizierte Planet einen Zeitraum von 9,1 Tagen. Die mittlere Entfernung zwischen Planet und Stern beträgt dabei rund 13,5 Millionen Kilometern. HIP 116454 – der besagte Zentralstern des Exoplaneten – ist etwas kleiner und kühler als die Sonne, gehört der Spektralklasse „K1“ an und befindet sich rund 180 Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt im Sternbild Fische.
Der Planet wurde mittlerweile durch nachfolgende Untersuchungen mit dem HARPS-N-Instrument am Telescopio Nazionale Galileo auf der Kanareninsel La Palma sowie durch Beobachtungen mit dem Weltraumteleskop MOST bestätigt.
Obwohl HIP 116454b laut den gewonnenen Daten definitiv keinen Ort darstellt, bei dem es sich um einen für die Entstehung von extraterrestrischen Leben geeigneten Planeten handelt, stellt diese Entdeckung trotzdem unter Beweis, dass das Weltraumteleskop Kepler auch in der jetzigen Missionsphase „K2“ erfolgreich als Exoplanetenjäger agieren kann.
„Wie ein Phoenix aus der Asche wurde Kepler neu geboren und ist bereit, weitere Entdeckungen zu machen“, so Andrew Vanderburg vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA). „Besonders erfreulich ist dabei, dass sich der entdeckte Planet [aufgrund der Nähe seines Zentralsterns zur Erde] für Folgestudien eignet.“
Allerdings haben die mittlerweile veränderten Missionsparameter auch zur Folge, dass die jetzt erfolgenden Beobachtungen von Kepler trotz aller Bemühungen nicht mit der zuvor erreichten Präzision durchgeführt werden können. Durch die Anwendung einer speziell hierfür entwickelten Korrektursoftware kann jedoch eine photometrische Genauigkeit erreicht werden, welche einen Wert von mehr als 50 Prozent der während der Primärmission erreichten Qualität gewährleistet.
Die hier lediglich kurz beschriebene Entdeckung eines weiteren Exoplaneten durch das Weltraumteleskop Kepler wurde kürzlich von Andrew Vanderburg et al. unter dem Titel „Characterizing K2 Planet Discovieries: A Super-Earth transiting the bright K-Dwarf HIP 116454“ in der Fachzeitschrift „The Astrophysical Journal“ publiziert.
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Fachartikel von A. Vanderburg et al.: