Die an der Mission New Horizons beteiligten Wissenschaftler suchen derzeit nach einem im Kuipergürtel des Sonnensystems gelegenen Zielobjekt, welches von der Raumsonde nach dem Passieren des Pluto angesteuert und ebenfalls untersucht werden soll. Hierfür wurde in den letzten Tagen auch das Weltraumteleskop Hubble eingesetzt.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: NASA, JHU/APL, The Planetary Society, HST.
Zeitgleich zu dem gegenwärtig stattfindenden „Annual Checkout“ (Raumfahrer.net berichtete) sind die in die Mission der von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Raumsonde New Horizons involvierten Mitarbeiter derzeit noch mit einer weiteren Aufgabe beschäftigt.
Seit ihrem Start am 19. Januar 2006 hat die Raumsonde New Horizons auf ihrem Weg zu dem Zwergplaneten Pluto mittlerweile eine Distanz von mehr als 4,76 Milliarden Kilometern zurückgelegt. Nach weiteren 3,08 Astronomischen Einheiten – dies entspricht in etwa einer Entfernung von 460 Millionen Kilometern – wird die Raumsonde am 14. Juli 2015 den Pluto erreichen und dessen Oberfläche in einer Entfernung von etwa 12.500 Kilometern passieren. Neben dem Zwergplaneten sollen in den Wochen und Monaten vor und nach dem Vorbeiflug auch dessen fünf derzeit bekannte Monde ausführlich mit den sieben Instrumenten der Raumsonde untersucht werden.
Allerdings ist es aufgrund der hohen Geschwindigkeit, mit der sich New Horizons durch das Weltall bewegt nicht möglich, die Raumsonde in eine Umlaufbahn um den Pluto zu dirigieren. Hierfür müsste die Geschwindigkeit der Raumsonde um etwa 90 Prozent reduziert werden. Für ein derartiges Bremsmanöver wäre allerdings deutlich mehr Treibstoff notwendig als New Horizons mitführt. Aus diesem Grund wird die Raumsonde nach dem Vorbeiflug am Pluto weiter in die äußeren Bereiche des Sonnensystems vordringen.
Um New Horizons trotzdem auch weiterhin für wissenschaftliche Forschungen einsetzen zu können wurde bereits bei der Erstellung des Missionsprofils vorgeschlagen, die Raumsonde nach der Plutopassage mit dem dann noch zur Verfügung stehenden Treibstoff zu eine weiteren, eventuell auch zu zwei Objekten im Bereich des inneren Kuiper-Gürtels zu dirigieren. Sehr wahrscheinlich, so die damalige Prognose, würden diese neuen Ziele über Durchmesser von weniger als 100 Kilometern verfügen und aufgrund der größeren Distanz zur Sonne fotografisch weniger gut zu beobachten sein als der Pluto. Um trotzdem aussagekräftige Daten gewinnen zu können müsste New Horizons diese Objekte in einem möglichst dichten Abstand – als wünschenswert wird hierbei eine Entfernung von wenigen Tausend Kilometern genannt – passieren.
Diese Vorbeiflüge sind für den Zeitraum von frühestens Mitte 2016 bis in etwa 2020 vorgesehen. Allerdings rechnet das New Horizons-Team damit, dass der mit einem Radioisotopengenerator ausgestatteten Raumsonde noch bis etwa zum Jahr 2025 genügend Energie zur Verfügung stehen wird, um eine sinnvolle Beobachtung dieser Objekte durchzuführen. Je mehr Zeit jedoch vergeht, umso größer wird allerdings die Wahrscheinlichkeit, aus Energiemangel eines oder mehrere Instrumente deaktivieren zu müssen und auch die Datentransferrate würde aufgrund der sich ständig vergrößernden Entfernung zur Erde immer weiter sinken. Zum Vergleich: Für die vollständige Übermittlung aller bei Pluto zu sammelnden Daten ist ein Zeitraum von etwa sechs Monaten veranschlagt.
Die Suche nach einem KBO
Bereits seit mehreren Jahren befinden sich die Astronomen auf der Suche nach einem geeigneten „Kuiper Belt Object“ (kurz „KBO“), waren dabei bisher aber leider nicht erfolgreich. Keiner der bisher im Rahmen der entsprechenden Beobachtungskampagnen entdeckten 52 KBOs kann mit den nach dem Pluto-Flyby noch zur Verfügung stehenden Treibstoffvorräten erreicht werden. Zum Ansteuern des am ehesten zu erreichenden Objektes, dem KBO 2011 HZ102, wäre eine Geschwindigkeitsveränderung von 210 Metern pro Sekunde erforderlich. Der Treibstoff von New Horizons reicht jedoch lediglich aus, um nach dem Pluto-FlyBy eine Veränderung von etwa 130 Metern pro Sekunde zu erzeugen.
Der Grund für die geringe Anzahl der im Rahmen der bisherige Suchkampagne neu entdeckten KBOs ist, dass diese Himmelskörper aufgrund ihrer großen Entfernung zur Sonne und des geringen Durchmessers nur sehr wenig Sonnenlicht reflektieren. Zudem fällt ihre Eigenbewegung am Himmel nur minimal aus. Zusätzlich erschwert wurde die Suche dadurch, dass sich Pluto – und damit auch das Gebiet, welches New Horizons nach dem Passieren des Zwergplaneten erreichen kann – in den vergangenen Jahren vor einem sehr sternreichen Hintergrund im Sternbild Schütze bewegt hat. Mit diesen unzähligen Lichtpunkten im Sichtfeld der Teleskope ist es überaus schwierig, ein lichtschwaches Objekt auszumachen, welches sich in mehreren Milliarden Kilometern Entfernung zur Erde gegenüber dem Sternenhintergrund nur äußerst langsam bewegt. Einen Eindruck über das damit verbundene ‚optische Chaos‘ vermitteln eventuell die Aufnahmen in diesem Bericht auf unserer Portalseite, der allerdings nicht auf die Mission New Horizons bezogen ist.
Potentielle Zielobjekte fallen deshalb in dem dicht mit Hintergrundsternen vollgepackten Himmelsabschnitt kaum auf und können bestenfalls durch den Einsatz von Großteleskopen entdeckt werden. Allerdings wurden einige der bisherigen Beobachtungskampagnen von schlechten Witterungsbedingungen oder technischen Problemen mit den vorgesehenen Beobachtungsinstrumenten beeinträchtigt, so dass die an der Suchkampagne beteiligten Astronomen weniger Beobachtungsdaten erhielten als geplant. Mittlerweile hat sich diese Situation jedoch etwas verbessert. Der ‚Hintergrund‘ enthält inzwischen weniger Sterne als noch vor wenigen Monaten. Aus diesem Grund wurde die Suche nach einem geeigneten KBO jetzt noch einmal intensiviert.
Die Zeit wird knapp
Dies ist auch dringend notwendig, denn langsam läuft den an der New Horizons-Mission beteiligten Wissenschaftlern die Zeit davon. Um nach dem Pluto-FlyBy ein weiteres Objekt ansteuern zu können muss dessen Umlaufbahn um die Sonne zunächst mit extrem hoher Genauigkeit bekannt sein. Ein entsprechendes Kurskorrekturmanöver von New Horizons müsste zudem baldmöglichst nach der Plutopassage erfolgen. Um dieses Manöver im Sommer 2015 auch mit der erforderlichen Präzision durchzuführen muss ein potentielles Ziel deshalb innerhalb der nächsten zwei Monate entdeckt werden. Nur dann bleibt genügend Zeit, um den Orbit des potentiellen Ziels mit der erforderlichen Genauigkeit zu ermitteln.
Das Hubble Space Telescope soll helfen
Neben den bereits zuvor eingesetzten erdgebundenen Observatorien kommt hierbei mittlerweile auch das Weltraumteleskop Hubble zum Einsatz. Im Gegensatz zu Teleskopen auf der Erdoberfläche verfügt das Hubble Space Telescope (kurz „HST“) über den Vorteil, dass die durchzuführenden Beobachtungen nicht durch die Erdatmosphäre beeinträchtigt werden. Dies hat allerdings auch zur Folge, dass die Beobachtungszeit mit dem HST unter professionellen Astronomen extrem begehrt ist. Jede Anfrage auf Beobachtungszeit ist mit einem Antrag verbunden, in dem die Wissenschaftler ihre wissenschaftlichen Zielsetzungen beschreiben und zudem erläutern müssen, warum nur das HST und nicht etwa andere Teleskope diese Ziele erreichen kann.
Dementsprechend groß war die Freude unter den Mitarbeitern der New Horizons-Mission, als der für die Vergabe der Beobachtungszeiten verantwortliche Experten-Ausschuss am 13. Juni 2014 einen Antrag bewilligte, mit dem die Suche nach einem weiteren Ziel für New Horizons im Kuipergürtel fortgesetzt werden kann. Mit dem HST, so die Erwartungen der beteiligten Astronomen, sollten sich KBOs abbilden lassen, die bis zu 1,8 mag dunkler sind als die lichtschwächsten, durch erdbasierte Teleskope nachzuweisenden Kuipergürtel-Objekte.
Für eine erste Beobachtungskampagne mit dem HST wurde dabei zunächst eine Beobachtungszeit von 40 Stunden bewilligt, in der das Weltraumteleskop den kleinen, in Frage kommenden Himmelsabschnitt im Sternbild Schütze mehrfach abbilden soll. Während der entsprechenden Beobachtungen wird das HST mit exakt der Geschwindigkeit nachgeführt, mit der sich ein KBO erwartungsgemäß über den Himmel bewegen dürfte. Potentielle Kuipergürtel-Objekte sollten auf diesen Aufnahmen aufgrund der langen Beobachtungszeit punktförmig erscheinen, während weiter entfernt gelegenen Objekte wie Hintergrundsterne oder näher gelegene Himmelskörper wie die im inneren Sonnensystem beheimatete Asteroiden als leicht in die Länge gezogene ‚Strichspuren‘ dargestellt werden.
Die entsprechenden Aufnahmen müssen anschließend zunächst ausgewertet werden. Sollte dabei die Entdeckung von mindestens zwei KBOs gelingen, so wäre dies ein Indiz dafür, dass das HST theoretisch dazu in der Lage ist, ein geeignetes Ziel für New Horizons aufzuspüren. In diesem Fall würde dem New Horizons-Team eine weitere Beobachtungszeit von dann nochmals 156 Stunden bewilligt, bei der ein Himmelsabschnitt abgesucht werden soll, welcher in etwa dem Durchmesser des Vollmondes am Himmel entspricht.
Es bleibt zu hoffen, dass diese Suche erfolgreich verläuft, denn auf absehbare Zeit wird New Horizons wohl die letzte Raumsonde sein, die in die äußeren Regionen unseres Sonnesystems vordringen wird und damit die Gelegenheit erhält, die dort beheimateten Kuipergürtel-Objekte näher zu untersuchen.
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