SpaceX erhält von der NASA den 2,89 Milliarden Dollar-Auftrag das Human Landing System für die nächste Mondlandung zu entwickeln. SpaceX setzt sich gegen Mitbewerber des „Old-Space“ durch. Zwei Demonstrationsflüge, einer davon mit zwei Astronaut*innen, sind geplant. Die spätere Transportdienstleistung soll erneut ausgeschrieben werden.
Ein Beitrag von Stefan Goth. Quelle: NASA, SpaceX.
Am 16. April 2021 hat die NASA bekannt gegeben, dass sie den Auftrag zur Entwicklung und Demonstration ihres Mondlanders (Human Landing System, HLS) innerhalb ihres Artemis-Programms an SpaceX vergeben hat. Das Raumfahrtunternehmen von PayPal- und Tesla-Gründer Elon Musk hat für einen Preis von 2,89 Milliarden Dollar angeboten, ein auf ihrem sich in Entwicklung befindlichen Starship genannten Raumfahrzeug basierenden Mondlander zu entwickeln. Der Auftrag umfasst die Entwicklung, Test und zwei Demonstrationsflüge, wobei beim zweiten zwei Astronaut*innen, mindestens eine davon eine Frau, an Bord sein und die Mondoberfläche betreten sollen.
Der Ablauf sieht einen Start des HLS Starship auf der Super Heavy genannten, sich in Entwicklung befindlichen, wiederverwendbaren SpaceX-Startstufe und mehrfaches Auftanken durch Starship-Tanker im niedrigen Erdorbit (LEO) vor. Danach erfolgt der Transfer in den Mondorbit. Bei der bemenschten Demonstrationsmission starten vier Astronaut*innen davon unabhängig mit dem SLS, der Schwerlastrakete der NASA, deren Erststart für Ende 2021 geplant ist, nutzen für den Transfer zum Mond und für das Einschwenken in den Mondorbit die Orion-Kapsel, die ebenfalls im Auftrag der NASA entwickelt wird. Im Mondorbit erfolgt ein Docking mit dem HLS von SpaceX und nach einer ersten unbemenschten Mission sollen bei der zweiten Demonstration zwei Astronaut*innen dann den Abstieg zur Mondoberfläche in der Nähe des Südpols durchführen, dort aussteigen und ca. eine Woche die Umgebung erforschen. Danach werden sie wieder mit dem HLS in den Mondorbit aufsteigen, mit Orion koppeln, umsteigen und mit dem auch MPCV (Multi Purpose Crew Vehicle) genannten Raumschiff zur Erde zurückkehren und im Pazifik wassern. Das HLS selbst wird nicht zur Erde zurückkehren. Die Kapazität des HLS wird für mindestens 4 Astronaut*innen ausgelegt.
Im Unterschied zu SLS und der Orion-Kapsel wird das HLS nicht Eigentum der NASA, statt dessen wird die Entwicklung mit einem an Meilensteinen orientierten Festpreis-Vertrag beauftragt. Nach den zwei Demonstrationsflügen soll die eigentliche „Transport-Dienstleistung“ erneut ausgeschrieben werden, ähnlich den Commercial-Transport- und Commercial-Crew-Verträgen zur Internationalen Raumstation (ISS).
SpaceX hat sich mit seinem Konzept gegen Angebote zweier anderer Konsortien, geführt von Dynetics bzw. Blue Origin, durchgesetzt. Hierbei überzeugte die NASA nicht nur der niedrigste Preis, sondern auch die technischen Vorzüge und das am höchsten bewertete Management Rating („Outstanding“). Dabei bietet es die mit Abstand größte Transportkapazität aller Angebote. Wenn auch sein Konzept zusätzliche Schwierigkeiten, wie ein auf ca. 30 Meter Höhe über der Mondoberfläche angeordnete Ausstiegsluke enthält, bietet es durch größere Treibstoff- und Ausstattungsreserven zusätzliche Sicherheitsmargen und spätere Weiterentwicklungsmöglichkeiten.
Durchaus kritisch sieht NASA die Notwendigkeit zahlreicher Raketenstarts und Tankvorgänge mit kryogenen Treibstoffen, honoriert allerdings auch, dass diese schwierigen Manöver im Erdorbit stattfinden und nicht im Mondorbit. Die Mitbewerber hatten Konzepte vorgeschlagen, die mehr Kopplungsvorgänge unterschiedlicher Baugruppen in Mondnähe erfordert hätten. Einen gewissen Schwachpunkt sieht die Bieterbewertung bei der Entwicklung der notwendigen Antriebssysteme, auch wenn SpaceX bereits Prototypen seines Methan-Sauerstoff-Triebwerks Raptor testet.
Kommentar des Autors:
Mit der Auswahl von SpaceX geht NASA ein kalkulierte Risiko ein. Die Vorgabe der alten Trump-Administration, eine Mondlandung noch in 2024 durchzuführen wird auch mit dieser Entscheidung kaum zu halten sein. Andererseits wurden durch Senat und Kongress die Mittel für SLS und Orion in den vergangenen Jahren zwar regelmäßig gegenüber der NASA-Forderung erhöht, die Mittel für das Human Landing System jedoch gekürzt. Mit diesem begrenzten Budget ist SpaceX der einzige Bieter, der überhaupt in Aussicht stellt mit diesen Mitteln einen Mondlander zu entwickeln. Bemerkenswert ist, dass das Konzept der gerne mit „New Space“ deklarierten Firma, in technischer und managementbezogenen Kriterien die Konkurrenz teilweise deutlich in den Schatten stellt!
Beim Preis kann SpaceX sicherlich dadurch punkten, dass Teile der nötigen Infrastruktur, insbesondere Raptor-Triebwerke, Super Heavy Startstufe, Starship-Tanker und Bodeninfrastruktur „sowieso“ für Musks-Marspläne entwickelt werden. Trotzdem wird die Entwicklung des HLS Starships nicht trivial, auch wenn dieses keine Flügel oder Hitzeschutzkacheln benötigt, da es nicht auf die Erde mit seiner Atmosphäre zurückkehren wird. Dafür muss das Antriebsystem an die niedrige Mondschwerkraft angepasst werden, die Zielkoordinaten ohne GPS gefunden, die Landung ohne vorbereiteten Landeplatz gelingen und Operationen in der Mondumgebung auch nach Tagen und Wochen noch sicher funktionieren. Auch wenn Scott Manley recht hat (siehe Video), und SpaceX die einzige Firma war die im Auswahlrprozess bereit war die Timeline dahingehend anzupassen, dass die erste bemenschte Mondlandung seit 1972 noch 2024 stattfinden könne, darf die Realisierbarkeit in dieser kurzen Zeit bezweifelt werden. Auch wenn SpaceX viele seiner Ankündigungen schließlich doch realisiert hat, ist auch diese Firma bezüglich seiner Zeitüberschreitungen heutzutage eher als „Old Space“ einzustufen. Das geht so weit, dass mit „Elon-Time“ ein eigener Terminus für die überambitionierten Terminvorgaben des reichsten Menschen der Erde Eingang in den Alltags-(Raumfahrt)-Sprachgebrauch gefunden hat.
Das größte Risiko dürfte allerdings darin liegen, dass NASA von der Sicherheitsphilosophie der letzten Jahre, für systemkritische Dienstleistungen mindestens zwei Firmen zu beauftragen, mangels Geld, abgewichen ist. Auch wenn SpaceX bewiesen hat regelmäßig, zuverlässig und teilweise wiederverwendbar Satelliten, Raumschiffe und Sonden in den Erdorbit und darüber hinaus zu transportieren, hängt die ambitionierte Entwicklung des Starship-Ökosystems (Super Heavy, erdlandefähige Starships für Crew, als Tanker und als Frachter sowie HLS-Starship-Mondlander) und die „hochfliegenden“ Marspläne direkt an der Person von Elon Musk. Sollte ihm etwas zustoßen oder die Gesundheit des Workaholic Schaden nehmen, dann muss man befürchten, würde SpaceX eine „ganz normale Firma“ werden. Ich wünsche Herrn Musk beste Gesundheit und alles Gute, aber die Abhängigkeit der vielen Entwicklungen von seiner Person, ist die größte Schwäche seiner Firma.
Dass später die Transportdienstleistung noch einmal unabhängig ausgeschrieben werden soll, öffnet zwar theoretisch den Markt für Mitbewerber, bietet der NASA aber auch die Option nicht nur die „letzte Meile“ vom Mondorbit zur Oberfläche, sondern die gesamte „Reisestrecke“ ohne teure SLS/Orion-Kombination zu bewältigen, indem SpaceX auch mit dem Transport der Astronaut*innen vom Erdboden zum Mond und zurück beauftragt wird.