Am vergangenen Mittwoch traf der erste Thermalschild für MPCV/Orion im Kennedy Space Center auf Merritt Island, Florida ein. Das bemannte Raumfahrzeug der NASA rückt damit der Fertigstellung seines ersten raumflugtauglichen Prototyps ein Stück näher.
Ein Beitrag von Michael Clormann. Quelle: NASA, ESA, nasaspaceflight.com, Raumcon.
Nach gegenwärtigem Zeitplan der US-Raumfahrtbehörde soll der sogenannte Exploration Flight Test-1 (EFT-1), der erste orbitale Einsatz des Orion-Crew Module (CM), bereits im September des kommenden Jahres stattfinden. Zunächst noch ohne Besatzung wird der Erstflug einen temporären Erdorbit mittlerer Höhe ansteuern und anschließend den Wiedereintritt der Raumkapsel mit hoher Geschwindigkeit in die Erdatmosphäre ermöglichen. Eines der Kernziele von EFT-1 ist entsprechend die Erprobung der thermischen und strukturellen Widerstandsfähigkeit des Crew Module, das in wenigen Jahren Menschen die sichere Rückkehr von Missionen, auch über die niedrige Umlaufbahn hinaus, ermöglichen soll. Der nun ausgelieferte ablative Hitzeschild wird das Testfahrzeug bei seinem Flug durch die oberen Luftschichten unseres Planeten vor der enormen Wärmeentwicklung durch die abbremsenden Reibung schützen. EFT-1 soll mit knapp neun Kilometern pro Sekunde bereits ein Tempo erreichen, das in dieser Hinsicht mit dem Eintrittsszenario der späteren, bemannten Missionen vergleichbar sein wird. Der Schild wurde seit Januar 2012 von Industriepartnern der NASA gefertigt, die zum Teil bereits ähnliche Strukturen für das Apollo-Programm in den 1960er Jahren lieferten. Das spezielle Kunststoffharz Avcoat, welches die eigentliche Wärmeschutzwirkung des Bauteils bereitstellt, steht in ähnlicher Rezeptur und Verarbeitung also bereits in einer fast 50-jährigen Tradition. Gleiches gilt für die Wabenstruktur des Schildkörpers, in die das Avcoat-Material eingebracht wird. Dennoch stellt Orion im Vergleich zum Command Module Apollos alleine schon aufgrund seiner Dimensionierung in gewisser Weise Neuland dar: Wies bei zweiterem die Grundfläche der Kapsel, und damit des Hitzeschutzes, einen Durchmesser von rund 3,9 Metern auf, beträgt dieser beim Orion-CM immerhin etwa fünf Meter. Dies entspricht einer zu schützenden Fläche, die jene der Apollo-Kapsel um etwa zwei Drittel übersteigt. Der Größenzuwachs des Multi-Purpose Crew Vehicle (MPCV) im Vergleich zur Mondkapsel der 1960er und 1970er Jahre liegt vor allem in der erhöhten Mannschaftsstärke von bis zu vier Astronauten, sowie dem breiteren Spektrum möglicher Missionsszenarien begründet. Neben der Bereitstellung einer, auch personellen, Versorgungskapazität für die Internationale Raumstation, soll Orion eben auch die Reise zu nahen Himmelskörpern im Sonnensystem (wieder) möglich machen.
Vor der Fertigstellung des Hitzeschilds hatte die Entwicklung und Erprobung des Orion-Raumschiffs in den vergangenen Monaten bereits einige Meilensteine absolviert: Erst im November verlief, unter anderem, ein Test zur Abtrennung der Schutzverkleidung des Service Module erfolgreich. Zeitgleich konnte der Adapter installiert werden, der das MPCV während des EFT-1 mit der Oberstufe des Launchers verbinden wird. Im September bot sich NASA-Astronauten im Simulator erstmals die Gelegenheit, neu entwickelte Bedienelemente zu testen und sich mit dem allgemeinen Missionsablauf eins bemannten Orion-Starts vertraut zu machen. Im Sommer wurden in Kooperation mit der US-Marine praktische Übungen zur Bergung des Crew Module aus dem Ozean durchgeführt. Das für den finalen atmosphärischen Abstieg und die Wasserung der neuen, bemannten Raumkapsel entwickelte Fallschirmsystem musste sich in den Wochen davor in seinem insgesamt zehnten Falltest bewähren. Der Start des EFT-1 wird, sollte dieser Termin eingehalten werden können, 2014 zunächst auf dem Trägersystem Delta IV Heavy erfolgen, da das eigentlich für Orion vorgesehene, schwere Space Launch System (SLS), nach einem gegenwärtig noch angepeilten Erststart 2017, erst ab dem kommenden Jahrzehnt zur Verfügung stehen kann. Die Delta-Rakete für den Einsatz im Herbst wird, nach wiederholt bestätigtem Zeitplan des Betreibers United Launch Alliance (ULA), im März an das Kennedy Space Center ausgeliefert werden können. Insgesamt bleibt der Zeitplan der NASA für die Indienststellung von Orion dennoch ambitioniert. Neben verbleibenden Herausforderungen, Risiken und Unklarheiten technischer Art, insbesondere auch in der Verwirklichung des SLS, hält auch die administrativ-politische Ebene noch das eine oder andere potentielle Hindernis für eine fristgerechte Umsetzung des Programms bereit. So ist zum einen die Mittelverteilung der NASA in ihrer gegenwärtigen Phase der Umorientierung und Budgetknappheit durchaus nicht endgültig gesichert, während andererseits die Kooperation mit Europa, vorläufig zuständig für das Orion-SM, für beide Seiten weiterhin ein hohes Maß an Koordination und Bereitschaft zum Interessenausgleich durch Kooperation voraussetzt.
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