Nach monatelangen Diskussionen und Spekulationen über den weiteren Kurs der bemannten Raumfahrt in den USA zeichnet sich nun mit der Veröffentlichung des NASA-Budgets für das Haushaltsjahr 2011 eine neue Richtung ab. Das bisherige Constellation-Programm zur bemannten Erforschung des Mondes ist damit Geschichte.
Ein Beitrag von Timo Lange. Quelle: nasa.gov, whitehouse.gov.
Nach dem tödlichen Unglück des Space Shuttle Columbia im Jahr 2003 war klar, dass die bemannte Raumfahrt in den USA einen fundamentalen Wandel erleben würde. Die damalige Bush-Administration beschloss daraufhin, das Shuttle noch bis zum Ende des Jahrzehnts fliegen zu lassen, um den Aufbau der Internationalen Raumstation (ISS) beenden zu können. Eine neue Zielsetzung erhielt die NASA für die Post-Shuttle-Ära im Jahr 2005 durch die sogenannte Vision for Space Exploration (VSE), die die Entwicklung zweier neuer Trägerraketen – der bemannten Ares I und der Schwerlastrakete Ares V – mit dem Zweck der bemannten Rückkehr zum Mond und ultimativ dem Flug zum Mars, vorsah.
Wie bei großen Projekten in der Raumfahrt nicht unüblich, dehnte sich der ursprüngliche Zeitplan erheblich, während die Kosten unaufhaltsam zu steigen schienen. Schon früh in der Entwicklung wurde immer mehr Kritik laut, insbesondere am Design und den Fähigkeiten der relativ leistungsschwachen Ares I, welche mit der ebenfalls neu zu entwickelnden Kapsel Orion die Astronauten starten sollte, und an den immensen projektierten Kosten des Schwerlastträgers Ares V.
Nach dem Wahlsieg Barack Obamas Ende letzten Jahres wurde es zunehmend wahrscheinlicher, dass das Constellation Program nicht in der bisherigen Form weitergeführt oder sogar ganz gestrichen werden würde. Nachdem sich jedoch bereits die Ernennung des neuen NASA-Administrators nach der Amtsniederlegung des bisherigen Administrators Michael Griffin erheblich verzögerte, wurde die Hoffnung auf eine rasche, richtungweisende Entscheidung des neuen Präsidenten nicht bestätigt. Da über den weiteren Kurs der NASA auch nach dem Antritt des neuen NASA-Administrators, dem Ex-Astronauten und General Charles Bolden, weiterhin Unklarheit herrschte, wurde im Sommer 2009 die sogenannte Augustine-Kommission eingesetzt, welche den Auftrag bekam, mehrere Optionen für die Zukunft der bemannten Raumfahrt herauszuarbeiten, jedoch keine explizite Empfehlung abzugeben.
Die Augustine-Kommission
Das zentrale Ergebnis dieser Untersuchung war, dass mit dem bisherigen Budget der NASA kein Mondflug und allgemein kein Verlassen des niedrigen Erdorbits (LEO) in absehbarer Zeit möglich sein würde – die Ziele der Vision for Space Exploration konnten folglich nicht erreicht werden. Jedoch erhielt eine der vorgeschlagenen Optionen des Kommissionsberichts, der sogenannte Flexible Path besonders viel mediale Aufmerksamtkeit. Diese Option brach mit dem bisherigen Paradigma der bemannten Landung auf anderen Hauptkörpern des Sonnensystems, wie Mond oder Mars, und sah stattdessen den Flug zu verschiedenen Zielen wie etwa erdnahen Asteroiden außerhalb der großen Schwerkraftsenken des Sonnensystems vor. Zudem wurden immer mehr Stimmen laut, die der NASA ausschließlich die Durchführung bemannter Flüge außerhalb eines Erdorbits verantworten wollten, während der Transport in den niedrigen Erdorbit durch bisher nicht einsatzbereite kommerzielle Anbieter stattfinden sollte.
Ende von Constellation wahrscheinlich
Nach der heutigen Veröffentlichung des Budgets der NASA für das Fiskaljahr 2011 scheint nun zumindest die Kommerzialisierung der bemannten Raumfahrt beschlossene Sache zu sein. Der US-amerikanische Transport von Astronauten in den LEO soll demnach in Zukunft von Raumfahrtunternehmen übernommen werden. Hierfür sollen im nächsten Fiskaljahr 500 Mio. US-Dollar ausgegeben werden.
Weiterhin wurden Gelder bereitgestellt, um die ISS zumindest bis zum Jahr 2020 betreiben zu können, was weithin erwartet und insbesondere von den internationalen Partnern der NASA explizit gefordert wurde. Für darauf bezogene Aktivitäten wurden für das nächte Fiskaljahr zunächst 183 Mio. US-Dollar bereitgestellt. Die Installation eines Zentrifugenmoduls zur Erforschung der Wirkung verschiedener Schwerkraftumgebungen auf den menschlichen Körper sowie der Einsatz neuer aufblasbarer Stationsmodule sind dabei laut Weißem Haus während der verlängerten Einsatzdauer der ISS geplant.
Pläne für über den Erdorbit hinausreichende Aktivitäten und die damit zusammenhängende Entwicklung eines Schwerlastträgers wurden trotz einer Budgeterhöhung von insgesamt 6 Mrd. US-Dollar über die nächsten 5 Jahre allerdings zunächst auf Eis gelegt. Es wird nach dem Budgetvorschlag Obamas weder die beiden Ares-Raketen geben, selbst die bisher unumstrittene Entwicklung der Orionkapsel soll demnach eingestellt werden. Lediglich in die Entwicklung neuer Technologien für ein künftiges bemanntes Transportsystem wird investiert. Darüber hinaus sollen im Rahmen eines umfassenden Technologieprogramms verschiedene Schlüsseltechnologien wie automatisierte und autonome Dockingsysteme, geschlossene Lebenserhaltungssysteme, orbitale Treibstoffdepots und neue Antriebssysteme entwickelt und getestet werden. Details bleiben bis zu diesem Zeitpunkt allerdings unbekannt, auch wenn Charles Bolden in seiner die Budgetveröffentlichung begleitenden Rede blumige, zukünftige Reisezeiten zum Mars „im Bereich von Wochen“ verspricht, was die Entwicklung radikal neuer Konzepte der Energieversorgung und des Antriebs im Weltraum voraussetzen würde. Für diese Aktivitäten sind zunächst 1,2 Mrd. US-Dollar vorgesehen. Daneben wird es ein weiteres, 369 Mio. Dollar umfassendes, NASA-weites Technologieentwicklungsprogramm geben.
Weitere Ausgabenpunkte umfassen unter anderem 3,2 Mrd. Dollar für allgemeine Wissenschafts- und Forschungsaufgaben sowie eine Reihe von Weltraumteleskopen und Forschungssonden, darunter den Nachfolger des bekannten Hubble-Weltraumteleskops, das James Webb Space Telescope, sowie für unbemannte Missionen zu Mond und Mars. 150 Mio. Dollar sollen für die Entwicklung neuer Erdbeobachtungsaufgaben ausgegeben werden, wobei weitere 170 Mio. Dollar für den Ersatz des im letzten Jahr beim Start abgestürzten Satelliten zur Untersuchung von Treibhausgasen in der Erdatmosphäre, des Orbital Carbon Observatory (OCO), eingeplant sind.
Eine wesentliche Verlängerung des Space-Shuttle-Programms wird es entgegen den Erwartungen vieler Beobachter nicht geben. Für die letzten fünf Flüge werden insgesamt 600 Mio. Dollar bereitgestellt, um, wie das Weiße Haus in einer Pressemitteilung formuliert, „die sichere und ordentliche Außerdienststellung des Space-Shuttle-Programms sicherzustellen, auch wenn sich diese bis in das Fiskaljahr 2011 verzögern sollte.“
Das Gesamtbudget der NASA soll demnach 19 Mrd. US-Dollar für das Fiskaljahr 2011 betragen, was einer Erhöhung um 700 Millionen gegenüber 2010 entspricht. Das Budget muss allerdings noch von beiden Kammern des Kongresses abgesegnet werden, wo sich jedoch bereits vor der Budgetveröffentlichung Widerstand abzeichnete. Der endgültige Ausgang der politischen Auseinandersetzung um die Zukunft der bemannten Raumfahrt in den USA ist folglich weiterhin offen.
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