Um mit Raumsonden außerhalb des Erde-Mond-Systems in Verbindung bleiben zu können unterhalten NASA wie ESA riesige Radioantennen, die auch noch schwächste Signale von den Robotersonden empfangen.
Autor: Michael Stein. Vertont von Dominik Mayer.
Die kommenden beiden Jahre werden aufregende Zeiten in der Geschichte der Planetenforschung werden: Gleich eine ganze Flotte von Raumsonden ist seit Mitte 2003 auf den Weg zum Mars. Doch wenn dann ein halbes Jahr später Mars Express, die Mars Exploration Rover 1 & 2 und der japanische Mars-Orbiter Nozomi bei unserem Nachbarplaneten eintreffen droht ein Stau auf den intrasolaren Datenautobahnen, wie es ihn bisher noch nicht gegeben hat. Zu allem Überfluss wird ungefähr zur selben Zeit auch die amerikanische Kometensonde Stardust ihr Ziel erreichen, und natürlich gibt es noch einige andere interplanetare Raumsonden, die regelmäßig Datenübertragungskapazitäten benötigen – es wird also eng.
Immerhin aber handelt es sich um ein vorhersehbares Problem, bei dem sowohl das Ausmaß wie auch der Zeitpunkt des Auftretens bekannt sind, so dass rechtzeitig genug Abhilfe geschaffen werden kann. Die beiden großen Raumfahrtagenturen ESA und NASA sind dabei, ihre Deep Space-Kommunikationsnetzwerke auszubauen, so dass der Erfolg der kommenden Missionen nicht durch Engpässe bei der Datenübermittlung gefährdet sein sollte.
Grundlegende Aufgaben und Eigenschaften
Beiden Kommunikationsnetzwerken sind die wesentlichen Aufgaben gemein: Empfang von Telemetriedaten, die Auskunft über den Zustand des Raumfahrzeugs und seiner Instrumente geben; Empfang von wissenschaftlichen Daten und Aufnahmen; Übermittlung von Befehlen und Software-Updates zum Raumfahrzeug; Verfolgung des Raumfahrzeugs und Ermittlung seiner Geschwindigkeit. Für diesen Zweck stehen Bodenstationen bereit, die oft gleich mit mehreren steuerbaren, parabolischen Reflektorantennen („Antennen-Schüsseln“) mit Durchmessern bis zu 70 m ausgestattet sind. Die Entfernungen von mehreren Milliarden Kilometern, die beispielsweise bei der Kommunikation mit Raumsonden jenseits des Asteroidengürtels überbrückt werden müssen, erfordern dabei gleichermaßen hochempfindliche wie hochgenau ausrichtbare Antennen.
Über diese Kernaufgaben hinaus können durch Auswertung der Veränderungen, die Radiosignale auf ihrem Weg von und zu den Raumsonden erfahren, auch wissenschaftliche Erkenntnisse gewonnen werden. So werden Radiosignale von Raumsonden auf ihrem Weg zur Erde beispielsweise in spezifischer Weise verändert, wenn sie dabei die Atmosphäre anderer Planeten durchqueren, was dann Rückschlüsse auf einige Eigenschaften der durchlaufenen Atmosphärenschichten zulässt. Ein anderes Beispiel für solche wissenschaftlichen Erkenntnisse sind Informationen über das interplanetare Plasma in unserem Sonnensystem, die sich ebenfalls durch die Analyse der empfangenen Radiosignale gewinnen lassen.
Das ESTRACK-Netzwerk der ESA
Das Kommunikationsnetzwerk der europäischen Raumfahrtagentur ESA war bisher nur dafür ausgelegt, die Verbindung mit Satelliten in Erdumlaufbahnen sicherzustellen. Darüber hinaus haben die verschiedenen Bodenstationen auch die Verfolgung von Trägerraketen und Satelliten nach dem Start von dem europäischen Weltraumbahnhof in Kourou (Französisch-Guayana) bis zum Eintritt in den jeweiligen (Transfer-) Orbit übernommen (die so genannte Launch and Early Orbit Phase [LEOP]). Das ESTRACK-Netzwerk besteht aus sieben stationären Bodenstationen auf vier Kontinenten sowie einer mobilen Bodenstation, die mit einem eigenen Diesel-Stromaggregat ausgestattet ist und in sechs Standard-Containern zu ihrem Einsatzort transportiert werden kann, wo sie dann der Datenkommunikation mit Satelliten während der LEOP sowie in niedrigen Erdorbits dient. Die Bodenstationen sind teilweise mit mehreren Antennen bis zu 15 m Durchmesser ausgestattet.
Um die Kommunikation mit Erdbeobachtungssatelliten wie ENVISAT oder ERS-2 während ihres Fluges über die Nordpolar-Region zu ermöglichen ist darüber hinaus eine Sende- und Empfangsantenne der norwegischen Bodenstation Svalbard Satellite Station auf der Insel Spitzbergen von der ESA angemietet worden (alle übrigen Bodenstationen hingegen sind Eigentum der ESA).
Um zukünftig nicht vollkommen auf amerikanische Infrastruktur angewiesen zu sein und den in den kommenden Jahren drohenden Engpass bei der Kommunikation mit interplanetaren Raumsonden zu umgehen ist vor kurzem die erste Bodenstation der ESA fertig gestellt worden, die speziell mit Raumfahrzeugen jenseits der Mondumlaufbahn Kontakt halten soll. Die Bodenstation New Norcia liegt 140 km nördlich von Perth (Australien) und ist mit einer 35 m-Antenne ausgestattet. Wie alle anderen Stationen des ESTRACK-Netzwerks auch ist sie mit dem European Space Operation Centre (ESOC) in Darmstadt verbunden, von dem aus die Kontrolle der Satelliten und Raumsonden erfolgt. Die ersten „Kunden“ der neuen Bodenstation werden die Kometensonde Rosetta sowie die Marssonde Mars Express mitsamt des Landers Beagle 2 sein.
In den kommenden Jahren sollen im Rahmen des ESTRACK-Netzwerkes weitere Bodenstationen für die Kommunikation mit erdfernen Raumsonden über den Globus verteilt gebaut werden. So soll 2005 bei Cebreros in Spanien eine ähnliche Station errichtet werden, und eventuell ist später noch eine dritte Bodenstation in Chile oder Kanada vorgesehen. Hintergrund dieser Entscheidung ist die Notwendigkeit der ESA, eine autonome Kommunikationsinfrastruktur für die in den nächsten zehn Jahren geplante Vielzahl europäischer interplanetarer Raumsonden aufzubauen.
Das Deep Space Network der NASA
Die amerikanische Raumfahrtbehörde NASA unterhält bereits seit Jahrzehnten ein weltweites Kommunikationsnetzwerk, um mit ihren Raumsonden jenseits des Erde-Mond-Systems Kontakt zu halten. Das Deep Space Network (DSN) besteht aus drei Bodenstationen in Goldstone (Kalifornien), bei Madrid (Spanien) und bei Canberra (Australien). Die drei Stationen sind so angeordnet, dass sie jeweils etwa 120 Längengrade voneinander entfernt sind, wodurch die NASA trotz der Erdrotation permanent Kontakt zu jeder beliebigen Raumsonde halten kann, indem die Kommunikation im Tagesablauf von Station zu Station „weitergegeben“ wird. Die gigantischen 70 m-Antennen des DSN werden übrigens nicht nur zur Kommunikation mit Raumsonden wie Pioneer und Voyager, die sich schon weiter als Pluto von der Sonne entfernt haben, sondern auch für radioastronomische Forschungsvorhaben genutzt.
Jede der drei Bodenstationen verfügt über eine 70 m-, zwei 34 m- und eine 26 m-Antenne. Goldstone nahm als älteste Bodenstation der NASA bereits am 6. Dezember 1958 seine Arbeit mit einer Antennenschüssel auf, die für die Kommunikation mit der Raumsonde Pioneer 3 errichtet worden war. Außer der üblichen „Standardausstattung“ verfügt diese Bodenstation über zwei weitere 34 m-Antennen für die Kommunikation mit interplanetaren Sonden sowie einer Antenne für Forschungszwecke. Die Bodenstation Madrid wird zurzeit um eine weitere 34 m-Antenne erweitert, um den steigenden Datenübertragungsanforderungen (die bereits jetzt nicht vollständig erfüllt werden können) gerecht zu werden.
Die Feuerprobe 2003/04
Wie zu Beginn erwähnt steht den Deep Space-Kommunikationsnetzwerken von ESA und NASA in den Jahren 2003/04 eine regelrechte Feuerprobe bevor, bei der man allen Beteiligten nur wünschen kann, dass keine größeren Störungen innerhalb der beiden Kommunikationsnetzwerke auftreten werden. Immerhin arbeiten ESA und NASA insoweit zusammen, als sie sich gegenseitig bei Bedarf unterstützen und Daten von einem Netzwerk in das andere weiterleiten können, was sogar bis auf die Ebene der Raumsonden reicht: So kann beispielsweise Mars Express Daten der amerikanischen Mars Rover empfangen und zur Erde weiterleiten. Dem Stand der mittel- und langfristigen Planungen beider Raumfahrtagenturen nach wird auch in der ferneren Zukunft den Bodenstationen der Deep Space-Netzwerke die Arbeit wohl nicht ausgehen.