Der Saturnmond Enceladus speit Fontänen von Eispartikeln. Theorien über das Innere dieser Fontänen und über deren Entstehung sind am 7. Februar im Magazin „Science“ veröffentlicht worden.
Ein Beitrag von Kirsten Müller. Quelle: NASA JPL.
Die Arbeitsgruppe um Dr. Jürgen Schmidt von der Universität Potsdam entwickelte das Modell, diese Eisteilchen entstünden durch Kondensation von Wassergas, das sich durch die Verdampfung von Seen unterhalb der Enceladusoberfläche bildet.
„Schon seit Cassini diese Wasserdampffontänen enteckt hat, fragen wir uns, wo dieser Wasserdampf und diese Eisteilchen her kommen“, so Schmidt. „Kommen sie aus einem Wasserreservoir unter der Oberfläche, oder sind andere Prozesse am Werk? Jetzt, nachdem wir die Daten von verschiedenen Instrumenten ausgewertet haben, können wir mit Wahrscheinlichkeit sagen, dass sich unterhalb der Oberfläche von Enceladus Wasser befindet.“
Man braucht vergleichsweise hohe Temperaturen, in etwa den Schmelzpunkt von Wasser, um diese hohe Anzahl von Eisteilchen und diese Regelmäßigkeit, mit der sie sich bilden, zu erreichen. Dies könnte auf einen inneren See schließen lassen, ähnlich dem irdischen Wostok-See unter dem Eis der Antarktis. Die Eiskörner kondensieren dann im Wasserdampf, der durch Spalten in der Eiskruste an die Oberfläche tritt.
Das Finden von Wasser in Enceladus könnte einen großen Einfluss auf zukünftige astrobiologische Studien über die Möglichkeit von Leben auf anderen Himmelskörpern haben.
Die Fontänen sind schon seit 2005 untersucht worden, mit verschiedenen Beobachtungsinstrumenten und dem Cosmic Dust Analyzer, der Proben der Teilchen genommen und analysiert hat. Aus diesen Untersuchungen wurde geschlossen, dass bei Temperaturen um 273 K (0˚C), dem Gefrierpunkt von Wasser, die besten Voraussetzungen gegeben sind, das Material aus den Fontänen spritzen zu lassen.
Bei diesen vergleichsweise hohen Temperaturen mischen sich flüssiges Wasser, Eis und Wasserdampf. Der Wasserdampf entweicht durch Brüche in der Eiskruste von Enceladus ins Vakuum des Weltraums. Wenn das Gas sich ausdehnt, kühlt es sich ab, und die Eisteilchen, die den sichtbaren Teil der der Fontänen ausmachen, kondensieren aus dem Dampf aus. Der Dampf hat etwa die gleiche Geschwindigkeit wie ein Überschalljet, ca. 300 bis 500 Meter pro Sekunde. Die meisten der kondensierten Eispartikel schaffen es jedoch nicht, die Geschwindigkeit von 240 Metern pro Sekunde zu erreichen, die nötig ist, um die Umlaufbahn von Enceladus zu verlassen.
Diese niedrigere Geschwindigkeit der Eispartikel lässt sich wie folgt erklären: die Teilchen schießen durch die Brüche im Eis hoch und werden dadurch gebremst, dass sie wie Flipperkugeln verschiedene Male gegen die Wände der Risse stoßen, während der Wasserdampf sich ungehindert durch die Spalten hindurchbewegen kann. Dieser trägt nun wieder mit seiner höheren Geschwindigkeit die Eispartikel mit nach oben. Bei den düsenähnlichen Öffnungen an der Oberfläche schießt der Wasserdampf weit über Enceladus hinaus und wird in der Magnetosphäre von Saturn eingefangen. Die meisten der Eisteilchen, die unterwegs an Tempo verloren haben, erreichen die Fluchtgeschwindigkeit nicht und fallen zurück auf die Oberfläche von Enceladus. Nur etwa 10 Prozent der Teilchen schaffen es, Enceladus zu verlassen und den E-Ring des Saturn zu verstärken.
Schmidt: „Unser Modell liefert ein einfaches Konzept, die Entstehung der Teilchen, ihre Geschwindigkeit und ihr Verhalten beim Austritt in den Weltraum zu verstehen. Wenn die Temperatur des Dampfes zu niedrig ist, ist die Gasdichte zu klein, um die Eiskörner aus dem Inneren zu drücken. Dann würden wir nicht so viele Teilchen sehen. Deshalb vermuten wir, dass sich die Temperatur an der Stelle, wo die Verdampfung stattfindet, um den Schmelzpunkt von Wasser herum bewegt.“
Die Wissenschaftler sagen, in den Fontänen befänden sich zu viele Teilchen, um die eher geäußerte Theorie zu unterstützen, dass Gase in Eiskristallen gefangen sind. Dieses Modell würde tiefere Temperaturen erfordern. Ein anderes Modell nimmt an, dass Wassereis, einmal dem Vakuum des Weltraums ausgesetzt, direkt sublimiert, also verdampft, ohne zwischendurch den flüssigen Aggregatszustand anzunehmen. Dies würde kürzere Intervalle von Aktivität suggerieren, nicht einen solch kontinuierlichen Strom von Teilchen. Die neue Theorie von Teilchen, die in einem Spalt kondensieren, der sich durch Wassserdampf bildet, erklärt diesen Teilchenstrom schon eher.
Im März 2008 ist der nächste Vorbeiflug bei Enceladus geplant. Cassini wird sich der Oberfläche auf bis zu 50 Kilometer nähern und in etwa 200 Kilometern Höhe durch die Fontänen fliegen. Dabei soll die Sonde Proben aus den Fontänen nehmen und mehr über ihre Zusammensetzung herausfinden.
Es ist allerdings nicht nur der E-Ring, der von Enceladus mit Eisteilchen versorgt wird. „Der A-Ring, der sich 100.000 Kilometer von Enceladus entfernt befindet, hat trotz dieses großen Abstandes eine Art Bindung mit dem Mond“, so William Farrell vom NASA Goddard Space Flight Center in Greenbelt, MD und Hauptautor eines Artikels, der über diese Entdeckung in den Geophysical Research Letters vom 23. Januar 2008 erschienen ist. „Vor Cassini glaubte man, dass beide Körper für sich stehen. Cassini hat aber nun herausgefunden, dass Enceladus einen Teil seiner Masse an den äußeren Rand des A-Ringes abgibt.“
Dies ist eines der allerneuesten Phänomene, die mit den Eisfontänen von Enceladus in Verbindung gebracht werden. Zuallererst hat man gesehen, dass aus den Fontänen der E-Ring entstanden ist. Danach fand man heraus, dass das Material von Enceladus das gesamte Magnetfeld von Saturn beeinflusst – als Plasma, ein Gas von elektrisch geladenen Teilchen. Jetzt haben die Cassini-Wissenschaftler entdeckt, dass dieses Plasma, das eine Donut-ähnliche Wolke um Saturn herum bildet, durch den A-Ring wie durch einen riesigen Schwamm absorbiert wird.
Nachdem sie aus Enceladus´ Innerem gestoßen sind, werden die Gasteilchen durch Sonnenlicht und Kollisionen mit anderen Atomen und Elektronen ionisiert. Einmal elektrisch geladen, fühlen die Teilchen Magnetkraft und werden in die Umgebung des Saturns gestoßen, die durch sein starkes Magnetfeld dominiert wird. Sie werden durch die riesigen magnetischen Feldlinien eingefangen, die sich vom Saturnnordpol zu seinem Südpol erstrecken. Sobald sie aber in die Nähe des A-Ringes kommen, bleiben sie dort hängen und werden Teil dieses Ringes.
„Dies ist ein Beispiel dafür, wie die Saturnringe die gesamte Strahlung um den Planeten herum abschwächen, indem sie hoch- und niedrigenergetische Teilchen förmlich aufsaugen“, so Farrell. Jupiter zum Beispiel hat keine dichten Ringe, die Teilchen aufsaugen, deshalb bleibt die extrem starke Strahlung in der Umgebung des Planeten instand.
Die neuen Ergebnisse bestätigen eine Vermutung von John Richardson und Slobodan Jurac vom Massachusetts Institute of Technology. In den frühen 90er Jahren hat das Hubble Space Telescope einen großen Körper mit wasserähnlichen Molekülen 240.000 Kilometer von Saturn entfernt entdeckt. Von dieser Wasserwolke haben sie ein Modell entwickelt und demonstriert, dass sich diese in den A-Ring bewegen könnte. „Wir haben uns bei der Interpretation unserer Daten auf deren Theorie gestützt“, so Farrell. „Sie sagten es voraus, und wir haben es gesehen.“
Zu Zeiten ihrer Vorhersage war die Quelle dieses Wassers noch unbekannt. Erst 2005 entdeckte Cassini die erstaunlichen Fontänen von Enceladus.
Die Daten über diesen nahezu schwammartigen Charakter des A-Rings sind im Juli 2004 gesammelt worden, als Cassini den Saturn erreichte und seinen dichtesten Vorbeiflug über den A-Ring machte. „Wir sind ziemlich dicht am Rand dieses Ringes vorbei geflogen.“
„Hot spots“ an der inneren Wand dieses Plasma-Donuts – des Teils, der mit dem A-Ring kollidiert – haben Radiowellen emittiert. Diese Wellen haben wie ein natürliches Funkfeuer gewirkt, das die Plasmadichte am inneren Rand dieses „Donuts“ gezeigt hat. Cassinis Radio- und Plasmawelleninstrument hat diese Wellen aufgefangen, und das Team von Wissenschaftlern hat diese Signale benutzt, um die Dichte des Plasmas – je höher die Frequenz, desto dichter das Plasma – und deren Veränderung im Laufe der Zeit zu überwachen. „Als wir uns dem A-Ring näherten, wurde die Frequenz niedriger, was hieß, dass die Plasmadichte gringer wurde, weil sie durch den Ring absorbiert wurde“, sagte Farrell. „Das haben wir ganz besonders gemerkt, als die Frequenz höher wurde, als wir die Cassini-Spalte passierten.“ Dort wurde nämlich die Frequenz höher, was darauf schließen ließ, dass die Plasmadichte stieg, weil sich Plasma durch die Spalte hindurch bewegte.