Neue Oberflächenbilder von Pluto

Am 4. Februar 2010, dem 104. Geburtstag des Pluto-Entdeckers Clyde Tombaugh, veröffentlichte die amerikanische Weltraumbehörde NASA neue Aufnahmen dieses Zwergplaneten. Auf den Bildern sind deutliche Anzeichen für eine Veränderung auf dessen Oberfläche erkennbar.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: NASA, SwRI, Planetary Society, ScienceBlogs (F. Freistetter).

NASA, ESA, M. Biue (SwRI)
Aus solchen Rohdaten wurden mittels des Ditherings die neuen Pluto-Bilder berechnet.
(Bild: NASA, ESA, M. Buie (SwRI))

Lange Zeit galt Pluto als der neunte Planet unseres Sonnensystems, bevor ihm dieser Status auf der 26. Generalversammlung der Internationalen Astronomischen Union (IAU) am 24. August 2006 aberkannt wurde. Seitdem wird Pluto der damals neu definierten Klasse der Zwergplaneten zugerechnet. Trotzdem hat das wissenschaftliche Interesse an diesem Objekt an der äußeren Grenze unseres Sonnensystems nicht nachgelassen. Allerdings ist es aufgrund der großen Entfernung zur Erde und des kleinen Durchmessers dieses Zwergplaneten selbst mit den derzeit größten erdgestützten Teleskopen nicht möglich, im sichtbaren Licht Details von dessen Oberfläche zu erkennen. Hierzu ist gegenwärtig lediglich das Weltraumteleskop Hubble in der Lage. Aus mehreren im Sommer 1994 angefertigten Aufnahmen wurde eine Karte der Oberfläche des Zwergplaneten erstellt, welche im Jahr 1996 veröffentlicht wurde.

Im März 2002 erhielt das Hubble Space Telescope eine neue Kamera, die Advanced Camera for Surveys (ACS). Mit diesem neuen Kamerasystem wurden zwischen dem 11. Juni 2002 und dem 8. Juni 2003 insgesamt 384 weitere Bilder von Pluto aufgenommen. Bei 12 Beobachtungskampagnen wurde der Zwergplanet dabei mit verschiedenen Farbfiltern abgebildet. Im Verlauf eines äußerst aufwendigen Bildbearbeitungsverfahrens, des sogenannten Ditherings, gelang es den Wissenschaftlern um Marc W. Buie vom Southwest Research Institute (SwRI) in Boulder/Colorado schließlich, eine neue Oberflächenkarte des Pluto zu berechnen. Durch das hierbei angewandte Dithering war es möglich, die gegeneinander leicht versetzt aufgenommenen Bilder mittels Computer-Bildbearbeitung miteinander zu kombinieren und auf diese Weise eine bessere Qualität zu erzielen, als dies von der theoretischen Kameraauflösung her möglich gewesen wäre. Auf diese Weise konnte die bis zum jetzigen Zeitpunkt detailreichste Karte von der Oberfläche dieses Zwergplaneten erstellt werden.

Aufgrund der Tatsache, dass Pluto auf den gewonnenen Aufnahmen nur wenige Pixel groß erscheint, glich diese Arbeit anfangs eher einem Ratespiel. Die Wissenschaftler gingen bei der Erstellung der aktuellen Karte zuerst mehr oder weniger von einer vermuteten Struktur der Oberfläche aus. Daraus wurde ein Modell der Oberfläche erschaffen. Mit entsprechenden Software-Programmen erzeugte man ein Bild davon, wie das Hubble Space Telescope diese theoretische Oberfläche dargestellt hätte. Im Anschluss erfolgte ein Vergleich mit den tatsächlich beobachteten Daten.

NASA, ESA, M. Buie (SwRI)
Unser neuer Blick auf Pluto in verschiedenen Phasen seiner Rotation.
(Bild: NASA, ESA, M. Buie (SwRI))

Anhand der dabei festgestellten Unterschiede zwischen dem Modell und der Realität erfolgte die erneute, diesmal verfeinerte Erstellung einer theoretischen Karte und ein anschließender erneuter Vergleich mit den beobachteten Werten. Durch einen permanenten Abgleich dieser vermuteten Oberfläche mit den tatsächlich beobachteten Daten und der anschließenden Erstellung eines verbesserten Oberflächenmodells gelang es schließlich, die in der letzten Woche vorgestellte Oberflächenkarte zu errechnen. Mit dieser aufwendigen Arbeit waren 20 simultan arbeitende Computer vier Jahre lang beschäftigt.

Auf diese Weise gelang es, die Oberfläche Plutos bis zu einer Größe von etwa 100 Kilometern pro Bildpunkt aufzulösen. Dies reicht zwar noch nicht aus, um Oberflächendetails wie etwa Krater oder Berge darzustellen, ist aber genug, um farbliche Unterschiede zu erkennen. Deutlich sichtbar sind sich abwechselnde Gebiete mit weißen, orangefarbenen, braunen und schwarzen Farbtönen. Auf Spektralaufnahmen des Zwergplaneten konnten bisher Wassereis, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid nachgewiesen werden. Bei den weißen Gebieten, so die Interpretation, dürfte es sich wahrscheinlich um gefrorenes Kohlendioxid handeln. Die rötlich und bräunlich erscheinende Grundfärbung der Oberfläche kommt dagegen wahrscheinlich durch Methan zustande, welches durch die UV-Strahlung der Sonne aufgespalten wird. Die dabei freigesetzten kohlenstoffhaltigen Moleküle schließen sich zu langkettigen Kohlenwasserstoffen zusammen, welche sich anschließend auf der Oberfläche niederschlagen.

NASA, ESA, M. Buie (SwRI)
Die Veränderungen auf Plutos Oberfläche sind deutlich sichtbar.
(Bild: NASA, ESA, M. Buie (SwRI))

Vergleicht man diese aktuelle Karte mit der älteren, auf den im Jahr 1994 vom Hubble Space Telescope aufgenommen Bildern basierenden Karte, so zeigt sich, dass Pluto zum jetzigen Zeitpunkt sehr viel röter erscheint als damals. Außerdem sind eindeutige Veränderungen auf dessen Oberfläche erkennbar. Das Gebiet um den Nordpol erscheint jetzt heller, während die Gegend im Bereich des Südpols sich verdunkelt hat. Einige der im Jahr 1994 beobachteten dunklen Gebiete haben ihre Position beziehungsweise ihre Form und Ausdehnung verändert, während andere Stellen der Oberfläche keine signifikanten Veränderungen erkennen lassen. Im gleichen Zeitraum aufgenommene Bilder von Plutos größten Mond Charon lassen diese Veränderungen nicht erkennen. Die Wissenschaftler um Marc Buie führen dies auf die starken jahreszeitlich Effekte zurück, denen Pluto unterliegt und die gerade zum jetzigen Zeitpunkt einen starken Wandel von Oberfläche und Atmosphäre nach sich ziehen.

Hierbei spielt nicht nur die extreme Achsenneigung von 122 Grad gegen die Bahnebene eine Rolle, sondern auch die stark elliptische Umlaufbahn Plutos, welche im Lauf eines Plutojahres für sehr unterschiedliche Temperaturen auf dessen Oberfläche sorgt. An seinem sonnennächsten Punkt der Umlaufbahn um die Sonne, dem Perihel, ist Pluto 29,7 Astronomische Einheiten von der Sonne entfernt. Am sonnenfernsten Punkt, dem Aphel beträgt diese Distanz dagegen 49,3 Astronomische Einheiten. Zum Zeitpunkt der Aufnahmen befand sich Pluto mit einer Entfernung von 30,6 Astronomischen Einheiten noch immer in relativ großer Nähe zur Sonne. Der Nordpol ist dabei in Richtung auf die Sonne geneigt.

„Diese Bilder erlauben es den Planetologen, die Observationen von Pluto während der letzten mehr als 30 Jahre und die dabei gewonnenen Erkenntnisse besser zu interpretieren“, so Marc Buie. „Die Beobachtungen mit Hubble sind der Schlüssel dazu, die anderen vielfältigen Beobachtungen bezüglich des Wetters und des Wechsels der Jahreszeiten in einen Zusammenhang zu setzen.“ Die Hubble-Bilder unterstreichen, dass es sich bei Pluto nicht um einen toten Körper aus Stein und Eis handelt, sondern dass dieses Objekt an der Grenze unseres Sonnensystems vielmehr eine dynamische Welt darstellt, welche einem dramatischen Wechsel des atmosphärischen Geschehens unterliegt. Mit erdgebundenen Teleskopen konnte man feststellen, dass sich die Masse der Atmosphäre des Zwergplaneten zwischen den Jahren 1988 bis 2002 in etwa verdoppelt hat. Dieser durch die momentane Sonnennähe bedingte Effekt lässt sich durch die Beobachtungen des Hubble Space Telescopes nun besser interpretieren.

NASA, ESA, M. Buie (SwRI), Animation: Raumfahrer.net
Eine aus drei Einzelbildern erstellte Animation der Rotation des Zwergplaneten Pluto.
(Bild: NASA, ESA, M. Buie (SwRI), Animation: Raumfahrer.net)

In den Monaten vor und nach dem 14. Juli 2015 werden wir dann hoffentlich auch erfahren, wie die Oberflächen von Pluto und seinen drei bisher bekannten Monden Charon, Nix und Hydra im Detail beschaffen sind. An diesem Tag wird sich die von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Raumsonde New Horizons dem Pluto bis auf etwa 10.000 Kilometer nähern und ihn dabei mit insgesamt sieben wissenschaftlichen Instrumenten ausgiebig untersuchen. New Horizonswurde am 19. Januar 2006 gestartet und hat gegenwärtig etwa die Hälfte der Strecke zu Pluto zurückgelegt (Raumfahrer.net berichtete).

Bis zum Anfang des Jahres 2015 werden die aktuell veröffentlichten Bilder daher auch die detailreichsten Aufnahmen des Zwergplaneten Pluto bleiben, welche uns zur Verfügung stehen. Erst etwa sechs Monate vor der größten Annäherung wird das Kamerasystem „LORRI“ an Bord von New Horizons in der Lage sein, die ACS-Aufnahmen des Hubble Space Telescope in ihrer Auflösung zu übertreffen.

Marc Buie plant ab April 2010 eine weitere Beobachtungskampagne mit dem Hubble Space Telescope. Allerdings werden die dabei geplanten Aufnahmen nicht die Auflösungen der Beobachtungen von 2002 und 2003 erreichen. Trotzdem wird man auch bei diesen mit dem WFC-3-Kamerasystem zu erstellenden Bildern weitere farbliche Veränderungen auf der Oberfläche des Pluto registrieren und so den Wandel der Jahreszeiten weiterhin verfolgen können.
Zugleich stellen all diese Aufnahmen eine wichtige Vorbereitung für die Mission von New Horizons dar. Anhand dieser Bilder können die Wissenschaftler bereits jetzt die interessantesten Gebiete auf der Oberfläche von Pluto lokalisieren und so den im Sommer 2015 stattfindenden Vorbeiflug der Sonde planen und die dabei zu beobachtenden Regionen festlegen. Auch sind diese Aufnahmen wichtig, um zum Beispiel die Belichtungszeiten für einzelne Fotoaufnahmen von New Horizons festzulegen.

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