Astronomen konnten kürzlich mit dem Teleskop des Gemini-South-Observatoriums eine das Doppelsternsystem V4046 Sagittarii AB umgebende protoplanetare Scheibe abbilden und untersuchen. Die dabei gewonnenen Daten weisen darauf hin, dass im Bereich dieser Scheibe gerade Planeten entstehen. Diese Beobachtungen lieferten den bisher vermutlich besten Nachweis einer gerade erfolgenden Planetenentstehung in der Umgebung eines Doppelsternsystems.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Gemini-South-Observatorium, Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics.
Bei dem Sternsystem V4046 Sagittarii AB – abgekürzt V4046 Sgr AB – handelt es sich um ein in dem Sternbild Schütze (lat. Name „Sagittarius“) beheimatetes Doppelsternsystem, welches sich in einer Entfernung von etwa 240 Lichtjahren zu unserem eigenen Sonnensystem befindet. Die beiden Sterne des Systems verfügen über ein Alter von etwa 20 Millionen Jahren, weisen fast identische Massen von jeweils 0,9 Sonnenmassen auf und gehören den Spektralklassen K5 und K7 an. Die Distanz zwischen den beiden Sternen beträgt dabei lediglich 0,045 Astronomischen Einheiten (kurz „AE“), was einer Entfernung von etwa 6,7 Millionen Kilometern oder weniger als dem fünffachen Durchmesser der Sonne entspricht.
Bereits im Jahr 2009 konnten Astronomen durch Beobachtungen mit dem Submillimeter-Array-Radioteleskop (kurz „SMA“) nachweisen, dass dieses Doppelsternsystem von einer rotierenden protoplanetaren Scheibe umgeben ist. Derartige protoplanetaren Scheiben, aus denen sich nach den gängigen Theorien im Verlauf eines komplexen Entstehungsprozesses Kometen, Asteroiden und Planeten bilden, sind den Astronomen bereits seit dem Jahr 1994 bekannt.
Die das System von V4046 Sgr AB umgebende Scheibe war jedoch die erste protoplanetare Scheibe, welche bei einem Doppelsternsystem entdeckt werden konnte. Zudem war in diesem Fall für die Astronomen das vergleichsweise hohe Alter der beiden Sterne bemerkenswert, welche von der Scheibe umgeben sind. Eigentlich – so die gängigen Theorien zur Planetenentstehung – sollten sich protoplanetare Scheiben bereits innerhalb von weniger als zehn Millionen Jahren auflösen.
Der innere Rand von der das System V4046 Sgr AB umgebenden protoplanetaren Scheibe befindet sich in einer Entfernung von etwa 30 Astronomischen Einheiten zum gemeinsamen Massezentrum der beiden Sterne. Von dort aus erstreckt sich die Scheibe bis zu einer Entfernung von etwa 300 AEs. Diese Region entspricht in etwa dem Bereich, in dem sich in unserem Sonnensystem die Gasplaneten Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun sowie die Objekte des Kuipergürtelsgebildet haben könnten. Und tatsächlich gingen die an den in den Jahren 2008 und 2009 erfolgten Untersuchungen beteiligten Wissenschaftler davon aus, dass sich innerhalb der Scheine von V4046 Sgr AB gerade Gasplaneten bilden könnten.
„Wir hielten das molekulare Gas um diese beiden Sterne schon seit geraumer Zeit für einen ganz deutlichen Hinweis darauf, dass im Bereich dieser beiden Sterne gerade Jupiter-ähnliche Planeten entstehen könnten oder sich zumindest erst kürzlich gebildet haben“, so Joel H. Kastner vom Rochester Institute of Technology (RIT) im US-Bundesstaat New York, der Leiter der damaligen Studie, im Rahmen einer entsprechenden Pressemitteilung aus dem Jahr 2009. „Die SMA-Daten, die eine rotierende Scheibe zeigen, unterstützen diese Annahme eindeutig.“
Neue Beobachtungen
Aktuelle Beobachtungen, welche mit dem Gemini-South-Observatorium – einem auf dem Berg Cerro Pachón in den chilenischen Anden befindlichen Teleskop mit einem Hauptspiegeldurchmesser von 8,1 Metern – durchgeführt wurden, untermauern jetzt diese These. Mit dem erst im Januar 2014 in Betrieb genommenen Gemini Planet Imager (kurz „GPI“) gelang den Astronomen der Nachweis von Staubpartikeln, welche sich im Bereich der protoplanetaren Scheibe von V4046 Sgr AB befinden.
Im Infrarotbereich konnte zudem das Streulicht dieser Staubpartikel aufgelöst und anschließend analysiert werden. Dabei zeigte sich, dass sich innerhalb der protoplanetaren Scheibe zwei deutlich erkennbare Ringstrukturen befinden, welche Konzentrationen dieser Staubpartikel aufweisen. Diese Beobachtungsdaten des GPI deuten darauf hin, dass sich innerhalb der protoplanetaren Scheibe von V4046 Sgr AB in einer Entfernung von etwa vier bis 12 AEs zu den Sternen gerade ein, eventuell aber sogar auch mehrere Planeten bilden.
„Der Gemini Planet Imager ermöglicht es uns, realtiv nahe zu unserem Sonnensystem gelegene planetenbildende protoplanetare Scheiben mit einer hohen Detailgenauigkeit abzubilden. Auf diese Weise können wir die Prozesse der Entstehung von Planeten direkt untersuchen, die sich auf Umlaufbahnen bewegen, die mit denen der Gasplaneten in unserem eigenen Sonnensystem vergleichbar sind“, so Valerie A. Rapson vom Rochester Institute of Technology, welche die kürzlich erfolgten Untersuchungen leitete.
Diese Analysen lieferten den bisher vermutlich besten Nachweis einer gerade erfolgenden Planetenentstehung im Bereich eines Doppelsternsystems. Die Untersuchungen zeigten zudem, dass die Staubpartikel, welche sich innerhalb dieser Scheibe befinden, dort nach ihrer jeweiligen Größe getrennt auftreten. Diese Beobachtungen decken sich mit den bisherigen Modellen über die Prozesse, welche vermutlich bei der Planetenentstehung innerhalb einer protoplanetaren Scheibe ablaufen.
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse von Valerie A. Rapson et al. wurden kürzlich unter dem Titel „Scattered Light from Dust in the Cavity of the V4046 Sgr Transition Disk“ in der Fachzeitschrift The Astrophysical Journal Letters publiziert.
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Fachartikel von Valerie A. Rapson et al.:
- Scattered Light from Dust in the Cavity of the V4046 Sgr Transition Disk (Arxiv, Volltext, engl.)