Vor 30 Jahren, am 16. Juli 1994, beobachteten Astronom*innen voller Spannung, wie das erste Bruchstück des Kometen Shoemaker-Levy 9 mit unglaublicher Wucht in den Jupiter einschlug. Dieses Ereignis löste ein starkes Interesse an der sog. planetaren Verteidigung aus, denn man fragte sich: „Können wir etwas tun, um zu verhindern, dass so etwas auf der Erde passiert?“ Eine Information der European Space Agency (ESA).
Quelle: ESA 16. Juli 2024.
16. Juli 2024 – Heute hat das ESA-Programm für Weltraumsicherheit einen weiteren Schritt zur Beantwortung dieser Frage gemacht. Das Programm hat die Freigabe erhalten, mit den Vorbereitungen für seine nächste Mission zur planetaren Verteidigung zu beginnen – die Rapid Apophis Mission for Space Safety (Ramses).
Ramses wird ein Rendezvous mit dem Asteroiden 99942 Apophis durchführen und ihn bei seinem sicheren, aber außergewöhnlich nahen Vorbeiflug an der Erde im Jahr 2029 begleiten. Die Forschenden werden den Asteroiden untersuchen, während die Schwerkraft der Erde seine physikalischen Eigenschaften verändert.
Ihre Erkenntnisse werden unsere Fähigkeit verbessern, unseren Planeten vor ähnlichen Objekten zu schützen, die sich in Zukunft auf Kollisionskurs befinden.
Apophis
Der Asteroid Apophis wird am 13. April 2029 in einer Entfernung von 32 000 km an der Erde vorbeiziehen und hat einen Durchmesser von etwa 375 m, was in etwa der Größe eines Kreuzfahrtschiffes entspricht. Für kurze Zeit wird er für rund zwei Milliarden Menschen in weiten Teilen Europas und Afrikas sowie in Teilen Asiens bei klarem, dunklem Himmel mit bloßem Auge sichtbar sein.
Apophis wird die Erde verfehlen: Astronom*innen haben für mindestens die nächsten 100 Jahre ausgeschlossen, dass der Asteroid mit unserem Planeten kollidieren wird. Doch der Vorbeiflug von Apophis im April 2029 ist ein extrem seltenes Naturereignis.
Nach einer Analyse der Größen und Umlaufbahnen aller bekannten Asteroiden gehen die Wissesnschaftler*innen davon aus, dass ein Objekt dieser Größe der Erde nur alle 5000 bis 10 000 Jahre so nahe kommt. Zum Vergleich: Eine totale Sonnenfinsternis findet etwa alle 18 Monate irgendwo auf der Erde statt, und der Komet Halley kehrt alle 76 Jahre an den Erdhimmel zurück.
Der Vorbeiflug von Apophis im Jahr 2029 wird die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf sich ziehen und stellt eine einzigartige Gelegenheit für Wissenschaft, planetare Verteigung und öffentliches Engagement dar.
Ramses
Die ESA-Raumsonde Ramses wird ein Rendezvous mit Apophis durchführen, bevor dieser an der Erde vorbeifliegt, und den Asteroiden während des Vorbeiflugs begleiten, um zu beobachten, wie er durch die Schwerkraft unseres Planeten verformt und verändert wird.
Patrick Michel, Forschungsdirektor des CNRS am Observatoire de la Côte d’Azur in Nizza, kommentiert: „Es gibt noch so viel, was wir über Asteroiden lernen müssen, aber bisher mussten wir tief ins Sonnensystem reisen, um sie zu studieren und selbst Experimente durchführen, um mit ihrer Oberfläche zu interagieren.“
„Zum ersten Mal bringt die Natur einen Asteroiden zu uns und führt das Experiment selbst durch. Wir müssen nur beobachten, wie Apophis durch starke Gezeitenkräfte gedehnt und gequetscht wird, was Erdrutsche und andere Störungen auslösen und neues Material unter der Oberfläche zum Vorschein bringen könnte.“
Ramses muss im April 2028 starten, damit sie im Februar 2029, zwei Monate vor der Annäherung, bei Apophis eintreffen kann. Um diesen Termin einhalten zu können, hat die ESA um die Erlaubnis gebeten, so bald wie möglich mit den Vorbereitungsarbeiten für die Mission unter Nutzung der vorhandenen Ressourcen zu beginnen. Diese Genehmigung wurde vom Programmausschuss für Weltraumsicherheit erteilt. Die Entscheidung, ob die Mission in vollem Umfang durchgeführt werden soll, wird auf der ESA-Ministerratstagung im November 2025 getroffen.
Mithilfe einer Reihe wissenschaftlicher Instrumente wird die Raumsonde eine gründliche Vorher-Nachher-Analyse der Form, Oberfläche, Umlaufbahn, Rotation und Ausrichtung des Asteroiden durchführen. Durch die Analyse, wie sich Apophis während des Vorbeiflugs verändert, werden die Wissenschaftler*innen viel über die Reaktion eines Asteroiden auf äußere Kräfte sowie über seine Zusammensetzung, innere Struktur, Kohäsion, Masse, Dichte und Porosität erfahren.
Dies sind alles sehr wichtige Eigenschaften, um zu beurteilen, wie man einen gefährlichen Asteroiden am besten von einem Kollisionskurs mit der Erde abbringen könnte. Da Asteroiden auch Zeitkapseln sind, die vor über vier Milliarden Jahren entstanden sind, werden die Daten von Ramses auch neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entstehung und Entwicklung des Sonnensystems liefern.
In der Zwischenzeit hat die NASA ihre Raumsonde OSIRIS-REx in Richtung Apophis umgelenkt. Aufgrund der Grenzen der Bahnmechanik wird die in OSIRIS-APEX umbenannte Sonde etwa einen Monat nach dem Vorbeiflug des Asteroiden an der Erde bei Apophis eintreffen.
Die Forschenden rechnen damit, dass die Gezeitenkräfte der Erde den Rotationszustand des Asteroiden verändern und möglicherweise Beben und Erdrutsche auslösen werden. Die frühzeitige Anwesenheit von Ramses wird einen detaillierten Blick auf die Veränderungen von Apophis durch seinen nahen Vorbeiflug ermöglichen. Im Anschluss werden zwei hochleistungsfähige Raumsonden bei Apophis sein, die zusätzliche wissenschaftliche Untersuchungen und die Messung der längerfristigen Auswirkungen ermöglichen.
Schnelle Aufklärung: ein Eckpfeiler der planetaren Verteidigung
Die internationale Zusammenarbeit zwischen dem Asteroiden-Impaktor DART der NASA und dem Asteroiden-Detektor Hera der ESA zeigt, dass die Menschen im Prinzip in der Lage sind, einen Asteroiden im Bedarfsfall umzulenken. Aber um auf eine reale Gefahr zu reagieren, müssen wir in der Lage sein, schnell eine Antwort zu entwickeln und einzusetzen.
Richard Moissl, Leiter des ESA-Büros für planetare Verteidigung, erklärt: „Ramses wird zeigen, dass die Menschheit in der Lage ist, innerhalb weniger Jahre eine Aufklärungsmission zum Rendezvous mit einem eintreffenden Asteroiden zu starten. Diese Art von Mission ist ein Eckpfeiler für unsere Reaktion auf einen gefährlichen Asteroiden. Zunächst würde eine Aufklärungsmission gestartet, um die Umlaufbahn und die Struktur des eintreffenden Asteroiden zu analysieren. Die Ergebnisse würden genutzt, um festzustellen, wie der Asteroid am besten umgelenkt werden kann oder um Nicht-Einschläge auszuschließen, bevor eine teure Ablenkungsmission entwickelt wird.“
Paolo Martino, verantwortlich für die Ramses-Mission der ESA, fügt hinzu: „Das Ramses-Missionskonzept nutzt einen Großteil der Technologie, des Fachwissens und der industriellen und wissenschaftlichen Gemeinschaften, die für die Hera-Mission entwickelt wurden. Hera hat gezeigt, wie die ESA und die europäische Industrie strenge Fristen einhalten können, und Ramses wird diesem Beispiel folgen.“
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