Neues von GALEX

Eigentlich sollte das Weltraumteleskop GALEX bereits im Jahr 2012 außer Dienst gestellt werden. Aufgrund einer Initiative des California Institute of Technology (Caltech) wird die Mission jedoch weiter betrieben und liefert den Astronomen auch weiterhin wichtige Einblicke in den Aufbau des Weltalls und der Entstehung und Weiterentwicklung der Galaxien.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: Caltech, JPL.

NASA, JPL-Caltech
Eine künstlerische Darstellung des Weltraumteleskops GALEX.
(Bild: NASA, JPL-Caltech)

Das Weltraumteleskop GALEX wurde am 28. April 2003 mit einer Rakete vom Typ Pegasus XL in eine Erdumlaufbahn befördert und anschließend hauptsächlich zur Beobachtung von Galaxien im UV-Bereich des elektromagnetischen Spektrums eingesetzt. Nach dem Ablauf der Primärmission im Herbst 2007 wurde die Mission trotz diverser mittlerweile aufgetreten technischen Problemen zunächst verlängert. Im Jahr 2009 führte ein weiterer Kurzschluss in der Elektronik dazu, dass der für die Beobachtung des fernen UV-Bereiches benötigte Detektor des Teleskops nicht mehr eingesetzt werden konnte.

Am 7. Februar 2012 wurde das Weltraumteleskop schließlich in einen Standby-Modus versetzt (Raumfahrer.net berichtete). Bei diese Maßnahme handelte es sich um einen ersten Schritt für die vorgesehene vollständige Dekommissionierung des Weltraumteleskops, welche laut dem für die Kontrolle von GALEX zuständigen Jet Propulsion Laboratory (JPL) noch im selben Jahr erfolgen sollte. Zeitgleich wurden jedoch auch Verhandlungen zwischen der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA und dem California Institute of Technology (Caltech) geführt, welches die Nutzung des Teleskops gerne fortsetzen wollte. Hieraus resultierte letztendlich ein Vertrag, mit dem die NASA das GALEX ab dem 16. Mai 2012 an das Caltech auslieh, welches die Mission somit weiterbetreiben konnte.

„Die NASA betrachtet dies als eine Möglichkeit dafür, dass die Öffentlichkeit auch weiterhin von den Erkenntnissen dieser mit Bundesmitteln entwickelten Mission profitieren kann“, so Paul Hertz, der leitende Verantwortliche für den Bereich Astrophysik der NASA im Rahmen der entsprechenden Bekanntmachung. „Dies ist ein hervorragendes Beispiel für eine öffentlich-private Partnerschaft, aus der letztendlich die astronomischen Forschungen in den USA profitieren werden.“ Für die dabei anfallenden Betriebskosten von rund 100.000 US-Dollar pro Monat kommt das Caltech auf.

„Diese Mission war voller Überraschungen und wird uns jetzt auch in der Zukunft weitere neue Erkenntnisse vermitteln“, so Chris Martin, der für die GALEX-Mission verantwortliche Wissenschaftler des Caltech, der sich mit dieser Einschätzung offensichtlicht nicht verkalkuliert hat.

NASA's Goddard Space Flight Center, ESO, JPL-Caltech, DSS
Etwa 212 Millionen Lichtjahre von unserem Sonnensystem entfernt befindet sich die Galaxie NGC 6872. Die beiden Gezeitenarme bildeten sich durch wechselwirkende Schwerkrafteinflüsse mit der kleineren, scheibenförmigen Galaxie IC 4970, welche sich in dieser Aufnahme als ein helles Oval oberhalb der zentralen Region von NGC 6872 abzeichnet. Im gelben Kreis am linken oberen Bildrand ist eine nur im ultravioletten Licht sichtbare Ansammlung von Sternen zu erkennen, die sich vom Gezeitenarm abgelöst hat und eine „Gezeiten-Zwerggalaxie“ bildet.
(Bild: NASA’s Goddard Space Flight Center, ESO, JPL-Caltech, DSS)

Eine erst kürzlich neu gewonnene Erkenntnis bezieht sich auf die im Sternbild Pfau (lat. Pavo) gelegene und etwa 212 Millionen Lichtjahre von unserer Heimatgalaxie entfernt befindliche Balkenspiralgalaxie NGC 6872. Bereits seit Jahrzehnten wird diese Galaxie zu den größten derzeit bekannten Balkenspiralgalaxien gezählt. Im Rahmen einer Auswertung der bisher gesammelten GALEX-Daten stellte ein internationales Team von Astronomen aus den USA, Chile und Brasilien jetzt fest, dass es sich hierbei vielmehr sogar um die größte derzeit bekannte Galaxie dieses Typs handeln könnte. Mit einem Durchmesser von etwa 522.000 Lichtjahren ist NGC 6872 etwa fünf mal größer als unsere Heimatgalaxie.
„Ohne die durch das GALEX ermöglichten Messungen, mit denen sich die jüngsten, heißesten der in dieser Galaxie beheimateten Sternen aufgrund des von ihnen ausgehenden UV-Licht erkennen lassen, hätten wir niemals das volle Ausmaß dieses faszinierenden Systems erkennen können“, so Rafael Eufrasio vom Goddard Space Flight Center (GSFC) der NASA. Die ungewöhnliche Größe und die Form der Galaxie – so die Interpretation der Astronomen – resultieren aus einer Interaktion mit der benachbarten, aber viel kleineren Scheibengalaxie IC 4970, welche lediglich etwa 20 Prozent der Masse von NGC 6872 aufweist.

In den konventionellen Modellen über die Entstehung und Weiterentwicklung von Galaxien gehen die Astronomen davon aus, dass größere und massereichere Galaxien im Laufe der Zeit die ihnen nahe gelegenen kleineren und somit masseärmeren Galaxien absorbieren und die dort enthaltenen Sterne regelrecht „aufsaugen“, was letztendlich zu einem Massezuwachs der größeren Galaxie bei einem zeitgleich erfolgenden „Verschwinden“ der kleineren Galaxien führt. Dies scheint aber zumindestens im Fall von NGC 6872/IC 4970 in dieser Form nicht der Fall zu sein. Trotz der geringeren Masse wirkt IC 4970 mit ihren gravitativen Kräften auf die größere Galaxie NGC 6872 ein.

NASA's Goddard Space Flight Center, after C. Horellou (Onsala Space Observatory) and B. Koribalski (ATNF)
Eine Computersimulation der Annäherung der beiden Galaxien NGC 6872 und IC 4970.
(Bild: NASA’s Goddard Space Flight Center, after C. Horellou (Onsala Space Observatory) and B. Koribalski (ATNF))

Durch die Wechselwirkung zwischen den beiden Galaxien werden große Mengen an Gas und Staub aus NGC 6872 herausgerissen, aus denen sich neue, massereiche Sterne bilden. Diese neu entstehenden, sehr heißen Sterne leuchten bevorzugt im energiereichen ultravioletten Licht, welches von GALEX registriert werden kann. Die GALEX-Aufnahmen zeigen, dass sich vom nordöstlichen Spiralarm der größeren Galaxie eine Wolke aus jungen Sternen gelöst hat, welche jetzt eine sich gerade bildende „Mini-Galaxie“ formen. Diese wird von den Astronomen als „Gezeiten-Zwerggalaxie“ bezeichnet. Nähere Analysen zeigen, dass die dort konzentrierten Sterne über ein Alter von etwa 200 Millionen Jahren verfügen. Mit einer zunehmenden Annäherung an das Zentrum von NGC 6872 weisen die in dieser Region befindlichen Sterne dagegen ein immer größeres Alter auf.
Diese Beobachtung deckt sich mit Computersimulationen, welche bereits im Jahr 2007 von einem Team um Cathy Horellou vom Onsala Space Observatory/Schweden veröffentlicht wurden. Aus diesen Berechnungen ergab sich, dass die Galaxie IC 4970 vor rund 130 Millionen Jahren ihre dichteste Annäherung an NGC 6872 durchlief. Dabei folgte die kleinere Galaxie einer Bahn in der Scheibenebene der Hauptgalaxie und umrundete diese dabei in ihrer Rotationsrichtung. Auf diese Weise entstanden auch die beiden prägnanten Gezeitenarme, welche eines der charakteristischen Merkmale von NGC 6872 darstellen.

„Das Verständnis der Struktur und Dynamik von nahe beieinander liegenden, miteinander interagierenden Sternsystemen erlaubt es uns, die dabei ablaufenden Ereignisse in einen kosmologischen Kontext zu versetzen und korrekt einzuordnen. Dadurch ebnen wir auch den Weg, um die Abläufe in anderen Sternsystemen zu entschlüsseln“, so Eli Dwek vom GSFC.

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