Mit einer neuen Kamera beobachtet die ESA das Auseinanderbröckeln des Kometen 73P/Schwassmann-Wachmann. Dabei gelang ein detaillierter Blick ins Innere.
Ein Beitrag von Florian Stremmel. Quelle: ESA.
Das fortwährende Auseinanderbrechen des im Jahre 1930 entdeckten Kometen kann die europäische Raumfahrtagentur nun mit Hilfe der optischen Bodenstation in Teneriffa verfolgen, zu deren Ausstattung eine neue Kamera zählt. Diese ermöglichte es, Drehungen einzelner Fragmente des Kometen detailreich zu beobachten.
Bei der von der ESA entwickelten, supraleitenden Kamera SCAM (superconducting camera) handelt es sich um eine Photonen zählende Kamera, die fast bis auf den absoluten Nullpunkt (-273,15 °C), genauer gesagt, Dreihundert-Tausendstel Grad darüber, gekühlt wird. Dies ermöglicht ihren empfindlichen Elektronen-Detektoren (auch supraleitende Tunnel-Detektoren), beinahe jedes einzelne Licht-Teilchen (Photon) zu registrieren, das einfällt. Damit ist die Kamera ein sehr gutes Instrument, um schnelle und schwache Veränderungen der Komet-Fragmente zu entdecken.
Das nach seinen Entdeckern benannte Objekt 73P/Schwassmann-Wachmann, auch Schwassmann-Wachmann 3, ist ein kurz-periodischer Komet, der sich alle 5,4 Jahre der Sonne nähert. Vor zwei Annäherungen, sprich im Jahre 1996, zerbrach der Kometenkern in fünf Stücke (Fragmente A, B, C, D und E) von denen drei (B, C und E) bei seiner Wiederkehr 2001 immer noch sichtbar waren.
Als der Komet in diesem Jahr der Sonne wieder näher kam, waren anfangs sieben Bruchstücke zu sehen, folglich geht der Prozess des Auseinanderbrechens weiter. Und so konnten Astronomen beobachten, wie sich weitere Fragmente abtrennten; allein Fragment B produzierte mindestens sieben neue Einzelteile. Insgesamt sind zur Zeit ungefähr 40 Bruchstücke sichtbar, von denen die meisten sehr klein und von unregelmäßiger und kurzlebiger Aktivität sind.
SCAM wurde am 7. Mai 2006 an das Einmeter-Teleskop der optischen Bodenstation der Europäer angebracht, um kurz danach 73P/Schwassmann-Wachmann unter die Lupe zu nehmen. Alle paar Mikrosekunden wertet die Kamera die Anzahl der Photonen, die es berührt haben, sowie deren Farbe aus. Die ESA-Wissenschaftler nutzten die zuvor nicht da gewesene Genauigkeit des Instruments, um die Entwicklung von Staub- und Gashüllen in Verbindung mit jedem einzelnen Bruchstück zwei Stunden lang aufzuzeichnen. Nun müssen die Ergebnisse analysiert werden. Speziell wird nach Unterschieden hinsichtlich der Größe und Form sowie nach Farbdifferenzen der einzelnen Teilobjekte untereinander gesucht. Dies könnte Hinweise auf unterschiedliche Zusammensetzungen geben.
Die hohe Auflösung hinsichtlich der Zeit ermöglichte zusätzlich weitere Untersuchungen. Von jedem Fragment können Brüche und andere Aktivitäten verfolgt werden, bis hin zu Veränderungen, die sich innerhalb einer Minute ereignen. Zusätzlich ermöglichen es die Beobachtungen, Wechselwirkungen zwischen den Gas- und Staubströmen der zwei sich zueinander am nächsten befindlichen Fragmente zu studieren. Deren Partikel werden bei einer Geschwindigkeit zwischen 0,5 und einem Kilometer pro Sekunde freigesetzt.
73P/Schwassmann-Wachmann gehörte zur engeren Auswahl derjenigen Kometen, die als mögliches Ziel von ESA’s Rosetta-Mission betrachtet wurden. 1995, kurz vor dem ersten Auseinanderbrechen, fiel die Entscheidung gegen ihn und zu Gunsten von 46P/Wirtanen. Auch nach der Startverschiebung im Jahr 2003 wollte die Raumfahrtagentur 73P/Schwassmann-Wachmann nicht zum Ziel der Mission machen, weil sein Verhalten zu unbeständig war und damit ein zu großes Risiko dargestellt hätte. Im Jahr 2014 wird Rosetta den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko erreichen und das Landegerät Philae absetzen.