Neue 3D-Simulation hinterfragt Planetenbildungsmodell

Laut der ersten 3D-Simulation der Turbulenzen in einer protoplanetarischen Scheibe können sich Planeten nicht auf die bisher angenommene Art bilden, da es dazu in der Scheibe zu unruhig zugeht. Statt dessen schwebt dem Forscher die Entstehung von Planeten im Auge Hurrikan-ähnlicher Gebilde in der Scheibe vor.

Ein Beitrag von Axel Orth. Quelle: Space.com.

Gasriesen wie Jupiter und Saturn wuchsen in einer Scheibe aus Staub und Gas, die sich unter ihren eigenen Gravitationskräften windet. Die protoplanetarische Staubscheibe wird zunächst immer dünner und dichter, bis sie einen Kipppunkt erreicht, an dem sie gravitational instabil wird, wie ein Blatt Papier zerknittert und in kilometergroße Blöcke zerfällt, die Kondensationskeime für die späteren Gasriesen bilden. Davon geht die aktuell geläufige Theorie zur Planetenformation aus. Aber eine neuartige dreidimensionale Modellierung der Vorgänge in der Scheibe bringt diese Theorie ins Wanken. Denn ihren Ergebnissen zu Folge halten Turbulenzen den Staub davon ab, sich so dicht zusammen zu schließen, dass die Scheibe an den besagten Kipppunkt kommen kann.
„Es ist seit den 1980er Jahren bekannt, dass diese Theorie nicht unproblematisch ist, aber bisher hat man es gemieden, 3D-Simulationen durchzuführen“, sagte Joseph Barranco, Astrophysiker an der San Francisco State University in Kalifornien.

Wie Wellen auf einem Teich

Joseph Barranco/Raumfahrer.net
Diese Animation zeigt, wie Coriolis- und vertikale Scherungskräfte hypothetisch getrennte Staub- und Gasschichten innerhalb weniger Jahre miteinander vermischen würden. Jedes Einzelbild stellt einen 2D-Schnitt durch Barrancos 3D-Simulation dar. Staubreiches Gas erscheint in Rot, reines Gas in Blau. Der gezeigte Durchmesser entspricht dem Orbit der Erde. Zwischen den Einzelbildern liegen jeweils 3,4 Jahre.
(Animation: Joseph Barranco/Raumfahrer.net)

Die Wissenschaft ging lange davon aus, dass sich Staub und Gas in einer protoplanetarischen Scheibe früher oder später voneinander trennen, so dass der Staub sandwichartig zwischen einer oberen und einer unteren Schicht aus Gasen eingeschlossen wird. Barranco aber fand mit seiner Simulation heraus, dass die beiden Gasschichten sich mit höheren Geschwindigkeiten als die dazwischen liegende Staubschicht um den Stern bewegen, wodurch es zu Verwirbelungen kommt.

„Es ist ähnlich, wie wenn Wind über Wasser in einem Teich bläst – es bilden sich Wellen“, sagte Barranco zu space.com. Seine Forschungen zeigen, dass diese Wellen den Staub daran hindern, sich jemals in dieser dünnen, dichten mittleren Schicht absetzen zu können.

Dies erinnert stark an das Phänomen der vertikalen Scherung in der Troposphäre der Erde, wo sich die Windgeschwindigkeit mit der Höhe ja auch drastisch ändert. Die sich daraus ergebenden Turbulenzen können bekanntlich Flugzeugen gefährlich werden, die in großer Höhe fliegen.

Ein zweiter Faktor, der die Staubschicht nicht zur Ruhe kommen lässt, ist der Coriolis-Effekt. Auf der Erde wirkt er sich aus, wenn ein Flugzeug eine gerade Linie zu steuern versucht, aber aus Sicht des Bodens eine Kurve fliegt, da sich der Planet unter ihm weg dreht. Auch Winde können durch diesen Effekt beeinflusst werden, was zur Entstehung von Hurrikanen beiträgt.

Früher hatten manche Forscher gehofft, dass die radiale Scherung – die zwischen einem Ring einer Staubscheibe und dem nächstäußeren, langsamer rotierenden Ring auftritt – die anderen turbulenten Kräfte überwiegen würde. Barrancos Simulation zeigt allerdings, dass der Coriolis-Effekt und die vertikale Scherung sich normalerweise als stärker erweisen.

3D-Simulation per Supercomputing
Die Theorie der Planetenbildung hat ihrerseits schon allerlei Turbulenzen hinter sich. Frühes Interesse in den 1970er- und 1980er-Jahren flaute zunächst wieder ab, nur um in den 1990ern wieder aufzuflackern, als die ersten Exoplaneten entdeckt wurden.

„Um die Planetenbildungstheorie war es ruhig, solange wir nur unser eigenes Sonnensystem hatten“, sagte Barranco. Jetzt drängeln sich die Wissenschaftler geradezu, eine Theorie zu formulieren, die die vielen Gasriesen in den so verschiedenen bisher entdeckten Sonnensystemen erklären kann.

Dreidimensionale Simulationen turbulenter Kräfte kamen allerdings erst in den letzten Jahren im Zuge des Supercomputings auf. So nutzte auch Barranco Hunderte von parallel geschalteten Computerprozessoren, von denen jeder ein kleines Stück eines Puzzles zu bearbeiten hatte. Seine Studie markiert die erste 3D-Modellierung der Planetenbildung und erschien in der neuesten Ausgabe des Astrophysical Journal.
Um die Planetenbildung zu erklären, möchte der Forscher seine Arbeit von 2005 neu aufnehmen, die die Idee von Hurrikan-ähnlichen „Stürmen“ in protoplanetarischen Scheiben aufwarf. Im Zentrum solcher Gebilde könnte theoretisch genug Ruhe inmitten des umgebenden Chaos´ geherrscht haben, dass dort der Staub zusammen klumpen und den Keim für spätere Planeten bilden konnte.

„Dies ist ein unglaubliches spannendes Feld“, schwärmt Barranco. „Wir können die Planetenbildung nirgends direkt beobachten, aber wir wissen ganz sicher, dass es Planeten gibt, denn wir stehen auf einem solchen.“

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