Auf ihrem Weg zum Rand unseres Sonnensystems richtete New Horizons ihren Blick Ende Juni 2010 auf den Planeten Jupiter, welcher bereits vor drei Jahren ein Untersuchungsobjekt dieser Raumsonde war. Außerdem wurden Neptun und der offene Sternhaufen Messier 7 für Kalibrierungsaufnahmen abgebildet.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JHU/APL. Vertont von Peter Rittinger.
Am 28. Februar 2007 näherte sich die von der amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Pluto-Sonde New Horizons dem Planeten Jupiter bis auf eine Distanz von etwa 2,25 Millionen Kilometern, um dort ein gravitationsunterstütztes Beschleunigungsmanöver durchzuführen. Durch den bei diesem FlyBy-Manöver erzielten Geschwindigkeitszuwachs konnte die Reisezeit zum eigentlichen Ziel der Mission, dem Zwergplaneten Pluto, um drei Jahre verkürzt werden. In der Zeit vor, während und nach der größten Annäherung an Jupiter konnten die verschiedenen wissenschaftlichen Instrumente der Raumsonde über 700 Beobachtungen des größten Planeten unseres Sonnensystems, seines Ringsystems und seiner vier größten Monde durchführen.
Während des anschließenden Weiterfluges in Richtung auf den Rendezvouspunkt mit dem Zwergplaneten Pluto und seinen drei Monden befindet sich New Horizons die meiste Zeit in einem Hibernations-Modus. Dies bedeutet, dass sämtliche nicht für den Betrieb der Sonde zwingend benötigten Instrumente und Systeme deaktiviert sind. Eine Ausnahme stellt das „Venetia Burney Student Dust Counter“-Experiment dar. Hierbei handelt es sich um ein Instrument zur Messung von Staubpartikeln entlang der gesamten Flugroute der Raumsonde, welches die auftreffenden Partikel zählt und zugleich deren Masse bestimmen kann. Einzig dieses Instrument ist während der meisten Zeit des Fluges aktiv.
Einmal pro Woche wird lediglich ein kurzes Zustandssignal an das Deep Space Network (DSN) der NASA übermittelt, welches den für den Betrieb von New Horizons zuständigen Technikern und Ingenieuren Aufschluss über den Gesamtzustand der Raumsonde gibt. Etwa zwei mal pro Jahr wird New Horizons allerdings für jeweils mehrere Wochen aus diesem Schlaf-Modus aufgeweckt, um die Software der Raumsonde mit Updates zu versehen und eventuell notwendige Kurskorrekturmanöver durchzuführen. Zugleich werden bei diesen Gelegenheiten die vom Dust Counter Experiment gesammelten Daten sowie ausführliche Telemetriewerte der Sonde an das Kontrollzentrum übermittelt. Zusätzlich werden diese Wachphasen außerdem dazu genutzt, um die wissenschaftlichen Instrumente und die verschiedenen elektronischen Komponenten von New Horizons einer eingehenden Überprüfung zu unterziehen.
Zwecks Kalibrierung und Überprüfung der Funktionalität wird dabei unter anderem auch die Hauptkamera der Raumsonde, die LORRI-Kamera (Long Range Reconnaissance Imager), auf verschiedene Ziele ausgerichtet. Bei der letzten Wachphase von New Horizons, dem sogenannten „ACO-4-Manöver“ (Raumfahrer.net berichtete), wurden dabei Ende Juni 2010 die Planeten Jupiter und Neptun sowie der offene Sternhaufen Messier 7 als Ziele ausgewählt.
Am 24. Juni 2010 nahm die LORRI-Kamera den Planeten Jupiter ins Visier. Aufgrund der enormen Distanz von 16,3 Astronomischen Einheiten, dies entspricht in etwa 2,4 Milliarden Kilometern, konnte die Kamera im Gegensatz zu dem im Jahr 2007 erfolgten Flyby diesmal keine Einzelheiten der Jupiteratmosphäre wie zum Beispiel die einzelnen Wolkenbänder oder die dort befindlichen Sturmgebiete auflösen. Deutlich erkennbar sind jedoch die Sichel des Planeten sowie die beiden Jupitermonde Ganymed und Europa.
Die an diesem Tag angefertigten drei Aufnahmen des Jupiters haben hierbei in erster Linie einen wissenschaftlichen Hintergrund. Zum Zeitpunkt der Aufnahmen befand sich die Sonne lediglich 17 Grad neben dem Jupiter. Die Wissenschaftler der New Horizons-Mission wollten anhand der gewonnenen Aufnahmen überprüfen, wieviel Streulicht der deutlich helleren Sonne aus einer derartigen Perspektive in die Optik der LORRI-Kamera eindringt. Die Belichtungszeiten der drei Jupiterbilder betrugen jeweils lediglich 0,009 Sekunden.
Laut Hal Weaver vom Applied Physics Laboratory der Johns Hopkins University, einem der Projekt-Wissenschaftler der Mission, stellen diese Aufnahmen einen direkten Test des anstehenden Vorbeifluges der Sonde an Pluto dar, denn kurz nach der Plutopassage am 15. Juli 2015 wird New Horizons den Zwergplaneten aus einer sehr ähnlichen Perspektive mit einem vergleichbaren Sonnenstand im Blickfeld haben und auch abbilden.
„Im Allgemeinen bevorzugen wir für unsere Aufnahmen Ziele, welche sich in der von der Sonne abgewandten Richtung befinden. In der Tat wurde LORRI für die Lichtverhältnisse, welche im Pluto-System und im Kuiper-Gürtel herrschen, kalibriert“, so Weaver. „Aufnahmen, welche zu nahe an der Sonne erstellt werden, könnten die Kamera deshalb ernsthaft beschädigen. Wir gingen allerdings davon aus, dass diese Jupiter-Aufnahmen keine Gefahr für die Kamera darstellen würden und riskierten die Beobachtungen.“ Die am 24. Juni 2010 aufgenommenen Bilder belegen, dass die LORRI-Kamera gegen das Streulicht der Sonne gut abgeschirmt ist und nur relativ wenig Sonnenlicht den CCD-Sensor der Kamera erreicht.
Bereits einen Tag vor den erfolgten Jupiteraufnahmen nahm die LORRI-Kamera von New Horizons den äußersten Planeten unseres Sonnensystems, den Neptun, ins Visier. Mit diesen Aufnahmen sollte in erster Linie die Fokussierung der Kamera getestet werden. Neptun war zu diesem Zeitpunkt 23,2 Astronomische Einheiten, dies entspricht etwa 3,5 Milliarden Kilometern, von New Horizons entfernt. Trotz dieser Distanz gelang es, Neptun als eine zu drei Vierteln beleuchtete Scheibe aufzulösen. Im Gegensatz zu einer früheren Testaufnahme kann der größte der 13 bisher bekannten Neptunmonde, der Mond Triton, diesmal allerdings nicht erkannt werden.
Von besonderer wissenschaftlicher Relevanz ist bei diesen Aufnahmen die erkennbare Phase des Planeten. Mit erdgestützten Observatorien oder Weltraumteleskopen ist der äußerste Planet unseres Sonnensystems nur als „volle Scheibe“ erkennbar. Lediglich Aufnahmen von Raumsonden, welche sich im äußeren Bereich unseres Sonnensystems bewegen, können auch einen Blick auf die Dämmerungszone des Planeten erhalten. Durch solche Aufnahmen ist es trotz der geringen Auflösung der Bilder möglich, die Lichtstreuung der Neptunatmosphäre näher zu untersuchen.
Einen weiteren Test der LORRI-Kamera und deren Fokussierung stellte die Abbildung des offenen Sternhaufens Messier 7 im Sternbild Skorpion am 25. Juni 2010 dar. Bei der hierbei angefertigten Aufnahme zeigten sich die hellsten Sterne dieses Sternhaufens als deutlich erkennbare scharfe Punkte. Ein Vergleich mit einer im Jahr 2008 angefertigten Aufnahme zeigt keine Beeinträchtigungen oder negative Veränderungen der Kamera-Leistung.
New Horizons wird ihren „Annual Check Out 4“ am heutigen Freitag beenden. Die Mitglieder des Teams werden anschließend ihre bereits weit fortgeschrittenen Arbeiten zur Planung des Pluto-Vorbeifluges fortsetzen. Als nächster Termin für eine dann allerdings nur kurze Wachphase der Raumsonde ist die erste Novemberhälfte 2010 vorgesehen. Auch in den kommenden vier Jahren wird New Horizons ihre Reise überwiegend im „Hibernation Mode“ fortsetzen.
Zu Beginn des Jahres 2015 erwacht die Sonde dann schließlich endgültig aus ihrem „Schlaf“ und beginnt die Observations-Phase des Pluto-Charon-Systems. Die Wissenschaftler werden die dann immer höher aufgelösten Aufnahmen des Zwergplaneten und seiner Monde dazu nutzen, um die Bahnbewegungen der vier Körper innerhalb des Plutosystems noch genauer zu bestimmen und den exakten Ablauf des Vorbeifluges auf deren jeweilige Positionen zu optimieren.
Gegenwärtig ist die Raumsonde noch etwa 14,61 Astronomische Einheiten, dies entspricht etwa 2,186 Milliarden Kilometer, von Pluto entfernt. Die Distanz zur Erde beträgt 16,48 Astronomische Einheiten (2,466 Milliarden Kilometer) und die Entfernung zur Sonne liegt bei 17,356 Astronomischen Einheiten (2,596 Milliarden Kilometer). Die LORRI-Kamera kann Pluto derzeit lediglich als schwachen Lichtpunkt darstellen. Erst etwa 90 Tage vor der dichtesten Annäherung an Pluto wird sie aus einer Entfernung von etwa 100 Millionen Kilometern die Auflösung des Hubble Space Telescopes erreichen.
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