In den gut zwei Monaten seit der Deep Impact-Mission waren die Wissenschaftler nicht untätig und haben nun ihre neuesten Erkenntnisse über den Zielkometen veröffentlicht.
Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: NASA.
„Malen nach Zahlen“ ist eine gute Beschreibung, wie Wissenschaftler nach und nach eine Vorstellung von ihren Untersuchungsobjekten gewinnen, angefangen bei Atomen in unseren Körpern bis hin zu Asteroiden und Kometen unseres Sonnensystems. An der Deep Impact-Mission beteiligte Forscher haben sich damit seit der Kollision ihres Impaktors mit dem Kometen „Tempel 1“ am 4. Juli 2005 beschäftigt.
„Vor unserem Experiment hatten Wissenschaftler eine Menge von Fragen und ungetesteten Ideen über die Struktur und Zusammensetzung des festen Kometenkerns, aber wir hatten praktisch kein wirkliches Wissen“, sagte der Chefwissenschaftler der Mission, Dr. Michael A’Hearn, Astronomieprofessor an der Universität von Maryland. „Unsere Analyse der Daten von Deep Impact hat nun eine Menge neuer Erkenntnisse gebracht, viele davon ziemlich überraschend.“
Zum Beispiel hat „Tempel 1“ eine sehr flockige Struktur, die schwächer ist als eine Schneewehe aus Puderschnee. Dieser feine Staub wird durch die Gravitation zusammen gehalten. Allerdings ist diese Gravitation so schwach, dass ein Mensch sich mit einem Sprung, also allein durch die Kraft seiner Beine, in den Weltraum katapultieren könnte, ohne auf den Kometen zurück zu fallen. Dann also kein Wunder, dass die Auswurfwolke so überraschend groß ausfiel! Ja man könnte sich wundern, dass der „Puderschnee-Komet“ unter dem Einschlag des massiven Kupfer-Impaktors nicht einfach in alle Richtungen zerstoben ist – aber trotz seines schwachen Zusammenhalts war die Masse des Kometen immer noch weit mehr als ausreichend, den Impaktor nicht nur aufhalten zu können, sondern auch den Einschlag als Ganzes zu überstehen.
Eine andere Überraschung für A’Hearn und seine Kollegen waren Hinweise auf Einschlagkrater auf der Oberfläche des Kometen. Die Kerne der beiden Kometen „Borelly“ und „Wild 2“, die bisher aus der Nähe fotografiert worden waren, zeigen nämlich keinerlei Hinweise auf Einschlagkrater. „Der Kern von ‚Tempel 1‘ hat ausgeprägte Schichten, die man im topografischen Relief sehen kann und die von sehr glatten Regionen bis hin zu Strukturen rangieren, die alle Kriterien für Einschlagkrater erfüllen, variierende Größen eingeschlossen“, sagte A’Hearn. „Mit Sicherheit zu sagen, dass dies Einschlagkrater sind, ist allerdings problematisch, weil wir keinen Mechanismus kennen, der manche Kometen mit dem Treibgut des Sonnensystems kollidieren lassen würde, andere aber nicht.“
A’Hearn zu Folge ist eine der interessanteren Erkenntnisse die starke Zunahme von kohlenstoffhaltigen Molekülen in der Spektralanalyse der Auswurfwolke. Dies ist ein Indiz dafür, dass Kometen ein beträchtliches Maß an organischem Material enthalten und somit tatsächlich derartiges Material zur Erde gebracht haben könnten, früh in der Geschichte des Planeten, als Einschläge von Asteroiden und Meteoren alltäglich waren.
Eine weitere Erkenntnis ist, dass die Oberfläche des Kometenkerns dessen Inneres gegen die Erwärmung durch die Sonnenstrahlung isoliert. Den Daten zu Folge ist der Kometenkern extrem porös. Diese Porösität führt dazu, dass die Oberfläche sich fast sofort aufheizt, wenn sie dem Sonnenlicht ausgesetzt ist, und ebenso schnell wieder abkühlt, wenn sie wieder im Schatten liegt. Dies lässt wiederum darauf schließen, dass die Wärme nicht so leicht in tiefere Schichten des Kerns vordringt. Wem das im ersten Moment unplausibel erscheint, der kann sich als Analogie vielleicht Isoliermaterial wie etwa Daunenfedern vorstellen, deren eingeschlossenen Hohlräume ja auch entscheidend sind für die die guten Isoliereigenschaften. Somit dürften Eis und anderes Material tief im Kometenkern noch in ihrem ursprünglichen Zustand aus den frühen Tagen des Sonnensystems sein, so wie viele Wissenschaftler ja auch vermutet haben.
„Das Infrarotspektrometer lieferte uns die erste Temperaturkarte eines Kometen, was es uns erlaubte, die thermale Trägheit der Oberfläche zu messen, beziehungsweise die Fähigkeit, Wärme in’s Innere des Kometen weiterzuleiten“, sagte Dr. Olivier Groussin, der Wissenschaftler der Universität von Maryland, der die Karte generierte.
Gewissenhafte und zeitraubende Analyse der Spektraldaten lieferte die „Farbe“, mit der die Deep Impact-Wissenschaftler das erste detaillierte Bild eines Kometen „malen“ konnten. Beispielsweise sahen sie zunächst Emissionsbänder von Wasserdampf, der durch die Hitze des Einschlags entstand, einige Sekunden später gefolgt von Absorptionsbändern ausgeworfener Eispartikel von unterhalb der Oberfläche, die weder geschmolzen noch verdampft waren.
„Innerhalb weniger Sekunden verschwand die heiße, sich schnell bewegende Wolke, die den Wasserdampf enthielt, aus dem Sichtbereich des Spektrometers, und wir sahen plötzlich den Ausbruch von Eis und Staub von unterhalb der Oberfläche.“ sagte die Deep Impact-Wissenschaftlerin Dr. Jessica Sunshine von der Science Applications International Corporation. „Das war die dramatischste spektrale Änderung, die ich je gesehen habe.“
Diese Erkenntnisse, und weitere, wurden in der September-Ausgabe des Journals „Science“ veröffentlicht sowie letzte Woche auf einem Wissenschaftlertreffen in Cambridge/England vorgestellt. Missionswissenschaftler sind immer noch dabei, wichtige neue Bereiche des Kometenbildes zu „malen“, das noch weit davon entfernt ist, fertig zu sein.
Die Universität von Maryland ist verantwortlich für den gesamten wissenschaftlichen Bereich der Mission. Das JPL, eine Abteilung des Caltech in Pasadena, ist für das Projektmanagement zuständig. Die Raumsonde wurde für die NASA von Ball Aerospace in Boulder gebaut.