OHB System AG liefert erste optische Flughardware aus. Eine Pressemitteilung der OHB SE Bremen.
Quelle: OHB SE Bremen.
Die OHB System AG, eine Tochtergesellschaft des börsennotierten Hochtechnologiekonzerns OHB SE, lieferte gestern am 4. November 2019 Flughardware für die optische Nutzlast des ersten MTG-Wettersatelliten (Meteosat Third Generation) aus, der im Jahr 2021 in den Weltraum starten soll.
Flughardware en route nach Cannes zu Thales Alenia Space
OHB hat die Arbeiten an der Telescope Assembly (TA) für den ersten MTG-Wettersatelliten des Typs „Imager“ erfolgreich abgeschlossen. Vier MTG-Satelliten werden mit einem „Flexible Combined Imager“ (FCI) genannten Instrument ausgerüstet. Bei der von OHB verantworteten Telescope Assembly handelt es sich, vereinfacht gesagt, um ein komplexes Spiegelsystem. Sicher im klimatisierten und hochreinen Transportcontainer untergebracht, verließ das Spiegelsystem gestern das Gelände des OHB-Raumfahrtzentrums für „Optik und Wissenschaft“ im bayerischen Oberpfaffenhofen bei München.
Die Telescope Assembly wird zu Thales Alenia Space ins französische Cannes geliefert. Dort wird sie mit weiteren Elementen (etwa lichtempfindlichen Detektoren, Elektronik und dem benötigten Kühlsystem) zum Gesamtinstrument FCI aufgebaut. In einer umfassenden Testkampagne muss dann nachgewiesen werden, dass das Instrument den Belastungen beim Start und während des Transports in den Weltraum sowie den dort herrschenden extremen Bedingungen Stand halten kann.
Die erreichte Genauigkeit der Spiegelanordnung und die Güte der eigens angefertigten Spiegel haben, wie in Tests nachgewiesen werden konnte, die geforderten Werte übertroffen. Dies ist eine wesentliche Voraussetzung, dass das Gesamtinstrument FCI die geforderte Leistungsfähigkeit erreichen kann.
Die dazugehörige Satellitenplattform: ausgeliefert und bereit für die Tests
Im April 2019 traf die ebenfalls von OHB entwickelte und gefertigte Satellitenplattform für diesen ersten MTG-Satelliten planmäßig in Cannes ein. Die Plattform wurde gezielt für die hohen Anforderungen der optischen GEO-Satelliten in der Erdbeobachtung entwickelt und wird bei allen sechs Satelliten verwendet. Das FCI Instrument soll ab Sommer 2020 auf der Plattform integriert werden. Dieser erste der sechs MTG-Satelliten soll im Jahr 2021 gestartet werden.
So trägt OHB zu MTG bei
Mit dem Programm Meteosat Third Generation (MTG), das zu den komplexesten Entwicklungsprogrammen von Satelliten in Europa zählt, wird die dritte Generation der europäischen Wettersatelliten für EUMETSAT (Exploitation of Meteorological Satellites) entwickelt und realisiert.
Die sechs geostationären Satelliten sind für numerische Wetterprognosen und kurzfristige Vorhersagen ausgelegt. Vier MTG-Imager Satelliten wurden für die abbildende Mission ausgelegt und zwei MTG-Sounder Satelliten für die sondierende Mission. Das MTG-Programm wird als gemeinsames Projekt zwischen EUMETSAT und der europäischen Weltraumbehörde ESA durchgeführt.
„Die OHB System AG ist mit der Verantwortung für alle sechs Satellitenplattformen, zwei kompletten optischen Nutzlasten „Infrared Sounding“ (IRS) und den vier Einheiten der Telescope Assembly für FCI maßgeblich am MTG-Programm beteiligt“, erläutert Dr. Rüdiger Schönfeld, Programmleiter MTG bei der OHB System AG. Die Arbeitsanteile werden im Unterauftrag zu Thales Alenia Space (TAS), dem industriellen Hauptauftragnehmer für das MTG-Weltraumsegment, realisiert.
FCI – Ein deutsch-französisches Instrument
„Wir haben beim abbildenden FCI-Instrument sehr gut mit unserem Partner Thales Alenia Space zusammengearbeitet. Uns hat das Ziel geeint, die Komponenten dieses hochgenauen Instruments optimal zu entwickeln und zu fertigen. Ich bin stolz auf unser Team am OHB-Raumfahrtzentrum „Optik & Wissenschaft“ in Oberpfaffenhofen. Es hat hervorragende Arbeit geleistet und einige Herausforderungen gemeistert. Wir haben uns einmal mehr am Rande des technisch Machbaren bewegt“, erklärt Rüdiger Schönfeld. OHB konnte auch bei diesem Projekt weitere Expertise bei optischen Systemen für den Einsatz im Weltraum aufbauen. So musste etwa für die genaue Justage des Spiegelsystems (in der Raumfahrt Alignment genannt) ein völlig neues Konzept erarbeitet und für die Fertigung in der Raumfahrt entsprechend qualifiziert werden. „Diese wertvollen Erkenntnisse nutzen wir natürlich bei der Realisierung der drei weiteren Telescope Assemblies für MTG, bringen sie aber auch bei anderen optischen Nutzlasten ein“, ergänzt Schönfeld.
Das abbildende Instrument FCI hat beeindruckende Maße: 156 cm x 156 cm x 206 cm. Ebenso beindruckend ist die erwartete Genauigkeit: Aus 36.000 km Höhe kann FCI eine Auflösung von bis zu 0,5 km erreichen – doppelt so hoch wie bei den aktuellen Meteosat-Satelliten. Auch bezüglich zeitlicher und spektraler Auflösung bringt FCI Verbesserungen: Daten von Europa und Afrika werden alle zehn Minuten auf 16 spektralen Kanälen verfügbar sein. Beschränkt man sich etwa auf Europa und weniger Kanäle, beträgt die Wiederholrate sogar nur zweieinhalb Minuten.
Was wird besser?
Einfluss auf unser Wetter haben die MTG-Satelliten leider nicht. Aber sie tragen dazu bei, die Zuverlässigkeit der Wettervorhersage zu erhöhen und die mittel- bis langfristige Wetterprognose zu verbessern. Möglich machen dies die von MTG kontinuierlich gelieferten hochauflösenden Beobachtungs- und geophysikalischen Parameter des Erdsystems. Dafür messen die Sensoren der Satelliten beispielsweise die von der Erde emittierte und reflektierte Strahlung oder scannen den Wasserdampf in der Atmosphäre.
Programleiter Rüdiger Schönfeld geht von „einem großen Quantensprung in der Wettervorhersage“ aus, denn im Vergleich zum aktuellen System (Meteosat Second Generation, MSG) wird MTG leistungsfähiger sein. Dazu trägt wesentlich das neue von OHB entwickelte Sounder Instrument bei: „Wir können uns nicht nur auf eine verbesserte Genauigkeit und mehr Verlässlichkeit bei der Wettervorhersage freuen, mit MTG kann der Zeitraum der Prognosen auch verlängert werden. Mit dieser dritten Satelliten-Generation können die Daten in ungleich höherer Qualität generiert werden. Hinzu kommt, dass es mit den Sounder-Satelliten erstmals möglich sein wird, solche Daten aus einem geostationären Orbit zu erlangen.“
Die verbesserte Imager-Mission und die Einführung der neuartigen Sounder- sowie einer Lightning-Mission werden bestehende Dienste, darunter auch Such- und Rettungsdienste, weiter verbessern. Konkret heißt das, dass neben der numerischen Wettervorhersage auch die Wetterüberwachung und das Nowcasting dank der zu erwartenden höher aufgelösten Bilder der sechs MTG Satelliten profitieren werden. Die Daten werden auch in kürzeren Intervallen bereitgestellt und machen es daher möglich, Gewitterwolken und kleinräumige Nebelgebiete leichter zu identifizieren. Auch bei klimatologischen und ozeanographischen Anwendungen sowie bei der Überwachung der Luftqualität wird MTG neue Erkenntnisse liefern.
Aufbau der Satellitenflotte MTG
Bei OHB in Bremen und Oberpfaffen ist in verschiedenen Reinräumen die Fertigung der anderen fünf MTG-Satelliten voll im Gange. In Bremen ist die erste Sounder-Plattform so weit voran geschritten, dass die Tests gute Fortschritte machen und im nächsten Jahr abgeschlossen werden. Dann wartet die erste Sounder-Platform auf die „Heirat“ mit dem ersten Sounder Instrument. Nach einem umfangreichen Testprogramm wird der erste Sounder-Satellit dann von Bremen aus über Kourou seine Reise in den Weltraum im Jahr 2023 antreten. Drei der vier weiteren Plattformen befinden sich derzeit in unterschiedlichen Fertigungsstadien.
Instrumentenseitig wird in Oberpfaffenhofen zunächst das zweite Flugmodel für das Imager-Instrument vollendet, bevor dann die komplette von OHB verantwortete Sounder-Nutzlast realisiert wird.
Weitere Details zum MTG-Programm finden Sie in unserer MTG-Broschüre.
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