Am kommenden Montag, dem 17. Dezember, sollen die beiden Satelliten der von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebenen Mondmission GRAIL gezielt auf der Mondoberfläche zum Absturz gebracht werden.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JPL, The Planetary Society, Wikipedia.
Die aus zwei Raumsonden bestehende Mondmission GRAIL wurde am 10. September 2011 an Bord einer Delta-7920H-10-Rakete gestartet. Nach einer dreieinhalbmonatigen Transferphase traten die beiden Satelliten Ebb (GRAIL-A) und Flow (GRAIL-B) am 31. Dezember 2011 beziehungsweise am 1. Januar 2012 in den Mondorbit ein. Das wissenschaftliche Ziel der Mission bestand in einer hochgenauen Vermessung des lunaren Schwerkraftfeldes sowie der dortigen Schwerkraftanomalien.
Zu diesem Zweck nahmen die beiden lediglich waschmaschinengroßen Raumsonden einen eng beieinanderliegenden, nahezu kreisförmig verlaufenden Orbit in einer Höhe von rund 55 Kilometern über der Mondoberfläche ein. Am 7. März 2012 begann die eigentliche Hauptmission der beiden Raumsonden. Im Rahmen einer Missionsverlängerung, welche offiziell am 30. August 2012 begann, wurden die Umlaufbahnen von Ebb und Flow schließlich auf eine Höhe von durchschnittlich nur noch 23 Kilometer abgesenkt. Seit dem 6. Dezember beträgt die Höhe der Umlaufbahnen sogar nur noch rund 11 Kilometer.
Die Daten über das Schwerkraftfeld des Mondes wurden durch das „Satellite-to-Satellite Tracking“-Prinzip gewonnen. Hierbei wurden mittels der Aussendung elektromagnetischer Wellen kontinuierlich die gegenseitige Distanz der beiden Raumsonden ermittelt. Sobald die beiden Mondorbiter eine Oberflächenregion überfolgen, wo die Gravitation höher oder niedriger ausfiel als normal, wurde dabei zuerst die eine Raumsonde minimal abgebremst beziehungsweise beschleunigt, dann die andere. Diese Geschwindigkeitsveränderungen resultierten zugleich in einer Variation des gegenseitigen Abstandes, welcher im Rahmen der Messungen mit einer Genauigkeit von wenigen Mikrometern ermittelt werden konnte.
Aus den so gewonnenen Daten konnten die an der Mission beteiligten Wissenschaftler im Laufe der letzten Monate wichtige Rückschlüsse über den inneren Aufbau des Mondes ableiten. Hieraus resultierte eine erst kürzlich von der NASA veröffentlichte hochpräzise Karte des Mondschwerefeldes und ein den gesamten Mond umspannender Überblick über die Dicke von dessen Kruste.
Um ihre extrem niedrigen und zugleich auch sehr präzise aufeinander abgestimmten Umlaufbahnen beizuhalten, mussten die Triebwerke der beiden Raumsonden seit dem Beginn des Jahres etwa drei mal pro Woche aktiviert werden. Mittlerweile sind die Treibstoffreserven der beiden Mondorbiter jedoch aufgebraucht. Aus diesem Grund hat sich die NASA dazu entschlossen, die beiden Raumsonden Ebb und Flow gezielt auf der Mondoberfläche zum Absturz zu bringen.
„Es wird uns schwer fallen, auf Wiedersehen zu sagen“, so der Kommentar von Maria Zuber vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge/USA, die für die GRAIL-Mission hauptverantwortliche Wissenschaftlerin. „Unsere kleinen robotischen Zwillinge waren beispielhafte Mitglieder der GRAIL-Familie und die Planetenforschung konnte von ihren Erkenntnissen enorm profitieren.“
Als Absturzort wählte die NASA einen Berghang in der Nähe des lunaren Nordpols, welcher sich in der Nähe des rund 115 Kilometer durchmessenden Impaktkraters Goldschmidt befindet. Dieser Ort wurde vom Kontrollteam der GRAIL-Mission bewusst ausgewählt.
Weder während ihrer letzten Orbits noch während des eigentlichen Absturzes sollten sich die Mondorbiter in der Nähe von „historischen Stätten“ auf dem Mond befinden. So soll sichergestellt werden, dass zum Beispiel die Landeorte der bemannten Apollo-Missionen der NASA und der sowjetischen Luna-Missionen nicht durch Trümmerstücke beschädigt werden, sondern der Nachwelt erhalten bleiben.
Impakt am 17. Dezember gegen 23.30 Uhr MEZ
Der Einschlag der beiden Mondorbiter wird am kommenden Montag, dem 17. Dezember 2012, erfolgen. Zuerst wird dabei Ebb gegen 23:28:40 Uhr MEZ auf der Mondoberfläche aufprallen. Etwa 20 Sekunden später wird die Schwestersonde Flow folgen. Die Einschlagsgeschwindigkeit beider Raumsonden wird 1,7 Kilometer pro Sekunde betragen.
Würden beide Mondorbiter senkrecht auf der Oberfläche aufschlagen, so würden sie dabei zwei Krater mit Durchmessern von jeweils etwa drei bis vier Metern erzeugen. Allerdings werden beide Sonden den Berghang, welcher über eine Neigung von etwa 20 Grad verfügt, in einem sehr flachen Winkel treffen. Somit werden die demnächst neu entstehenden Mondkrater entsprechend kleiner ausfallen.
Mit ihrem in wenigen Stunden anstehenden Absturz ist die Untersuchung des Mondes durch Ebb und Flow allerdings keineswegs abgeschlossen. Nach dem Absturz soll der ebenfalls von der NASA betriebene Mondorbiter Lunar Reconnaissance Orbiter (LRO), welcher bereits seit dem Juni 2009 den Erdmond untersucht, dazu eingesetzt werden, um die Absturzstelle im Detail abzubilden. Durch die Bestimmung der Größe, Tiefe und Form der neu entstandenen Krater sowie durch die Analyse der Verteilung der Trümmer über die Bergflanke erhoffen sich die Mondforscher nähere Informationen über die dort gegebene Beschaffenheit der Mondoberfläche.
Zur Vorbereitung des zielgerichteten Absturzes führten die beiden Mondorbiter am gestrigen Tag ein letztes Orbitmanöver aus, bei dem die letzten an Bord befindlichen Treibstoffreserven verbraucht wurden. Um 16.07 Uhr MEZ wurde das Haupttriebwerk von Ebb über einen Zeitraum von 55,8 Sekunden aktiviert. Nur 16 Sekunden später zündete das Triebwerk von Flow für einen Zeitraum von 55,4 Sekunden. Bei beiden Raumsonden wurde durch dieses Manöver die Fluggeschwindigkeit um 4,6 Meter pro Sekunde verändert.
Von der Erde aus wird der Absturz der beiden Raumsonden aller Wahrscheinlichkeit nicht zu beobachten sein, da die Absturzstelle während der Impakte im Dunkeln liegen wird. Auch fällt die Masse der beiden Orbiter zu gering aus, um dabei genügend Mondmaterial in die Höhe zu schleudern, welches dann von irdischen Teleskopen detektiert werden könnte. Eine direkte Beobachtung aus dem Mondorbit heraus soll aber durch den Lunar Reconnaissance Orbiter versucht werden, welcher sich während des Absturzes in Sichtweite zur Absturzregion befinden wird. Hierfür soll speziell das LAMP-Instrument des LRO eingesetzt werden.
Außerdem plant die NASA während des Absturzes eine etwa 35minütige Live-Berichterstattung aus dem Raumsonden-Kontrollzentrum des Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena/Kalifornien, welche im Internet übertragen werden soll, und bei der auch Mitarbeiter der GRAIL-Mission zu Wort kommen werden. Weitere Informationen hierzu finden Sie in einer entsprechenden Pressemitteilung des JPL.
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