Gamma 400: Auf der Jagd nach der Dunklen Materie

Derzeit entwickeln Russland, die Ukraine und Italien gemeinsam das Projekt Gamma 400. Dieses Weltraumteleskop soll Ende des Jahrzehnts starten und wird die Nachfolge aktueller Gammateleskope wie Fermi oder AGILE antreten, die dann ihr Lebensende erreicht haben werden. Kürzlich wurde das aktuelle Design vorgestellt.

Ein Beitrag von Stefan Heykes. Quelle: LPI. Vertont von Peter Rittinger.

LPI
Künstlerische Darstellung von Gamma 400
(Bild: LPI)

Gammastrahlung ist die höchstenergetische elektromagnetische Strahlung überhaupt. Im Allgemeinen wird sie im Wesentlichen von der Atmosphäre der Erde aufgehalten, so dass sie von der Erde aus kaum direkt zu beobachten ist. Für die Erforschung dieser Strahlung ist man also auf den Einsatz von Weltraumteleskopen angewiesen. Die ersten astronomischen Beobachtungen in diesem Bereich geschahen eher aus Zufall – militärische Satelliten wurden gebaut, um Gammastrahlen aufspüren, die bei Atomwaffentests entsteht. Später wurden dann die ersten speziellen Gammateleskope gebaut.

Aktuell sind mit dem italienischen AGILE und dem amerikanischen Fermi zwei allgemein einsetzbare Gammateleskope im All. Zudem gibt es mit Swift einen Satelliten, der speziell auf die Untersuchung von Gamma-Blitzen ausgelegt ist. Diese sogenannten GRB (Gamma Ray Bursts) entstehen vermutlich vor allem bei Supernova-Explosionen und sind ein sehr gut geeignetes Mittel, um Supernovae oder sonstige extrem hochenergetische Vorgänge aufzuspüren. Diesen Satelliten gemeinsam ist jedoch, dass sie in einigen Jahren das Ende ihrer Lebensdauer erreicht haben werden – es wird also Zeit, einen Nachfolger zu entwickeln.

Dieser könnte Gamma 400 werden. Unter Führung des Physikalischen Lebedew-Instituts der Russischen Akademie der Wissenschaften wird an diesem neuen Satelliten gearbeitet, der im Grundentwurf stark dem Fermi-Satelliten gleicht. Im Vergleich zu den bisher eingesetzten Teleskopen wird sich dieses durch eine bisher unerreichte Präzision sowie einen großen Energiebereich auszeichnen. Gammastrahlung kann aufgrund ihrer Eigenschaften nicht durch klassische Optiken umgelenkt werden – stattdessen muss man darauf hoffen, dass einzelne Gamma-Photonen mit dem Material reagieren. Wenn dies geschieht, kann man mit einem aus vielen Detektorlagen bestehenden Aufbau bestimmen, welche Energie das Photon besitzt und aus welcher Richtung es kommt.

Das abbildende Kalorimeter – das Hauptinstrument von Gamma 400 – kann ein Fünftel des gesamten Himmels auf einmal beobachten. Um die Richtung zu bestimmen, werden Detektorstreifen aus Silizium verwendet. Für die Messung der Energie sollen drei Detektormaterialien verwendet werden: Silizium, Bismutgermanat sowie Cäsiumiodid. Dieser Aufbau erlaubt es, Gammastrahlung im Bereich von 0,1 bis 3.000 Gigaelektronenvolt zu messen (zum Vergleich Fermi: 0,1 bis 300), die Genauigkeit der Energiemessung soll bei etwa 1% liegen (Fermi: 10%). Die Richtung, aus der die Strahlung kommt, soll von Gamma 400 auf 0,01° exakt bestimmt werden, was einen absoluten Bestwert für ein Gammateleskop darstellen wird (Fermi: 0,1°). Zudem wird Gamma 400 als erstes Gammateleskop nebenbei auch noch hochenergetische Teilchenstrahlung erfassen können, und damit auch im Bereich von Instrumenten wie dem AMS auf der Internationalen Raumstation arbeiten.

Insgesamt soll Gamma 400 eine Masse von 2.600 kg besitzen und eine Leistungsaufnahme von 2.000 W aufweisen. Pro Tag soll der Satellit eine Datenmenge von 100 Gigabyte (Fermi: 20 GB) produzieren, die von Wissenschaftlern auf der Erde ausgewertet werden müssen. Während der Mission soll sich Gamma 400 in einer Erdumlaufbahn in rund 100.000 km Entfernung befinden und damit weit außerhalb des irdischen Strahlungsgürtels. Wie bei weiteren russischen Weltraumteleskopen (als erstes davon befindet sich Spektr-R/RadioAstron bereits im Einsatz) auch soll dieser Satellit auf Basis des Navigator-Satellitenbusses entstehen.

Neben dem Hauptinstrument befindet sich an Bord auch noch ein Detektor namens Konus-FG für Gammablitze, der den ganzen Himmel abdecken kann. Ein Vorgänger dafür soll unter dem Namen Konus-M bereits nächstes Jahr auf einem russischen Kleinsatelliten (MKA-PN2) starten. Auch Fermi besitzt ein vergleichbares System. Solche kleinen Detektoren bieten nur eine sehr begrenzte räumliche und energetische Auflösung der Strahlung, reichen aber völlig aus, um den Himmelsbereich zu bestimmen, in dem man die jeweilige Quelle mit anderen Teleskopen beobachten kann.

Ein primäres Ziel ist die Erforschung der dunklen Materie. Vermutlich handelt es sich dabei um nur schwach wechselwirkende, massive Elementarteilchen. Wenn diese doch einmal interagieren, entsteht dabei aufgrund ihrer hohen Masse vermutlich Gammastrahlung. Beobachtungen mit höchster Präzision lassen vermutlich Rückschlüsse darauf zu, auf welchem Weg die Gammastrahlung entsteht und auch auf ihre räumliche Verteilung. Somit kann Gamma 400 möglicherweise eine Art Landkarte der dunklen Materie erstellen.

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