Neutronensterne 2: Aufbau

Obwohl wir heute eine Idee vom Aufbau von Neutronensternen haben, wird über ihre inneren Schichten noch spekuliert.

Autor: Christine Gnahm

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Typische Neutronensterne besitzen eine Masse zwischen ein und zwei Sonnenmassen und einen Radius von etwa 11 km. Man kann sie in fünf Hauptregionen einteilen: Die Atmosphäre, die äußere und innere Kruste und den äußeren und inneren Kern.

Atmosphäre

Atmosphäre und Oberfläche eines Neutronensternes sind nur wenige Zentimeter dick und enthalten einen zu vernachlässigenden Anteil der Neutronensternmasse. Jedoch beeinflusst die Oberflächenschicht maßgeblich den Transport und die Abgabe thermischer Energie, während die Atmosphäre das ausgesandte Photonenspektrum festlegt. Sie besteht aus einem Plasma aus Wasserstoff, Helium, Kohlenstoff und Eisen, das den extremen Magnetfeldern um 1012 G und einer enormen Schwerebeschleunigung g=1013-1014 cm/s2, eine Billion mal so stark wie die der Erde, ausgesetzt ist. Um dieser Anziehungskraft zu entkommen, müssten sich Teilchen mit einem Drittel der Lichtgeschwindigkeit bewegen. Die Gravitation ist so stark, dass Berge auf Neutronensternen höchstens einige Millimeter hoch sein könnten.

Äußere und innere Kruste

Die äußere Kruste besteht überwiegend aus Atomkernen, die von einem Elektronengas umgeben sind, und ist einige hundert Meter dick. Innerhalb der ersten zehn Zentimeter Tiefe steigt die Dichte bereits um drei Größenordnungen von 103 g/cm3 auf 106 g/cm3 an. Diese Oberflächenschicht besteht aus Eisen-Kernen, die wie bei Festkörpern in einem Gitter angeordnet sind. Ab einer Dichte von 106 g/cm3 stellt Eisen allerdings nicht mehr den stabilsten Kern dar. Die Protonen des Eisenkerns fangen Elektronen ein und werden zu Neutronen. So entstehen Kerne mit immer höherem Neutronenanteil, die aus bis zu 200 Nukleonen (Neutronen und Protonen) bestehen. Dabei sind nur noch zehn bis zwanzig Prozent der Kernbausteine Protonen. Normalerweise würden Kerne mit einem so großen Neutronenanteil sofort wieder zerfallen – aber bei diesen hohen Dichten sind sie stabil. Da die Fermieenergie mit wachsender Dichte steigt, liegen alle Energieniveaus, die durch den Beta-Zerfall erreichbar wären, unterhalb der Fermi-Energie und sind schon mit Elektronen besetzt – das Pauli-Prinzip verbietet also den Zerfall der Kerne.

Die Tiefe, in der 4.3 . 1011 g/cm3 erreicht wird, markiert den Übergang zur inneren Kruste. Diese Dichte wird als „neutron-drip-density“ bezeichnet. Bei dieser Dichte ist die Fermienergie so hoch, dass es keine Energie mehr kostet, ein Neutron aus dem Kern zu entfernen. Die Neutronen beginnen deshalb, aus den Kernen „herauszutröpfeln“. Diese freien Neutronen sind entartet, das heißt, ihre quantenmechanischen Eigenschaften bestimmen ihr Verhalten. Je weiter die Dichte ansteigt, desto mehr Neutronen verlassen die Atomkerne, bis beim Übergang zum Neutronensternkern in mehreren Kilometern Tiefe die gesamte Materie als Flüssigkeit aus entarteten Protonen, Neutronen, Elektronen und Myonen vorliegt.

Äußerer und innerer Kern

Der Kern macht etwa 99% der Neutronensternmasse aus. Am Übergang zwischen Kruste und Kern beginnen die Atomkerne, sich zu berühren: Die Dichte von Atomkernen, 2.8 . 1014 g/cm3, ist erreicht. Der äußere Kern besteht aus einer elektrisch neutralen Flüssigkeit aus entarteten Neutronen, Protonen, Elektronen und Myonen im Beta-Gleichgewicht (es finden gleich viele Beta+– wie Beta-Zerfälle statt).

Wo die Dichte das Zwei- bis Dreifache der Nukleonendichte übersteigt, beginnt der innere Kern. Es ist unsicher, wie groß die Dichte im Zentrum der Neutronensterne wird. Man vermutet, dass sie auf das Fünf- bis Fünfzehnfache der Nukleonendichte ansteigen kann. Wie sich die Materie bei so extremen Dichten verhält, ist bisher ebenfalls nur Spekulation. Es gibt vier Hauptannahmen, wie der innere Kern aufgebaut sein könnte:

Zum einen könnte es zur „Hyperonisierung“ der Materie kommen, also zur Bildung von Hyperonen. Hyperonen gehören zu den Baryonen, den Teilchen, die aus drei Quarks aufgebaut sind. Auch das Neutron und das Proton sind Baryonen. Bei Hyperonen ist jedoch mindestens eines der drei Quarks ein „strange“-Quark. Exotischere Modelle vermuten die Bildung von Bose-Einstein-Kondensaten aus Pionen oder Kaonen (Teilchen, die aus einem Quark und einem Antiquark bestehen) bzw. einen Phasenübergang zu ungebundener Quarkmaterie. Aber nur sogenannte Hypernuklei – Kerne aus Nukleonen und Hyperonen – wurden bereits im Labor untersucht.

Supraleitung und Superfluidität

Auf der Erde kennt man Superfluidität und Supraleitung nur bei extrem niedrigen Temperaturen. In einem Supraleiter kann Strom ohne Widerstand fließen. Fließt Strom durch einen Ring aus supraleitendem Material, so bricht dieser niemals ab. Ein Superfluid besitzt eine ähnliche Eigenschaft wie der Supraleiter: Die superfluide Flüssigkeit fließt ohne Reibung. Wenn ein Superfluid rotiert, wird es nicht gebremst.

Bei den extremen Dichten in Neutronensternen liegt die kritische Temperatur, unterhalb derer Supraleitung und Superfluidität eintritt, sehr viel höher als auf der Erde: In der Kruste beträgt sie je nach Modell zwischen hundert Millionen und zehn Milliarden Kelvin. Wird die kritische Temperatur unterschritten, könnte die Neutronenflüssigkeit in der inneren Kruste ein Superfluid bilden. Ein solches Superfluid hätte Einfluss auf das Abkühlungsverhalten des Neutronensterns. Auch die Neutronen im äußeren Kern könnten ein Superfluid bilden, während für die Protonen die Bildung eines Supraleiters denkbar ist.

Fermi-Energie und Pauli-Verbot Elektronen sind wie alle Teilchen mit halbzahligem Spin (Fermionen) dem Pauliprinzip unterworfen. Dieses besagt, dass zwei Fermionen nicht in all ihren Eigenschaften (Energie, Drehimpuls und Spin) übereinstimmen dürfen. Wie in einem Atomkern gibt es auch im entarteten Elektronengas eines Neutronensterns diskrete Energieniveaus. Durch das Pauliprinzip passen in jedes dieser Niveaus nicht mehr als zwei Elektronen – und diese beiden müssen sich in ihrem Spin unterscheiden. Die Energieniveaus werden von unten nach oben mit Elektronen aufgefüllt. Die höchste Energie, die noch mit Elektronen besetzt ist, wird Fermienergie genannt. Alle Energienniveaus unterhalb der Fermienergie sind „voll“, es „passt“ kein zusätzliches Elektron mehr hinein.

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