Das bemannte US-Raumfahrtprogramm ruht vorerst. Wann wieder Space Shuttles abheben können, steht buchstäblich in den Sternen…
Ein Beitrag von felixkorsch. Quelle: NASA, Spaceflightnow.com.
Einige Zeit nun war es still um die geplante Wiederaufnahme der Space Shuttle-Flüge seitens der NASA. In Folge des tragischen Unglücks vom 1. Februar dieses Jahres wurde die verbleibende Raumschiff-Flotte der US-Amerikaner gegroundet, um zu gegebener Zeit mit verbesserten Systemen wieder ins All aufbrechen zu können. Auf jeden Fall, so die NASA, soll sich eine Tragödie wie das der Columbia, bei der sieben Raumfahrer den Tod fanden, nicht wiederholen können. Im Mittelpunkt des return to flight-Programms steht daher der Austausch kritischer Hardware durch neue Technologie, denn in den teilweise drei Jahrzehnte alten Baugruppen wird das Hauptrisiko für den gesamten Orbiter ausgemacht. Jene Arbeiten gestalten sich entsprechend umfangreich. Experten rechnen daher mit einem Neuanlauf der Shuttle-Flüge frühestens im September des kommenden Jahres. Ursprünglich wurde der vergangene Herbst als gewünschter Zeitrahmen hierfür in Angriff genommen, später wurde das Frühjahr 2004 genannt.
Insgesamt, so rechnet die NASA, werden für den Gesamtumfang der Ausbesserungsarbeiten an den drei Orbitern AtlAtlantis, Endeavour und Discovery 280 Millionen US-Dollar fällig. Das Columbia Accident Investigation Board (CAIB), welches im August ihren finalen Untersuchungsbericht zu den Ursachen der Columbia-Katastrophe veröffentlichte, nannte seinerzeit 15 technische Schwachstellen, welche von der NASA bis zur Wiederaufnahme des Flugregimes auszubessern sind. Hinzu kommen weitere 14 kritische Punkte in der Architektur des Shuttles, welche im Laufe der Zeit ebenfalls beseitigt werden müssen. Den Hauptaspekt macht dabei die notwendige Möglichkeit aus, Schäden in der äußeren Struktur des Orbiters festzustellen und, soweit möglich, durch die Besatzung zu reparieren. Weiterhin soll es nicht mehr möglich sein, dass sich lösendes Isolationsmaterial vom Externen Tank die Hitzekachel-Struktur an der Unterseite des Shuttles beeintträchtigt. Eben ein solcher Vorgang verursachte kurz nach dem Start der Columbia einen Schaden, der – von der Crew bis zum Ende unbemerkt – beim Wiedereintritt den Eintritt heißer Gase in die innere Struktur des Orbiters erlaubte. Die Folge war das Zerbersten des Raumfahrzeuges.
Von der Unterbrechung des aktiven Flugprogramms besonders in Mitleidenschaft gezogen wird die Internationale Raumstation. Das Space Shuttle ist hierfür gemeinsam mit den russischen Zubringerflügen das wichtigste Transportmittel für Versorgungsgüter. Die Russen allein können die Transportlast mit ihren begrenzten Mitteln nicht tragen. Gleichzeitig ruht der weitere Ausbau der ISS, da dem Shuttle beim Anliefern neuer Module eine Schlüsselrolle zukommt. Schon jetzt ist der Aufbauplan um viele Monate „out of date“. Die Größenordnung weiterer Verzögerungen werden die kommenden Monate entscheiden. Geht es nach der NASA, so wird im September die Mission STS-114, bemannt durch eine Minimal-Crew, mit der Atlantis wieder die ISS angesteuert werden können – dann schon mit einem wesentlich modifizierten Shuttle. Äußerlich wird sich wenig verändern, die Innenleben der alternden Raumschiffe sollen sich dagegen erheblich ändern.
So soll etwa bereits der Start unter schärferen Sicherheitsvorkehrungen vor sich gehen. Mehrere so genannte rocket cams werden, angebracht an verschiedenen Stellen an der äußeren Hülle des Orbiters, den Technikern und Ingenieuren im Kontrollzentrum die Vorgänge während des Aufstieges aus nächster Nähe aufzeigen. Wird die Außenhülle beschädigt, wie es offenbar im Falle der Columbia geschah, kann dies sofort festgestellt und der Schaden schon zu Beginn der Mission näher eingeschätzt werden. Unterstützt wird man hierbei durch zwei Dutzend Sensoren an den Flügelvorderkanten, die jede Art von Krafteinwirkung verzeichnen sollen. Auftreffende Trümmerteile oder auch Mikrometeoriten bleiben damit nicht unbemerkt und die Astronauten können an Hand dieser Daten sofort schlussfolgern, an welcher Stelle ein möglicher Schaden vorgefunden werden kann. Dieser kann dann durch den Einsatz eines zwanzig Meter langen Manipulatorarms in der Ladebucht des Shuttles näher verifiziert werden. Sollte das Ergebnis positiv ausfallen, wird ein repair kit zur Verfügung stehen, welches es der Crew ermöglichen soll, auch kleinste Haarrisse an der Außenhaut oder Verluste von Hitzeschutzkacheln auszubessern.
Hinter den Termin des Septembers ist bis dato allerdings noch ein dickes Fragezeichen zu setzen. Besagtes repair kit beschert der NASA zweierlei Probleme: erstens ist nicht klar, wie ein solches überhaupt aussehen soll – gibt es überhaupt Wege, kritische Schäden sicher auszubessern, wenn dieser Vorgang bereits bei den Inspektionen auf der Erde eine Handarbeit von Monaten erfordert? – und zweitens werden die hierfür mitgeführten Materialien zweifellos wertvolle Nutzlastkapazität kosten. Ob das repair kit dann auch in absehbarer Zeit zur Verfügung stehen wird, ist ebenso ungewiss. Ohne dieses wird kein Shuttle abheben. Pessimistische Stimmen prophezeihen schon jetzt, dass die return to flight-Prozedur wohl noch über ein Jahr in Anspruch nehmen wird. Fraglich, ob dies für die NASA hinnehmbar ist – und es ist unklar, wie lange die ISS im halben Gang weiter bemannt bleiben kann.