In den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelten Wissenschaftler und Ingenieure der amerikanischen Weltraumbehörde NASA den Plan eine weitere Robotermission zu unserem äußeren Nachbarplaneten, dem Mars, zu entsenden. Was anfangs als eine auf 90 Tage begrenzte Mission ausgelegt war, entwickelte sich im Laufe der folgenden Jahre zu einer der erfolgreichsten Missionen in der Geschichte der Marsforschung.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, NASA, Planetary Society, Unmanned Spaceflight, Wikipedia. Vertont von Peter Rittinger.
Das wissenschaftliche Ziel der beiden baugleichen Rover Spirit und Opportunity bestand dabei in der Untersuchung der Zusammensetzung und Verteilung von Mineralien, Böden und Gesteinen in der unmittelbaren Umgebung ihrer jeweiligen Landestellen und der Suche nach Anzeichen für ein eventuelles früheres Vorhandensein von Wasser. Nach seinem Start am 7. Juli 2003 landete Opportunity, der zweite Rover, nach einem fast sieben Monate dauernden Flug am 25. Januar 2004 um kurz nach 6 Uhr MEZ auf dem Meridiani Planum, einer Hochebene in der Nähe des Marsäquators.
Im Laufe der folgenden Monate und Jahre untersuchte Opportunity seine Umgebung ausführlich mit den verschiedenen Messinstrumenten und schickte Tausende von Bildern zum Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena/Kalifornien, von wo aus die Rover gesteuert werden. Anhand dieser Daten konnte die mineralogische Zusammensetzung der Oberfläche sehr genau bestimmt werden und auch der Nachweis von ehemals vorhandenem Wasser gilt mittlerweile als wissenschaftlich gesichert. Allerdings scheinen die dabei gegebenen Bedingungen nach menschlichem Verständnis nicht wirklich lebensfreundlich gewesen zu sein. Das Oberflächenmaterial des Meridiani Planum zeigt deutliche Anzeichen dafür, dass es bei seiner Entstehung mit „saurem“ Wasser in Kontakt gestanden hat, welches über einen hohen Anteil von Schwefelsäure verfügt haben muss.
Nach dem Abschluss der Untersuchungen des „Viktoria-Kraters“ im Jahr 2009 entschlossen sich die für die Mission verantwortlichen Mitarbeiter des JPL den Rover zu einem neuen Ziel zu manövrieren. Hierbei handelt es sich um den etwa 22 Kilometer durchmessenden und etwa 12 Kilometer vom „Viktoria-Krater“ entfernten „Endeavour-Krater“. Allerdings entschloss man sich nicht den direkten Weg in die ost-südöstliche Richtung einzuschlagen, da dieser durch ein ausgedehntes Feld aus Sanddünen blockiert war. Stattdessen fuhr Opportunity während des letzten Jahres zuerst in südöstliche und später in südliche Richtung um dieses Hindernis zu umgehen. Hierbei wählte man einen Kurs, welcher den Rover über weite Strecken der Fahrt durch ein relativ ebenes und ungefährliches Gelände führte. Als wissenschaftlich interessant stellte sich diese Route besonders durch die Entdeckung mehrerer Eisen-Meteoriten heraus. Für deren ausführliche Untersuchung wurde die Fahrt des Rovers für jeweils mehrere Wochen unterbrochen (Raumfahrer.net berichtete).
Auf Bildern der Panorama- und Navigationskameras entdeckte man schließlich im Oktober 2009 in der Ferne einen weiteren auffälligen Felsblock, welcher sich aufgrund seiner dunklen Farbe eindeutig von seiner Umgebung abhob. Da sich dieser vermeintliche weitere Meteorit sowieso in der vorgesehenen Fahrtrichtung befand, entschloss sich das wissenschaftliche Team der Rover-Mission auch diesem Felsen einen kurzen Besuch abzustatten. Bereits in der Annäherungsphase war anhand der aufgenommenen Bilder ersichtlich, dass es sich bei diesem neuen Ziel aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um einen weiteren Eisen-Meteoriten handeln konnte.
Am 10. November 2009, dem Missionstag „Sol 2061“, wurde das neue Ziel „Marquette Island“ erreicht und dieses befand sich ab jetzt in der Reichweite der am Roboterarm des Rovers montierten Analyseinstrumente. In den folgenden Tagen begann eine ausführliche Untersuchungskampagne. Nach ersten Messungen mit dem APXS- und dem Moessbauer-Spektrometer wurde die Oberfläche des Felsens mittels einer an einem Gesteinsbohrer, dem sogenannten „Rock Abrasion Tool“, montierten Bürste gereinigt. Nachdem auf diese Weise die den Felsen bedeckende oberste Staubschicht entfernt wurde, wiederholte man die Spektrometer-Messungen. In einer dritten Untersuchungsphase wurde dann ein wenige Millimeter tiefes Loch in die Oberfläche gefräst, bevor anschließend erneute Messungen vorgenommen wurden.
Bei diesen Bohrungen stellte sich sehr schnell heraus, dass Marquette Island offensichtlich aus einem ungewöhnlich harten Material zusammen gesetzt ist. „Wir wählten deshalb eine sehr vorsichtige Vorgehensweise bei der Durchführung dieser Bohrungen“, so Joanna Cohen von der Firma Honeybee Robotics, dem Hersteller und Betreiber des abgekürzt auch als „RAT“ bezeichneten Gesteinsbohrers. „Dadurch wollten wir sicherstellen, dass das RAT auch bei der nächsten Untersuchung noch genügend Zähne hat, um ein hartes Ziel erfolgreich anzubohren.“ Das RAT setzt sich aus zwei Diamantmessern zusammen. Die Zähne dieser Messer rotieren mit einer Geschwindigkeit von 3.000 Umdrehungen pro Minute und fräsen dabei die oberste Schicht des zu bearbeitenden Materials auf einem Durchmesser von 4,5 Zentimetern ab.
Obwohl die diese Bohrkronen besetzenden Partikel aus Diamantstaub äußerst hart sind, nutzen sich diese bei einem wiederholten Einsatz im Laufe der Zeit unwiderruflich ab. Ursprünglich wurden von der Hersteller-Firma lediglich drei Bohrungen garantiert. Diese „Garantiezeit“ war, wie so ziemlich alle anderen Herstellergarantien bei Opportunity auch, bereits seit langem abgelaufen. Marquette Island stellte das 38. Ziel dar, bei welchem das Rock Abrasion Tool erfolgreich zum Einsatz kam.
Sehr schnell wurde anhand der so gewonnenen Messdaten und parallel dazu angefertigten ergänzenden Mikroskop-Bilder deutlich, dass Opportunity auf etwas völlig Neues gestoßen war. Entweder, so die Wissenschaftler, welche die Daten sichteten, handelt es sich bei Marquette Island um einen vorher noch nie beobachteten Typ eines Meteoriten oder, was als wahrscheinlicher angesehen wurde, man hatte hier das Auswurfmaterial eines weit entfernten Meteoritenimpaktes vor sich. Nachdem die Messungen an mehreren Stellen an der Nordseite des Felsens durchgeführt worden waren, begann man am 10. Dezember 2009 mit der langsamen Umrundung von Marquette Island und untersuchte auch die bisher noch nicht gesichteten Bereiche des Felsblocks auf die gleiche Weise.
„Marquette Island unterscheidet sich in seiner Zusammensetzung eindeutig von jedem zuvor untersuchten Felsbrocken auf dem Mars oder von den vom Mars stammenden Meteoriten“, fasste Dr. Steve Squyres von der Cornell University, der Leiter des Wissenschaftler-Teams der beiden Marsrover, die Situation zwischenzeitlich zusammen. „Dies ist eines der interessantesten Objekte, welches Opportunity seit langer Zeit gefunden hat.“ Letztendlich stellte sich heraus, dass Marquette Island keinesfalls ein Meteorit ist, welcher im Laufe der vergangenen Millionen oder gar Milliarden Jahre auf der Oberfläche des Mars aufgeschlagen war.
Ein Indiz hierfür war der relativ geringe Anteil an Nickel, welcher für einen marsianischen Ursprung sprach. Die angefertigten Aufnahmen des Mikroskops zeigten zudem, dass sich der Felsen aus einem Verband aus grobkörnigen kristallinen Mineralien aufbaut. Die chemischen Analysen erbrachten des weiteren den Nachweis, dass es sich bei Marquette Island um einen mit Olivin angereicherten Basaltblock handelt. Bei Basaltgestein handelt es sich um magmatisches Gestein mit einer kristallinen Struktur, welches normalerweise im Verlauf von Vulkanausbrüchen an die Oberfläche eines Planeten befördert wird.
Allerdings verfügen Basalte, welche einem Strom fließender Lava entstammen, in der Regel nur über sehr feinkörnige Kristallstrukturen. Die bei Marquette Island beobachteten grobkörnigen Strukturen belegen dagegen, dass sich das Material nicht, wie bei Lava üblich, schlagartig an der Planetenoberfläche abkühlte, sondern dass es sich vielmehr um magmatisches Gestein mit einem sogenannten „plutonischen Ursprung“ handeln muss.
Dieses auch als Gabbro bezeichnete Gestein bildet sich auf der Erde in Folge der langsamen Abkühlung basaltischen Magmas in einer Tiefe von normalerweise mehr als fünf Kilometern unter der Oberfläche. Die sich dabei bildenden Anreicherungen an Tiefengestein werden auch als Plutone bezeichnet. Die normalerweise schwarzgraue Färbung des Gabbro entsteht durch den hohen Anteil dunkelfarbiger Minerale wie etwa Pyroxen und Olivin, welche die Hauptbestandteile dieses Materials bilden. Des weiteren setzt sich das Gabbro zudem aus den ebenfalls bei Marquette Island detektiereten Feldspaten zusammen.
Ein weiteres Indiz für den nichtvulkanischen Ursprung von Marquette Island stellt die Tatsache dar, dass sich dieser auch in seiner chemischen Zusammensetzung von anderen bisher untersuchten Marsbasalten unterscheidet. Im Gegensatz zu diesen verfügt er über einen erhöhten Anteil an Magnesium. Daher gehen die an der Untersuchung beteiligten Wissenschaftler davon aus, dass der Felsen sich einst tief unter der Marsoberfläche bildete. Anschließend wurde der Brocken durch einen gewaltigen Meteoriten-Impakt aus der Marskruste herausgerissen und anschließend auf die Oberfläche des Meridiani Planum geschleudert. „In welcher Tiefe und wie weit entfernt er ursprünglich entstanden ist, das können wir allerdings nicht sagen“, so Steve Squyres.
Trotzdem hatten die Wissenschaftler hiermit unverhofft eine bisher nie vorhandene Möglichkeit, Material aus dem Inneren der Marskruste zu untersuchen und waren dementsprechend begeistert. Für vergleichbare Analysen der chemischen und mineralogischen Zusammensetzung des Marsinneren müsste man normalerweise aufwendige, technisch extrem anspruchsvolle und vor allem auch teure Tiefenbohrungen auf dem Mars durchführen. Dies war dann auch der Grund dafür, dass sich die Untersuchung dieses Basaltblocks, welcher nur wenig größer als ein Basketball ist, über eine ungewöhnlich lange Zeitspanne hinweg zog.
Nach zwei Monaten wurden die Untersuchungen von Marquette Island schließlich am 12. Januar 2010, dem Sol 2122 der Mission, beendet und Opportunity begab sich wieder auf den Weg zum Endeavour-Krater. Zwei Tage später, am 14. Januar 2010, überquerte der Rover dabei die Marke von 19 auf der Oberfläche des Mars zurückgelegten Kilometern. Die eingeschlagene Richtung führt Opportunity auch weiterhin nach Süden. Als vorläufiges neues Ziel wurde der „Concepcion-Kater“ ausgewählt. Hierbei handelt es sich um einen flachen und lediglich etwa 10 Meter durchmessenden Impaktkrater, welcher im Vorfeld sowohl auf früheren Aufnahmen von Opportunity als auch auf Bildern der HiRISE-Kamera des NASA-Marsorbiters Mars Reconnaissance Orbiter identifiziert werden konnte. Die Wissenschaftler der NASA gehen davon aus, dass dieser kleine Krater lediglich etwa 1.000 Jahre alt sein kann. Sollte sich diese Vermutung bestätigen, so würde es sich hierbei um den mit weitem Abstand jüngsten Krater handeln, welcher jemals von einem Marsrover untersucht wurde.
Bereits aus einer Entfernung von jetzt etwa noch 50 Metern zeigt sich auf den Aufnahmen der verschiedenen Kameras des Rovers, dass dieser Krater von einer Vielzahl von Gesteinsbrocken umgeben ist. Neben den sowieso geplanten Panorama-Aufnahmen des Geländes stehen Opportunity hier also prinzipiell eine weitere Vielzahl an potentiellen Forschungsobjekten zur Verfügung. Nach dem Abschluss der Untersuchungen beim Concepcion-Krater, so die momentanen Planungen der für die Steuerung der Rover verantwortlichen Roverdriver, wird Opportunity sich anschließend auch weiterhin über eine Distanz von etwas über einem Kilometer in eine grob nach Süden zeigende Richtung bewegen.
Erst danach wird der Rover nach Osten umschwenken, ein leicht abschüssiges Gelände mit nur wenigen hinderliche Dünen passieren, anschließend nach Südosten fahren und direkt auf den nordwestlichen Rand des Endeavour-Kraters zusteuern. Hierbei soll ein größeres Tempo erreicht werden, als dies im zurückliegenden Jahr der Fall war. Trotzdem, so der Missionsleiter John Callas vom JPL, wird Opportunity auch weiterhin bei wissenschaftlich besonders interessanten Zielen kurze Zwischenstopps einlegen.
Der Marsrover Opportunity war ursprünglich dazu ausgelegt, die Oberfläche des Mars für einem Zeitraum von 90 Tagen zu erkunden. In diesem Zeitraum, so die NASA, sollte der Rover eine Distanz von etwa 600 Metern zurücklegen. Mittlerweile wurde diese Zeitspanne um das 24fache überschritten. Trotz diverser Anzeichen von durch „Altersschwäche“ bedingten Abnutzungserscheinungen, ein nicht mehr lenkbares rechtes Vorderrad, Probleme mit dem Antriebsaktuator dieses Rades und ein nicht mehr voll manövrierbarer Instrumentenarm sind nur einige Beispiele, befindet sich der Rover zusammenfassend betrachtet in einem voll funktionsfähigen Zustand.
Bis zum 20. Januar 2010, dem Sol 2130 seiner Mission auf dem Mars, legte Opportunity insgesamt 19.216,21 Meter auf dessen Oberfläche zurück. Mit der Auswertung der mittlerweile über 133.000 zur Erde übermittelten Fotos des Rovers werden die Wissenschaftler noch viele Jahre beschäftigt sein. Mittels der Internet-Seite Exploratorium kann auch die interessierte Öffentlichkeit nahezu zeitgleich mit einer Verzögerung von maximal nur wenigen Stunden an dieser Forschungstätigkeit teilnehmen.
Bis zum Erreichen des gegenwärtigen „großen Ziels“, des Randes des Endeavour-Kraters müssen noch weitere rund 11 Kilometer überwunden werden. Trotz des momentanen relativ guten Zustandes des Rovers kann niemand garantieren, dass dies auch wirklich gelingen wird. Aber selbst wenn Opportunity im Laufe der nächsten Wochen oder Monate unvermittelt ausfallen sollte, so müssen wir uns doch vor Augen halten, dass dieser Rover, genauso wie sein ebenfalls immer noch aktiver „Zwillingsbruder“ Spirit auf der anderen Seite des Mars, sämtliche in ihn gesteckten Hoffnungen und Erwartungen um ein Vielfaches übertroffen hat. Die bei dieser Mission bisher erlangten wissenschaftlichen und technischen Erkenntnisse werden die zukünftige Entwicklung der Marsforschung und darüber hinaus die Erkundung unseres Sonnensystems und des Weltraums noch lange beeinflussen.
Happy Birthday, Opportunity!
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