Seit mehreren Dekaden nun wird das schnell eintretende, helle Aufleuchten eines Sterns am Ende seines Lebens durch eine gewaltige Explosion, bei der der Stern selbst vernichtet (bzw. in Energie umgesetzt) wird, beobachtet. Sowohl die Qualität, als auch die Quantität der Daten solcher Naturereignisse, bei denen die Leuchtkraft des Sterns für kurze Zeit millionenfach zunimmt, zeigt mit fortschreitender Auswertungs- bzw. Analysetechnik in der jüngeren Vergangenheit immer wieder auch neue Unterklassen der Supernovae. Ein schon vor sieben Jahren dokumentiertes Ereignis dieser Art geht noch einen Schritt weiter und stellt wohl den Prototypen einer neuen physikalischen Klasse von Sternenexplosion dar.
Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL), LBNLs Computational Cosmology Center, San Diego State University, Lars-C. Depka.
Das besondere am Outburst SN2002BJ ist die Geschwindigkeit, mit der sich die Supernova entwickelte. Im Vergleich zu den bisher bekannten Standardnovae durchlief die eher matte SN2002BJ einen etwa vierfach beschleunigten Zyklus und fiel innerhalb von 20 bis maximal 27 Tagen schlagartig unterhalb der Nachweisgrenze. Entdeckt wurde der Ausbruch in der weit entfernten Spiralgalaxie NGC 1821 schon im Jahre 2002, wurde irrtümlicherweise allerdings auch gleichzeitig als typischer Vertreter einer Typ-II-Supernova klassifiziert und geriet in Vergessenheit. Im Zuge einer Forschungsarbeit zur beschleunigten Ausdehnung des Universums stieß man nun auf die sieben Jahre alten Spektraldaten der vermeintlichen Typ-II-Supernova und erkannte bald ihre prinzipielle Falschbewertung.
Trotz der kurzen Lebensspanne gelang der starke Befund von Heliumsignaturen im Explosionsspektrum. In Kombination mit möglicherweise vorhandenem Vanadium – einem bis dato noch in keinem Spektrum einer Supernova nachgewiesenen Element – und der Abwesenheit von Wasserstoff, resultiert infolge dessen die Mutmaßung eines undokumentierten physikalischen Explosionsmechanismus (und nicht lediglich einer Variation eines bekannten Ablaufes), bei dem Heliumdetonationen auf weißen Zwergsternen als charaktergebend zu erachten sind.
Im Zuge solcher vehementer Energieumsätze fällt Weißen Zwergen grundsätzlich eine wesentliche Rolle zu. Weiße Zwerge sind verhältnismäßig kleine, jedoch relativ heiße Sterne und stellen die finale Entwicklungsstufe von Sternen wie beispielsweise unserer Sonne dar. Nach bisheriger Lehrmeinung werden Supernovaexplosionen nach ihren Typisierungsklassen I und II unterschieden. Beteiligte an einer Typ-I-Explosion sind Sterne bis ca. 8-facher Sonnenmasse in einem engen Binärsystem. Ein schon ausgebrannter Sternenrest (der Weiße Zwerg) akkretiert vor dem Hintergrund seines gesteigerten gravitativen Einflusses von seinem Begleiter – in diesen Systemen typischerweise ein Roter Riese- , der in seiner Ausdehnung oder Umlaufbahn die Roche-Grenze überschritten hat, wasserstoffreiche Materie aus seiner aufgeblähten Hülle. Während dieses Akkretionsprozesses kommt es schon vermehrt zu Novaausbrüchen, in Form eines in der Regel explosiven nuklearen Wasserstoffbrennens in der den weißen Zwerg umgebenden Schale, die sich aber durch weitaus weniger Energieabgaben auszeichnen, als sie bei Supernovaexplosionen zu erwarten sind. Die nach diesen Prozessen zurückbleibenden Fusionsprodukte erhöhen die Masse des Zwergsterns weiter, bis diese oberhalb der sogenannten Chandrasekhar-Grenze (das theoretisch massehöchste Stadium) anlangt. Ab dem Überschreiten dieser Grenze, kippt das Strahlungs-Gravitationsgleichgewicht des Sterns zu ungunsten des Strahlungsdrucks und der Weiße Zwerg beginnt durch Eigengravitationseinflüsse zu kollabieren.
Allerdings enthalten Weiße Zwerge sehr zum Unterschied zu den Vorgängersternen hohe Anteile fusionsfähigen Kohlenstoffs. Die im weiteren Verlauf der Kollabierung rapide einsetzende Kernfusion (Kohlenstoffbrennen) verhindert daher die Entstehung eines Neutronensterns durch andauernde weiter Kontraktion des Eisenkerns. Allerdings laufen diese Prozesse derart energiereich ab, dass der gesamte Stern in einer Supernova explodiert, was den Phänomenen der Typ-I-Novae auch die Bezeichnung „thermonukleare Supernovae“ eingebracht hat.
Der qualitative Unterschied der „neuen“ Supernova zu denjenigen des Typs I liegt nun im Überleben des Weißen Zwergs, der während des Kernkollapses nicht komplett zerstört wird.
Trotz ihrer stark ausgeprägten Diversität, laufen die Geschehnisse innerhalb der beiden bekannten Supernovatypen in recht engen und gut dokumentierten spektralen und zeitlichen Bandbreiten ab. SN 2002BJ liegt indes sowohl in spektraler, als auch in zeitlicher Hinsicht nachhaltig außerhalb dieser anerkannten Kenngrößen.
Favorisiert wird mithin derzeit ein Szenario, bestehend aus einem Binärsystem Weißer Zwerge (sogenannte AM Canum Venaticorum; AM CVn, also eine besondere Gattung kurzperiodischer kataklysmischer Veränderlicher), wobei die vornehmlich aus Helium bestehende Sekundärkomponente durch gravitative Einflüsse der Primärkomponente langsam große Mengen Helium an sie verliert.
Die sich auf diese Weise entwickelnde blasse, superschnelle thermonukleare Supernova sollte schwere Elemente wie z. B. Chrom hervorbringen, welches schnell zu Vanadium und schließlich zu Titan zerfällt. Und genau der Nachweis dieser Vanadium-Absorptionslinien wird Gegenstand kommender spektroskopischer Untersuchungen werden. Erst danach wird man genauer wissen, ob die Geschichte der Supernovae um ein neues Kapitel ergänzt werden muss.
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