Orionnebel in ungekannter Schärfe

Welcher Beobachter kennt ihn nicht, den großen Emissionsnebel im Sternbild Orion? Von manchen auch nicht ganz korrekt nur M42 genannt, wurde das Sternentstehungsgebiet schon von mittelalterlichen arabischen Astronomen beobachtet und zählt zu den am meisten fotografierten Objekten des nördlichen Himmels. Nichts Neues also im Orionnebel? Weit gefehlt!

Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: MPIfR.

Seit im Jahre 1609 die Menschheit damit begann, den Himmel durch Teleskope zu beobachten, hat sich auf dem Gebiet der astronomischen Observationen eine ganze Menge getan. Besonders hinsichtlich der Winkelauflösung und der Beobachtung in verschiedenen elektromagnetischen Wellenlängen (wie z.B. Infrarot- oder Röntgenlicht) waren die Fortschritte der letzten Jahre nahezu atemberaubend. Jüngstes Beispiel für die erstaunlichen technischen Fähigkeiten der modernen Astronomie bietet eine Arbeit des Max-Planck-Institutes für Radioastronomie (MPIfR) in Bonn.

MPIfR/Stefan Kraus, ESO und NASA/Chris O'Dell
Zentralbereich des Großen Orionnebels (linkes Bild) mit den vier Trapez-Sternen (Theta 1 Ori A-D) bei zunehmender Vergrößerung. Der massereichste und hellste dieser Sterne ist Theta 1 Ori C, der mit bisher unerreichter Winkelauflösung mit dem VLT-Interferometer abgebildet werden konnte (rechtes Teilbild)
(Bild: MPIfR/Stefan Kraus, ESO und NASA/Chris O’Dell)

Mit Hilfe des Very Large Telescope Interferometer (VLTI) konnte erstmals die binäre Struktur von Theta 1 Orionis C, eines Sternenpaares, dass bislang immer als ein einzelner Stern angesehen wurde, nachgewiesen werden. Theta 1 Ori C ist der hellste Stern in dieser der Erde so nahe liegenden Kinderstube junger Sterne. Selbst die größten konventionellen Teleskope oder das Hubble Space Telescope (HST) waren nicht in der Lage, Theta sein Geheimnis zu entreißen.

Der junge Doppelstern befindet sich im sogenannten Trapez-Sternhaufen des etwa 1.400 Lichtjahre entfernten Nebels. Mittels der Infrarot-Interferometrie konnten jetzt zwei klar voneinander separierte junge, massereiche Sterne nachgewiesen werden. 2008 betrug ihr Abstand zueinander lediglich 20 Millibogensekunden (0,0000056°). Die beiden Sterne umlaufen einander in einer exzentrischen Bahn alle 11 Jahre. Ori C ist also ein Doppelsternsystem und kein Einzelstern. Bei der Entfernung des Nebels von der Erde entspricht dies einer Auflösung von zwei Millibogensekunden, etwa vergleichbar mit der Oberfläche eines PKW auf dem Mond. Oder mit anderen Worten: Ein optisches Teleskop hätte einen Spiegeldurchmesser von 200 Metern aufweisen müssen, um eine ähnliche Leistung zu erzielen. Zum Vergleich: Die größten optischen Einzelspiegel in Ganzbauweise liegen bei 10,40 Metern Durchmesser.

Quasi als Nebenprodukt konnte auch gleich die genaue Entfernung des Sternpaares mit 1.350 ly, sowie die Massen der beiden Einzelsterne mit 38 und 9 Sonnenmassen bestimmt werden.

Bei der Interferometrie werden die Strahlengänge mehrerer Teleskope zu einem einzigen virtuellen Teleskop zusammengeführt, so dass enorm hohe Winkelauflösungen realisierbar werden. Dabei macht man sich den physikalischen Effekt der Interferenz zu Nutze, wonach eine Überlagerung von zwei oder mehr Wellen nach dem Superpositionsprinzip (also durch Addition ihrer Amplituden) eintritt. Grundsätzlich treten Interferenzen bei allen Arten von Wellen auf, sie sind also nicht einem bestimmten elektromagnetischen Spektrum vorbehalten.

Zum Prüfstern wählte man Theta 1 Ori C wegen seiner relativen Erdnähe, die es einfacher macht, Einblick in die Bildungs- und Entstehungsprozesse der dortigen Sterne zu nehmen. Die intensive Strahlung des Sternpaares ionisiert den gesamten inneren Bereich des Nebels und regt ihn so zum Leuchten an. Gleichzeitig werden durch den immensen abgestrahlten Sternwind auch die sogenannten „Proplyds“, junge Sterne, die noch von Staubscheiben aus ihrer Entstehungswolke umgeben sind, und aus der sich später die Planeten des Systems bilden, beeinflusst. Die jetzt vorgestellten Beobachtungen sind daher ein wichtiger Baustein zum weiteren Verständnis der Modelle über die Entstehung massereicher Sterne.

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