Die NASA hat im Kongress einen entscheidenden Sieg errungen: In letzter Minute bewilligten die Abgeordneten in vollem Umfang die beantragten Mittel von $16,2 Milliarden für das Haushaltsjahr 2005.
Autor: Gero Schmidt
Dadurch ist nicht nur die Finanzierung des Shuttle-Programms und der ISS (Internationale Raumstation) für das kommende Jahr gesichert, sondern es wurde auch ein Großteil der Gelder freigegeben, die für den Start der von Präsident Bush im Januar dieses Jahres angekündigten neuen Raumfahrtinitiative (Vision für Space Exploration – VSE) benötigt werden.
Nach der Columbia-Katastrophe hatte die US-Regierung in Zusammenarbeit mit der NASA einen neuen Langzeitplan für das amerikanische Raumfahrtprogramm erarbeitet: Danach soll die ISS bis zum Jahr 2010 mit den Space Shuttles fertig gestellt werden, die dann nach 30 Jahren ins Museum wandern. Ein neues Raumfahrzeug, das CEV (Crew Exploration Vehicle), soll entwickelt werden, für bemannte Missionen zum Mond und -in weiterentwickelten Versionen- zum Mars und zu den Asteroiden. Ein unbemannter Prototyp könnte bereits 2008 einen orbitalen Testflug absolvieren, bemannte Flüge mit der voll einsatzbereiten Variante sind für 2014 geplant. Bemannte Mondlandungen sollen zwischen 2015 und 2020 wiederaufgenommen werden, als Vorbereitung für Expeditionen zum Mars und anderen weiter entfernten Zielen. Parallel dazu sollen eine Reihe von unbemannten Missionen Mond und Mars näher erkunden.
Seit Bushs Rede im Januar, in der er die ehrgeizigen Pläne bekannt gab, sah es meist schlecht aus, was die Aussicht auf eine Zustimmung durch den US-Kongress anging. Durch das enorme Haushaltsdefizit der USA schienen Hoffnungen auf eine Budget-Erhöhung für die NASA fast illusorisch: Das Repräsentantenhaus verabschiedete eine Gesetzesvorlage, die der Raumfahrtbehörde gerade mal 15,1 Milliarden Dollar zubilligte und nach der alle Gelder für die neue Initiative gestrichen worden wären. Nach offizieller Lesart wäre das zwar nur eine Verschiebung des Starts der Initiative um ein Jahr gewesen, doch aller Wahrscheinlichkeit hätte es das Aus für die Zukunftspläne der NASA bedeutet. Der Senatsentwurf sah nicht viel besser aus, obwohl hier immerhin der Versuch unternommen wurde, Mittel für das CEV und andere mit der VSE in Verbindung stehende Projekte aufzutreiben. Insgesamt hätte die Raumfahrtbehörde nach dem Gesetzesentwurf des Senats 15,6 Milliarden Dollar erhalten.
Dass die Dinge letztlich doch noch eine positive Wendung genommen haben, muss vor allem auf die Anstrengungen einiger weniger Kongressabgeordneter, sowie auf die Beharrlichkeit des Weißen Hauses zurückgeführt werden: Der Mehrheitsführer des Repräsentantenhauses, Tom DeLay, drohte wiederholt damit, jede Gesetzesvorlage zu blockieren, d.h. nicht zur Abstimmung zuzulassen, die nicht die von Bush geforderte Budgeterhöhung für die NASA in vollem Umfang enthielte. Diese Haltung erhielt er selbst dann noch aufrecht, als das Repräsentantenhaus und der Senat sich bereits auf eine Kompromissversion geeinigt hatten, die der Raumfahrtbehörde immerhin 15,9 Milliarden Dollar zugebilligt hätte, also bereits deutlich mehr, als in den ursprünglichen Entwürfen der beiden Kammern vorgesehen. Die Hartnäckigkeit zahlte sich aus: Auf wundersame Weise gelang es den Abgeordneten weitere 300 Millionen Dollar aufzutreiben und das NASA-Budget somit auf die geforderte Höhe von 16,2 Milliarden Dollar zu bringen (eine Erhöhung um 5% im Vergleich zum Vorjahr).
Das Weiße Haus drohte mehrmals damit, dass der Präsident sein Veto einlegen würde, sollte die NASA nicht die beantragten Mittel bekommen, was ein absolutes Novum in der Geschichte des Raumfahrtprogramms dargestellt hätte. Einige Abgeordnete bemerkten, dies sei das erste Mal gewesen, solange sich irgendwer habe zurückerinnern können, dass die NASA bei den Haushaltsberatungen eine so entscheidende Rolle gespielt hätte. Auch wenn Bush sich während des Wahlkampfs in Bezug auf seine Raumfahrtinitiative sehr bedeckt hielt – nach eigener Aussage, um eine Politisierung der Angelegenheit zu vermeiden – kann somit davon ausgegangen werden, dass es ihm damit ernst ist.
Eine entscheidende Rolle für den positiven Ausgang der “budget-battle” spielte sicherlich auch Bushs Wiederwahl. Hätte Kerry gewonnen, so wären wohl alle Drohungen des Weißen Hauses umsonst gewesen, da es für die VSE nach Einschätzung vieler Beobachter sowieso im nächsten Jahr vorbei gewesen wäre.
Nun aber, mit politischer Unterstützung aus dem Weißen Haus und der (mehr oder weniger erzwungenen) Zustimmung des Kongresses, hat die NASA gute Chancen, über die nächsten vier Jahre eine solide Basis für ihre langfristigen Pläne zu legen, also beispielsweise die Entwicklung des CEV voranzutreiben oder eine erste unbemannte Mission zum Mond zu schicken, um es so für zukünftige Regierungen, ob nun republikanisch oder demokratisch, sehr schwer zu machen, diesen Prozess der Neuausrichtung auf bemannte Mond- und Marsmissionen ins Stocken zu bringen oder gar umzukehren. Bereits im Februar 2005 steht die nächste Etappe im Kampf um die Zukunft der NASA an: Die Vorlage des Budgetentwurfs für 2006.