Physik-Nobelpreis für drei Astrophysiker

Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften in Stockholm hat gestern die Verleihung des Physik-Nobelpreises an drei Astrophysiker bekannt gegeben, die grundlegende Arbeiten über Methoden zum Nachweis von Neutrinos sowie zur Entdeckung von kosmischen Röntgenquellen geleistet haben.

Ein Beitrag von Michael Stein. Quelle: Nobel e-Museum.

Die beiden Astrophysiker Raymond Davis Jr. (USA) und Masatoshi Koshiba (Japan) erhalten den Nobelpreis gemeinsam zur Hälfte für die Entwicklung von Methoden zum Nachweis von Neutrinos. Die andere Hälfte des Physik-Nobelpreises geht an den italienischstämmigen Wissenschaftler Riccardo Giacconi (USA), der Pionierarbeit bei der Entwicklung von Methoden zum Nachweis kosmischer Röntgenstrahlung geleistet hat. Die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften fasst die mit dem Nobelpreis geehrte wissenschaftliche Leistung der diesjährigen Preisträger in der Aussage zusammen, dass sie „zwei neue Fenster zum Universum“ geöffnet hätten.

Raymond Davis Jr.
(Foto: PRB)

Raymond Davis Jr. (geb. 1914) wurde vor allem für die Entwicklung eines neuartigen Neutrino-Detektors in Form eines mit 615 Tonnen einer Reinigungsflüssigkeit (Tetrachlorethylen) gefüllten Tanks geehrt, der 1968 rund 1,5 km unter der Erdoberfläche in einer aufgelassenen Goldmine in Süd-Dakota (USA) installiert wurde. Seine besondere Leistung bestand in der Entwicklung einer Methode, mit der die nur etwa 20 Argon-Atome, die pro Monat (!) bei der Reaktion von hochenergetischen Neutrinos mit den Chloratomen der im Tank befindlichen Reinigungsflüssigkeit entstehen, nachgewiesen werden konnten – die Suche nach der bekannten Nadel im Heuhaufen wäre demgegenüber ein Kinderspiel. In 30 Jahren gelang ihm der Nachweis von rund 2.000 Neutrinos, was die Theorie über die Energieproduktion im Sonneninneren durch Kernfusion bestätigte.

Die Schwierigkeit beim Nachweis der schon 1930 von Wolfgang Pauli aufgrund theoretischer Arbeiten postulierten Neutrinos besteht in erster Linie darin, dass diese geradezu geisterhaften Teilchen so gut wie überhaupt nicht mit Materie wechselwirken: Zu jeder Zeit wird unser Planet (und damit auch wir selbst) von einer unvorstellbar großen Anzahl dieser Teilchen ohne spürbare Folgen durchströmt. Das erklärt auch, warum nur so verschwindend wenige Neutrinos von den raffiniert konzipierten „Neutrino-Fallen“ der Wissenschaftler entdeckt werden können.

Masatoshi Koshiba
(Foto: PRB)

Für eine vergleichbare Leistung wurde nun auch Masatoshi Koshiba (geb. 1926) geehrt. Die Funktionsweise des Kamiokande genannten und ebenfalls unterirdisch in einer stillgelegten Mine gelegenen Detektors beruht auf winzigen und ultrakurzen Lichtblitzen, die bei der Kollision von Neutrinos mit Atomkernen der Detektorflüssigkeit (Wasser) entstehen. Die Innenwand des Detektors ist mit mehr als 1.000 lichtempfindlichen Photomultipleren ausgestattet, mit deren Hilfe die Lichtblitze registriert werden können. Die entscheidende Verbesserung gegenüber dem Detektor von Davis stellt die Fähigkeit von Kamiokande dar, die Zeit der Kollision und die Flugrichtung des Neutrinos feststellen zu können. Dadurch konnte erstmalig eindeutig bewiesen werden, dass Neutrinos von der Sonne emittiert werden. Darüber hinaus konnte mit Hilfe dieses Detektors am 23. Februar 1987 erstmals der aus einer Supernovaexplosion in der Großen Magellan’schen Wolke stammende Neutrinoschauer nachweisen werden. Mittlerweile ist ein verbesserter, Super-Kamiokande genannter Neutrino-Detektor in Betrieb genommen worden.

Die Arbeiten von Davis und Koshiba haben zu unerwarteten Entdeckungen und zu einem neuen Forschungsgebiet innerhalb der Astronomie geführt, der Neutrinoastronomie.

Riccardo Giacconi
(Foto: NASA/CXC/SAO)

Die zweite Hälfte des diesjährigen Physiknobelpreises geht an den in Italien geborenen amerikanischen Wissenschaftler Riccardo Giacconi (geb. 1931) für seine Pionierleistungen auf dem Gebiet der Röntgenastronomie. Im Jahr 1962 wurde mit Hilfe eines von ihm entwickelten Instruments an Bord einer Höhenforschungsrakete die erste extrasolare Röntgenquelle entdeckt. Bei einem sechsminütigen Flug, der eigentlich die Frage klären sollte, ob der Mond unter dem Einfluss der Sonneneinstrahlung Röntgenstrahlen emittiert, entdeckte Giacconi und sein Forschungsteam zufällig eine starke Röntgenquelle außerhalb des Sonnensystems, wodurch die neue Röntgenastronomie einen starken Schub erhielt. Ein Problem blieben jedoch die kurzen Beobachtungszeiten der Höhenforschungsballone und -raketen – vom Boden aus konnte die kosmische Röntgenstrahlung nicht beobachtet werden, da sie annähernd vollständig von der Erdatmosphäre absorbiert wird.

Giacconi setzte sich deshalb für die Konstruktion des ersten Röntgensatelliten UHURU ein, der schließlich 1970 von Kenia aus gestartet wurde. Seine Messinstrumente waren zehnmal empfindlicher als ihre Vorgänger, und in jeder Woche produzierte er mehr wissenschaftliche Erkenntnisse als alle vorher absolvierten Experimente zusammen. Um weitere Forschritte auf dem Gebiet der Röntgenastronomie zu ermöglichen konstruierte Giacconi in den 1970er Jahren das erste relativ hochauflösende Röntgenteleskop Einstein, das ab Ende 1978 im Einsatz war. Mit Hilfe von Einstein konnten kosmische Röntgenquellen entdeckt werden, die eine Million Mal schwächer als die ersten entdeckten extrasolaren Röntgenquellen waren. Bereits 1976 schließlich regte Giacconi die Konstruktion eines noch einmal verbesserten Röntgenteleskops an, dessen Start jedoch schließlich erst 1999 unter dem Namen Chandra erfolgte.

Der Nobelpreis wird jährlich in sechs Kategorien verliehen. Wie jedes Jahr findet die Preisverleihung am 10. Dezember, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel, im Konzerthaus von Stockholm durch den schwedischen König statt. Die einzige Ausnahme hiervon bildet der Friedensnobelpreis, der am gleichen Tag vom Vorsitzenden des norwegischen Nobel-Komitees an den oder die Preisträger in der Stadthalle von Oslo (Norwegen) überreicht wird.

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