Dieses Teleskop soll die ehrenhafte Nachfolge des Hubble Teleskops antreten.
Autor: Karl Urban. Vertont von Dominik Mayer.
Das Hubble Space Telescope (HST) wurde nach jahrzehntelanger Planung 1990 ins All geschossen. Nach einigen Schwierigkeiten erreichte es schließlich nach einer Reparaturmission 1993 seine volle Leistungsfähigkeit. Seitdem revolutionierte das HST unser Verständnis für das Universum. Es lieferte gestochen scharfe Bilder von den Planeten unseres Sonnensystems, Sternen, Nebeln, Galaxien und noch exoterischeren Objekten wie Quasaren. Grund für die außergewöhnlichen Bilder des Weltraumteleskops ist der fehlende Einfluss der Erdatmosphäre bei der Beobachtung: Jedes erdgebundene Teleskop wird in seiner Leistungsfähigkeit durch Luftbewegungen eingeschränkt. Das HST hat solche Probleme nicht und somit sind auch die erstaunlichen Ergebnisse begreiflich.
Allerdings entwickelt sich die Technik ständig weiter. Vor einigen Monaten meldete die europäischen Südsternwarte vom Very Large Telescope (VLT) in Chile, dem größten Teleskop der Erde, dass dieses mit einer neuartigen Technik die atmosphärischen Einflüsse nahezu von den astronomischen Aufnahmen entfernen konnte. Somit hatte das VLT als erstes erdgebundenes Teleskop das HST übertroffen.
Ursprünglich für zehn Jahre Betrieb ausgelegt, dürfte Hubble wohl noch bis zum Ende dieses Jahrzehnts vom Space Shuttle gewartet werden und somit zuverlässig weiterarbeiten. Jedoch zeigen die Ergebnisse des VLT, dass der teure Betrieb des HST keinesfalls mehr durch den Vorteil der nicht den störenden atmosphärischen Einflüsse gerechtfertigt ist. Denn immerhin kostet jede Space Shuttle-Servicemission, die etwa alle zwei Jahre stattfindet, über 500 Millionen Dollar. Für 2007 plant die NASA die letzte Mission zum HST. Doch wie geht es danach weiter?
Eines der größten Probleme beim Bau und Start von Weltraumteleskopen ist der Spiegel. Sein Durchmesser entscheidet letztlich über die maximale Auflösung des Teleskops. Das europäische VLT in Chile besteht aus vier Spiegeln mit je über acht Metern Durchmesser. Allerdings ist der Durchmesser bei Weltraumteleskopen durch den der Trägerraketen-Nutzlastspitze begrenzt. Somit wären heute maximal drei Meter startbar.
Die NASA schrieb, um einen Nachfolger des HST zu bestimmen, einen Wettbewerb aus, in dem sie nach einem möglichst leistungsstarken System suchte. Dabei hielten die Teilnehmer des Wettbewerbs auch Lösungen wie faltbare Spiegel für möglich, die die Beschränkung durch den Durchmesser der Nutzlastspitze der Trägerrakete aufheben würde. Jedoch stellt sich diese Idee mit heutiger Technologie als sehr schwer durchführbar dar.
Fakt ist, die NASA plant den Bau eines Weltraumteleskops der nächsten Generation, dem Next Generation Space Telescope (NGST). Erst am 10. September 2002 entschied die Raumfahrtbehörde, dass das Unternehmen TRW aus Redondo Beach, Kalifornien das NGST bauen soll. Auch der Name wurde bereits festgelegt: Es soll nach James Webb, dem NASA-Administrator während des Apollo-Programms benannt werden.
Offiziell lässt die NASA verlauten:
„Das James Webb-Weltraumteleskop soll 2010 an Bord eines nicht wiederverwendbaren Raumfahrzeugs starten. Es wird etwa drei Monate zu seiner Zielposition, einer Umlaufbahn in 1,5 Millionen Kilometern Höhe, benötigen. Dieser Orbit ist auch als Lagrange-Punkt oder L2 bekannt, an dem sich die Anziehungskraft von Erde und Sonne ausgleichen.
Anders als bei Hubble, kann das James Webb Space Telescope nicht von Astronauten gewartet werden, da es zu weit entfernt ist.“
Der wichtigste Vorteil des L2-Punktes ist, dass das Teleskop nur einseitig mit einem Hitzeschild vor der Sonneneinstrahlung geschützt werden muss. Dadurch kann es besser gekühlt werden und dies ohne den Einsatz von komplizierten Kühlungssystemen. Geringe Temperaturen sind vonnöten, um die Eigenwärme-Abstrahlung des NGST von der sehr viel geringeren der astronomischen Objekte zu trennen.
Nach dem Projektentwurf der Firma TRW soll der Spiegel während des Starts tatsächlich gefaltet sein. Erst wenn das Raumfahrzeug seinen Orbit erreicht hat, soll er nach einem Signal der Bodenstation entfaltet werden. Das NGST soll mehrere hochsensible Instrumente zum Messen infraroter Strahlung tragen.
Den Zuwachs von Leistung gegenüber Hubble begründet die NASA durch die Vergrößerung des Spiegels und einer damit verbundenen verbesserten Fähigkeit, Licht zu sammeln. Mit mindestens sechs Meter Durchmesser ist das NGST tatsächlich leistungsfähiger als das HST mit nur einem 2,40 Meter-Spiegel. Außerdem seien die hochsensiblen Geräte für infrarote Strahlung ausschlaggebend.
Der Projektentwurf für das NGST macht einen hochinnovativen Eindruck und scheint zudem tatsächlich viele Vorteile gegenüber dem Hubble-Teleskop zu haben. Allerdings ist ein Sechs-Meter-Spiegel immer noch dem schon heute arbeitenden VLT in Chile unterlegen. Zudem birgt die innovative Technologie eines auffaltbaren Spiegels auch Gefahren: Was passiert, wenn sich mangels Erfahrung der Spiegel nach dem Erreichen der Umlaufbahn nicht auffalten lässt? Ähnliche Fehler wie beim HST kann sich die NASA nicht erlauben, da keine Service-Mission zum NGST in 1,5 Millionen Kilometern Höhe möglich ist.
Zu guter letzt spricht auch die Erfahrung der vergangenen Jahre gegen den momentanen Entwurf des NGST: Jede neue Technologie birgt zum einen das Risiko eines Fehlschlags und zum anderen das einer Kostenüberschreitung. Dies zeigt sich beim Beispiel ISS und beim Nachfolger des Space Shuttles.
Es bleibt, der NASA zu wünschen, dass das NGST wie geplant gestartet wird und arbeitet. Ein Fehlschlag jedenfalls, der die Verschwendung von Hunderten Millionen Dollar bedeuten würde, könnte für die Popularität der NASA und der Raumfahrt einen großen Schaden bedeuten.
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