Orion: Ab nach Plum Brooke

Um das Servicemodul des neuen Orion-Raumschiffs zu testen, bereiten die US-amerikanische Luft- und Raumfahrtagentur NASA und die europäische Raumfahrtbehörde ESA einen Testartikel dieses Moduls und die Testanlagen vor.

Ein Beitrag von Martin Knipfer. Quelle: NASA, NSF, NTRS. Vertont von Peter Rittinger

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Ein OMS-Pod vor dem Einbau im Space Shuttle.
(Bild: NASA)

Bei den Triebwerken des Space Shuttles denkt man zunächst an die drei gewaltigen Haupttriebwerke (SSMEs), die beim Start flüssigen Wasserstoff und Sauerstoff verbrannt und so einen enormen Schub produziert haben. Doch daneben gab es auch noch die beiden OMS-Triebwerke (Orbital Maneuvering System), die in zwei Pods rechts und links neben den Haupttriebwerken untergebracht waren. Diese Triebwerke vom Typ AJ-10 arbeiteten mit sogenannten diergolischen Treibstoffen, die bereits bei direktem Kontakt miteinander verbrennen. So wurden Bahnänderungen des Space Shuttles durchgeführt, wie etwa der De-Orbit Burn am Ende der Mission, bei dem die Umlaufbahn des Space Shuttles so weit abgesenkt wurde, dass es wieder in die Erdatmosphäre eintrat. Nach dem Ende des Space Shuttle-Programms 2011 wurden die verbliebenen OMS-Pods von den Orbitern getrennt und eingelagert, man hatte keine Verwendung mehr für sie. Inzwischen werden jedoch nicht nur die Haupttriebwerke des Space Shuttles erneut genutzt (und zwar zum Antrieb der Hauptstufe des Space Launch Systems, der neuen Schwerlastträgerrakete der NASA), sondern auch diese eingelagerten OMS-Pods.

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Ein Blick auf Orions Servicemodul. Gut zu erkennen ist das AJ-10 Haupttriebwerk in der Mitte- Illustration.
(Bild: NASA/ESA)

Und zwar in dem Servicemodul von Orion, dem neuen Raumschiff der NASA, mit dem erstmals seit 1972 wieder Menschen zu verschiedenen Zielen jenseits des niedrigen Erdorbits aufbrechen werden. Das Servicemodul versorgt das Raumschiff dabei mit Strom, Wasser, Luft und Thermalkontrolle. Die Besonderheit dieses Servicemoduls liegt darin, dass es bei uns in Europa zusammengebaut werden soll, und zwar bei der Firma Airbus Defence and Space in Bremen.

Das Servicemodul stellt zugleich die Gegenleistung der ESA an die NASA für den Betrieb der Internationalen Raumstation ISS von 2017 bis 2020 dar und basiert auf dem Servicemodul des eingestellten Raumfrachters ATV. Neben der Versorgung des Crewmoduls wird das Servicemodul das Triebwerk des OMS-Pods, das AJ-10, dafür verwenden, um orbitale Manöver durchzuführen. Zu diesem Zweck hat die NASA mittlerweile einen eingelagerten OMS-Pod an die ESA geliefert. Dieser ist wahrscheinlich bei den letzten Flügen der Orbiter Endeavour und Atlantis zuletzt zum Einsatz gekommen.

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Der Adapter wird im O&C Building des KSC auf den Transport vorbereitet.
(Bild: NASA/KSC)

Doch bevor Orion seine erste Mission in die Tiefen des Weltraums mit dem Servicemodul absolviert, muss es am Boden getestet werden. Dazu wird momentan von einem Zulieferer von Airbus eine Testversion des zylinderförmigen Moduls in Italien konstruiert. Dieses Modul wird zunächst noch in Italien strukturellen Belastungstests ausgesetzt werden, bevor es im Oktober zum Glenn Research Center im US-Bundesstaat Ohio geflogen wird. Das Ziel ist die Space Power Facility der Plum Brooke Station dieses NASA-Zentrums, in dem die Bedingungen des Weltraums und des Startes simuliert werden können. Unzählige Satelliten, Raketenbestandteile und weitere Hardware wurden in dieser Testanlage bereits erprobt.

In der Space Power Facility werden zusätzliche Elemente am Modul angebracht (Adapter und Verkleidungen), ein Simulator der Triebwerksdüse des AJ-10 installiert und die Tanks mit simuliertem Treibstoff gefüllt. Inzwischen ist auch der Simulator des Crew Module Adapters in Plum Brooke angekommen, der bei einer realen Mission das Servicemodul mit dem kapselförmigen Crewmodul verbinden würde. Dieser Adapter wurde in den vergangenen Monaten von der Firma Lockheed Martin in dem Operations and Checkout Building des Kennedy Space Centers in Florida gebaut.

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Nein, das ist kein Atomkraftwerk, sondern die Space Power Facility der Plum Brooke Station.
(Bild: NASA)

Die fertige Struktur wird dann akustischen Belastungen und Vibrationen ausgesetzt, wie sie beim Start zu erwarten sind. „Während wir die einzelnen Elemente integrieren, werden wir jedes Mal ein Teil testen, sodass wir unsere Computermodelle kontrollieren können, sehen, wie sich der Testaufbau verhält und dann nachbessern können. Danach können wir zusätzliche Tests durchführen, wenn es nötig ist“, beschreibt Joel Kearns, der Leiter der Integration des Servicemoduls, das Vorgehen. Nachdem 2016 alle Tests abgeschlossen sind, wird das Servicemodul zu den Testanlagen von Lockheed Martin in Sunnyvale, Kalifornien, gebracht, wo weitere Elemente installiert werden und dann erneut strukturelle Belastungstests durchgeführt werden.

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Orion (hier mit dem turmförmigen Startabbruchssystem) wird auf das SLS aufgesetzt- Illustration.
(Bild: NASA/KSC)

Nach dem Bau von weiteren Testartikeln des Antriebssystems ist es dann soweit: Das Flugmodell des Servicemoduls kann zusammengebaut werden, das tatsächlich ins All fliegen soll. Die Struktur des Moduls wird wieder in Italien gebaut und dann nach Bremen transportiert. Dort erfolgt der Zusammenbau des Servicemoduls, und zwar an zwei „Plattformen“ gleichzeitig: Auf einer Plattform wird das eigentliche Antriebssystem mit den Treibstoffleitungen und Triebwerken zusammengebaut, auf der anderen das Drucksystem, das mithilfe von Helium für einen ausreichenden Treibstoffdruck sorgt.

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Orion während EM-1- Illustration.
(Bild: NASA)

Wenn die Arbeit dort abgeschlossen ist, werden die Treibstofftanks installiert. Das Servicemodul wird in einem speziellen Container verstaut und in die Vereinigten Staaten transportiert. Anfang 2017 soll es dort ankommen, und zwar im Operations and Checkout Building des Kennedy Space Centers in Florida. Dort werden Adapter und die Düse des AJ-10 Triebwerks am Servicemodul angebracht, bevor das Servicemodul mit der eigentlichen Raumkapsel verbunden wird. Nach einigen integrierten Testläufen der Elektronik ist dieser sogenannte „Short Stack“ immer noch nicht fertig für die Reise ins All. Er wird erneut in die Space Power Facility der Plum Brooke Station befördert, wo Akustik- und Vakuumtests stattfinden sollen. Dann geht es wieder zurück zum Kennedy Space Center für die Installation von Verkleidungen und letzte Vorbereitungen. Erst jetzt kann das Servicemodul zusammen mit dem Crewmodul auf die Trägerrakete aufgesetzt werden.

Diese Vorbereitungen erfolgen im Rahmen von Orions erstem Flug zum Mond, einer Mission mit der Bezeichnung Exploration Mission 1 (EM-1). Nachdem Orion auf seiner Trägerrakete, dem Space Launch System, in einen niedrigen Erdorbit gestartet ist, zündet das Triebwerk der Oberstufe erneut, sodass das unbemannte Raumschiff nun in Richtung Mond fliegt. Das Raumschiff bremst daraufhin mithilfe seines Servicemoduls in eine Umlaufbahn 70.000 km über der Mondoberfläche ein. Durch eine weitere Zündung des Triebwerks des Servicemoduls verlässt das Raumschiff nach etwa einer Woche diese Umlaufbahn und fliegt wieder zurück zur Erde. Das Servicemodul wird abgetrennt und das kapselförmige Crewmodul tritt mit über 39.000 km/h in die Erdatmosphäre ein, bevor die Kapsel im Pazifik an Fallschirmen landet. Diese Mission wird den ersten Flug eines zumindest bemannbaren Raumschiffs zum Mond seit 45 Jahren und den weitesten Flug eines solchen Raumschiffs aller Zeiten darstellen. Und Europa und ein Shuttle-Triebwerk sind mit dabei.

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