Cheops entdeckt einzigartiges Planetensystem

ESA-Weltraumteleskop Cheops entdeckt einzigartiges Planetensystem. Eine Pressemitteilung der Europäischen Raumfahrtagentur (European Space Agency, ESA).

Quelle: ESA.

25. Januar 2021 – Die ESA-Exoplaneten-Mission Cheops hat ein einzigartiges Planetensystem mit der Bezeichnung TOI-178 entdeckt. Dieses besteht aus sechs Exoplaneten, von denen sich fünf in einem seltenen rhythmischen Tanz um ihr Zentralgestirn bewegen. Die Größe und Masse dieser Planeten folgt allerdings keinem derart geordneten Muster. Dieser Fund stellt die derzeitigen Theorien zur Planetenentstehung infrage.

TOI-178 (Quelle: www.forschung-und-wissen.de)

Die zunehmende Entdeckung von Planetensystemen, die sich von unserem Sonnensystem stark unterscheiden, verbessert unser Verständnis über die Planetenentstehung und -entwicklung fortwährend. Das Planetensystem TOI-178, das gut 200 Lichtjahre entfernt im Sternbild des Bildhauers liegt, dient hierfür als eindrucksvolles Beispiel.

Nach Beobachtungen des Planetensystems mit dem NASA-Weltraumteleskop TESS, kurz für Transiting Exoplanet Survey Satellite, gingen Astronominnen und Astronomen bereits davon aus, dass sie dort zwei oder mehr Exoplaneten finden würden. Neue, hochpräzise Daten des 2019 ins All gestarteten ESA-Weltraumteleskops Cheops,kurz für Characterising Exoplanet Satellite, zeigen nun, dass TOI-178 mindestens sechs Planeten umfasst und dass dieses ferne Sonnensystem außergewöhnlich aufgebaut ist. Das Team um Adrien Leleu von der Universität Genf und der Universität Bern hat seine Ergebnisse heute in der Fachzeitschrift Astronomy & Astrophysics veröffentlicht.

Eine der Besonderheiten des TOI-178-Systems, die die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit Cheops aufdecken konnten, ist, dass die Planeten – mit Ausnahme desjenigen, der dem Stern am nächsten ist – einem rhythmischen Tanz folgen, während sie sich auf ihren Bahnen bewegen. Dieses Phänomen wird als Bahnresonanz bezeichnet: Die Planeten folgen in ihrem Weg um den Stern herum sich stetig wiederholenden Mustern, und alle paar Orbits ordnen sie sich in einer Linie an.

Eine ähnliche Bahnresonanz wurde bei den drei Jupitermonden Io, Europa und Ganymed beobachtet. In der Zeit, in der Ganymed einen Orbit schafft, durchläuft Europa zwei Orbits und Io vier, deshalb ist hier von einem 4:2:1-Muster die Rede.

Im System TOI-178 ist die Resonanzbewegung weitaus komplexer, da fünf Planeten involviert sind. Diese folgen einem 18:9:6:4:3-Muster: Während der zweite Planet vom Stern aus betrachtet 18 Orbits durchläuft, absolviert der dritte Planet, der zweite im Muster, neun Orbits und so weiter.

Infografik des Planetensystems TOI-178.
(Bild: ESA/Cheops Mission Consortium/A. Leleu et al.)

Anfangs fanden die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nur vier Planeten in der Bahnresonanz. Als sie jedoch dem Muster folgten, berechneten sie, dass das System noch einen weiteren Planeten umfassen müsste -der vierte im Muster und damit der fünfte Planet vom Stern aus gesehen.

„Wir prognostizierten seine Bahn sehr genau, indem wir annahmen, dass er sich in Resonanz mit den anderen Planeten bewegte“, erklärt Leleu. Eine zusätzliche Beobachtung mit Cheops bestätigte, dass sich der vermutete Planet tatsächlich im prognostizierten Orbit bewegte.“

Nachdem sie diese seltenen orbitalen Anordnungen entdeckt hatten, wollten die Wissenschaftler herausfinden, ob die Dichte der Planeten,also ihre Größe und Masse, einem ebenso geordneten Muster folgt. Für diese Untersuchungen kombinierten Leleu und sein Team Cheops-Daten mit denen aus Beobachtungen von bodenbasierten Teleskopen der Europäischen Südsternwarte im Paranal-Observatorium in Chile.

Doch während die Planeten im TOI-178-System ihren Stern in einer sehr geordneten Weise umkreisen, geht es bei ihren Dichten chaotischer zu.

Einer der Exoplaneten ähnelt von der Dichte der Erde, während sein Nachbar von ähnlicher Größe eine viel geringere Dichte aufweist und damit an einen Mini-Jupiter erinnert. Der nächste Nachbar weist ähnliche Eigenschaften wie der Neptun auf.

„Das hatten wir nicht erwartet“, sagt Leleu. „Solch einen Aufbau beobachten wir zum ersten Mal in einem Planetensystem. Uns sind wenige Systeme bekannt, in denen die Planeten in so einer rhythmischen Resonanz unterwegs sind, doch bei denen nimmt die Dichte der Planeten allmählich ab, je weiter sie vom Stern entfernt sind. Der Theorie nach hätten wir also genau das erwartet.“

Normalerweise könnten katastrophale Ereignisse wie Rieseneinschläge große Schwankungen in der Planetendichte erklären, aber das TOI-178-System wäre dann nicht auf diese Weise geordnet.

„Die Bahnen in diesem System sind sehr gut geordnet, was uns sagt, dass sich dieses System seit seiner Geburt recht sanft entwickelt hat“, erklärt Co-Autor Yann Alibert von der Universität Bern.

Die Aufdeckung der komplexen Architektur des TOI-178-Systems, die aktuelle Theorien zur Planetenentstehung in Frage stellt, wurde dank der fast 12-tägigen Beobachtungen mit Cheops möglich. (elf Tage durchgehende Beobachtung sowie zwei kürzere Beobachtungen).

„Die Lösung dieses aufregenden Rätsels erforderte einiges an Planungsaufwand, insbesondere die Planung der 11-tägigen Dauerbeobachtung, die notwendig war, um die Signaturen der verschiedenen Planeten einzufangen“, sagt Kate Isaak, Cheops-Projektwissenschaftlerin bei der ESA. „Diese Studie hebt wunderbar hervor, was ein potenzieller Cheops-Nachfolger leisten könnte – nämlich nicht nur bereits bekannte Planeten besser zu charakterisieren, sondern auch neue aufzuspüren und zu bestätigen.“

Leleu und sein Team wollen Cheops weiter nutzen, um das TOI-System noch eingehender zu untersuchen.

„Wir könnten mehr Planeten in der habitablen Zone entdecken – wo sich flüssiges Wasser auf der Planetenoberfläche befinden könnte –, die jenseits der Orbits der Planeten, die wir bisher entdeckt haben, anfängt“, so Leleu weiter. „Außerdem möchten wir herausfinden, was mit dem innersten Planeten, der sich nicht in Resonanz mit den anderen befindet, geschehen ist. Wir vermuten, dass er wegen Gezeitenkräften aus dieser Resonanz herausgefallen ist.“

Astronomen werden Cheops nutzen, um Hunderte bekannter Exoplaneten, die um helle Sterne kreisen, zu untersuchen.

„Cheops wird nicht nur unser Wissen über die Entstehung von Exoplaneten verbessern, sondern auch über die Entstehung unseres Planeten und des Sonnensystems“, fügt Isaak hinzu.

Publikation:
„Six transiting planets and a chain of Laplace resonances in TOI-178“ von A. Leleu et al. erscheint in Astronomy & Astrophysics. DOI: 10.1051/0004-6361/202039767

Mehr über Cheops:
Cheops ist eine in Partnerschaft mit der Schweiz entwickelte ESA-Mission, mit einem von der Universität Bern geführten Konsortium und wichtigen Beiträgen aus Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Ungarn, Italien, Portugal, Schweden und Großbritannien.

Die ESA ist die Architektin der Cheops-Mission und zeichnet verantwortlich für die Beschaffung und das Testen des Satelliten, den Start und die frühe Operationsphase, die Inbetriebnahme im Orbit sowie das Gastbeobachterprogramm, über das sich Wissenschaftler weltweit für Beobachtungen mit Cheops bewerben können. Das von der Schweiz geführte Konsortium aus elf ESA-Mitgliedsstaaten hat wesentliche Elemente der Mission zur Verfügung gestellt. Der Hauptauftragnehmer für die Entwicklung und den Bau des Raumfahrzeuges ist Airbus Defence and Space in Madrid, Spanien.

Das Cheops-Missionskonsortium betreibt das Missionsoperationszentrum am INTA in Torrejón de Ardoz bei Madrid, Spanien, und das Wissenschaftsoperationszentrum an der Universität Genf, Schweiz.

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