In welchem Verhältnis die Allgemeine Relativitätstheorie (ART) zu der Quantenphysik steht, lässt sich vielleicht am sinnvollsten anhand der Messung der durch den gravitativen Einfluss eines Körpers verursachten Raumkrümmung verstehen. Vielleicht eröffnet sich durch eine hochpräzise Messung der Ablenkung des Lichts darüber hinaus jetzt auch ein Weg, die beiden allumfassenden Theorien langfristig zu verschmelzen. Die Beschreibung der Welt durch eine einzige Theorie (der „Weltformel“, oder die „Theorie von Allem“) ist ein Gedanke, der Physiker seit Generationen umtreibt.
Ein Beitrag von Lars-C. Depka. Quelle: Kopeikin,Fomalont & Benson für VLBA Ergebnisse; Lars-C. Depka.
Und das ist nicht ohne Grund: Denn in ihren philosophischen Grundzügen sind Quantenmechanik (QM) und ART grundverschieden, obschon die Welt, die sie beschreiben, dieselbe ist. Bislang liegen außerhalb kosmologischer Beobachtungen keinerlei Möglichkeiten vor, eine derartige Theorie oder die Chancen zu ihrer Verknüpfung, zu überprüfen. Und dennoch existiert interdisziplinär im Rahmen des Reduktionismus eine nicht unwesentliche Überzeugung der möglichen Rückführung sämtlicher physikalischer Vorgänge auf ein einziges Grundprinzip.
Verkürzt betrachtet, lässt sich das Problem der Unvereinbarkeit beider Theorien aus folgendem Blickwinkel beleuchten: Von ihrem Grundprinzip weicht die Quantenmechanik nicht ab. Zwischen den Teilchen der reellen Welt (wie Quarks und Elektronen) interagieren Wechselwirkungsteilchen wie Gluonen und Photonen, die Kräfte zwischen ihnen übertragen.
Mit Hilfe der Quantenmechanik lässt sich so auch verhältnismäßig zwanglos das Phänomen der Fernwirkungskräfte eines Magneten erklären, wenn er beispielsweise eine Schraube anzieht. Solche Austauschprozesse lassen sich zwar nur näherungsweise, allerdings recht anschaulich innerhalb eines sogenannten Feynman-Diagramms (einer Art Zeit-Ort-Diagramm) darstellen.
Von den vier physikalischen Grundkräften lassen sich die elektromagnetische Wechselwirkung, die starke und die schwache Wechselwirkung mit Hilfe eines Zeit-Ort-Diagramms darstellen. Einzig die Gravitation bildet eine Ausnahme. Von ihrem Grundsatz her unterscheidet sich die Gravitation elementar von den anderen Grundkräften und lässt sich vor diesem Hintergrund nicht in die Quantenmechanik integrieren.
Allerdings wird sie en détail durch die ART beschrieben. Im entscheidenden Unterschied zur QM existieren in der ART ungeachtet dessen aber keine kraftübertragenen Wechselwirkungsteilchen. Vielmehr beschreibt die ART einen grundsätzlich geradlinigen Verlauf von Materie durch Raum und Zeit, der in der Nähe von Massen jedoch zur Masse hin verzerrt wird.
Vergleicht man die Rahmenbedingungen beider Theorien, treten die Unterschiede noch deutlicher zu Tage. In der jüngeren Vergangenheit wurde oftmals versucht, den Grundgedanken der Quantenmechanik auf die Gravitation zu übertragen und ihre Natur durch die Einführung eines (höchsthypothetischen) Wechselwirkungsteilchens namens Graviton zu erklären, dessen experimenteller Nachweis allerdings bislang weitestgehend außerhalb des Möglichen liegt. Desweiteren setzt die Existenz eines solchen Gravitons parallel eine Art Leinwand voraus, so wie jeder Kinofilm eine solche benötigt, um vom Publikum gesehen zu werden.
Als Hintergrundmetrik – oder Leinwand – des Gravitons fungieren in diesem Zusammenhang die Koordinaten des Feyman-Diagrams. Also Raum und Zeit. In der ART geht es vom Grundsatz her aber nicht um den Kinofilm, denn die Leinwand als solche ist gebogen. Die verursachende Schwerkraft soll in der Quantenmechanik durch den Austausch eines Teilchen erklärt werden, das sich durch Raum und Zeit bewegt. Die ART hingegen erklärt die Gravitation eben durch genau diese Krümmung der Raum-Zeit. Dieser definitionsbedingte Widerspruch ist nicht nur offensichtlich, sondern als prinzipiell zu betrachten, was es in letzter Konsequenz bisher unmöglich macht, beide Theorien schlüssig miteinander zu vereinen.
Einen innovativen Ansatz, den astrophysikalischen gordischen Knoten zu durchschneiden, kann vielleicht ein Projekt des Very Long Baseline Array (VLBA) bieten, durch das die durch die Gravitation der Sonne hervorgerufene Beugung des (Sternen)Lichts, respektive die scheinbare Position der emittierenden Objekte ermittelt wird, ein Phänomen, welches ja auch schon zu Zeiten Albert Einsteins in seiner ART 1916 vorausgesagt und während der Sonnenfinsternis 1919 verifiziert wurde.
Seither sind in 90 Jahren eine Vielzahl von Messungen dieses beobachtbaren Effekts erfolgt, bei dem die Raumkrümmung bzw. die gravitativ bedingte Ablenkung des Lichts als ein Parameter „gamma“ klassifiziert wird und der nach der ART einem Wert von 1,0 entsprechen soll. Da selbst schon eine Abweichung im Millionstelbereich von diesem Gammawert tiefgreifende Auswirkungen hinsichtlich des Vereinigungszieles der beiden Theorien nach sich zieht, liegt die Notwendigkeit hochexakter Messdaten unabweisbar auf der Hand. Die vor diesem Hintergrund geforderten hochpräzisen Positionsmessungen sollen nun durch den Einsatz des VLBA erreicht werden, eines kontinentüberspannenden Systems von Radioteleskopen, dass sich von Hawaii bis zu den Jungfraueninseln erstreckt. Und die ersten Ergebnisse können sich durchaus sehen lassen: Als Gammawert wird aktuell 0,9998 +/- 0,003 erhoben, eine Zahl in erfreulicher Nähe des in der ART postulierten Wertes von 1,0. Gleichwohl ist eine weitergehende Näherung des derzeitigen Gammawertes an den „Sollzustand“ der ART von zentraler Bedeutung.
Auch Cassini hat sich zwischenzeitlich an Messreihen beteiligt, mit deren Hilfe die Genauigkeit des fundamentalen Werts der allermeisten Gravitationstheorien (einschließlich der ART) um den Faktor vier gesteigert werden soll. Allerdings zeichnet sich bis dato auch durch den Einsatz der Raumsonde noch kein Ergebnis ab, welches von allen astrophysikalischen Projektgruppen gleichermaßen geteilt wird. Die Weltformel lässt also wohl noch etwas auf sich warten, und mit ihr auch die Überbrückung der Dualität unseres Weltverständnisses, die sich, wie zuvor erwähnt, eben auch auf die Quanten- und Feldtheorie erstreckt. Als Zwischenlösung, die versucht die Gegensätzlichkeit der Quanten- und Feldtheorie zu überlisten, bietet die Stringtheorie trotz ihrer mitunter unorthodoxer Ansätze, das vielleicht größte Entwicklungspotential.