Ergebnisse von Cassini weisen auf eine neue Objektklasse am Saturn: Die etwa 100 Meter messenden Gesteinsbrocken haben vermutlich einen wichtigen Einfluss auf die Gestalt des Ringsystems.
Autor: Karl Urban. Vertont von Dominik Mayer.
Die Ringe des Saturns haben seit ihrer Entdeckung eine große Anziehungskraft, nicht nur auf Astronomen. Denn sie sind auf den ersten Blick nicht nur ein recht exotisches Merkmal für einen Planeten – sie wirken schlicht und einfach auch äußerst ästhetisch. Auch wenn der Saturn – wie man heute weiß – nicht der einzige Ringplanet ist – hat er dadurch für Laien wie Astronomen nicht an Anziehungskraft verloren.
Missionswissenschaftler der Mission Cassini entdeckten kürzlich Anzeichen für einen neuen Objekttyp im Ringsystem, der nicht nur für unser Verständnis der Ringe sondern auch für die Entstehung des Sonnensystems bedeutende Auswirkungen haben könnte. Dabei geht es um sogenannte Moonlets, kleine Objekte von etwa 100 Metern Durchmesser, die den Saturn in seiner Ringebene umkreisen. Nach Modellrechnungen müsste der Planet über 10 Millionen solcher Objekte besitzen.
Die Saturnringe bestehen überwiegend aus einer Vielzahl kleiner Eis- und Gesteinspartikel, wie man seit der ersten Nahuntersuchung durch die Voyager-Sonden weiß. Durchzogen sind sie jedoch von vielen schmalen und breiteren Lücken, von denen die von der Erde beobachtbare Cassini-Teilung die prominenteste ist. Jedoch gibt es – und hier verdichten sich aufgrund von Modellrechnungen und Cassini-Daten die Hinweise – noch größere Objekte, die jedoch eher an Asteroidenkerne erinnern als an eigenständige Monde: Moonlets oder Mondlinge. Sie sind vielleicht auch der Schlüssel nach der Frage, ob sich das Ringsystem durch den Einschlag eines großen Objekts bildete oder ob sie Überbleibsel aus der Urwolke sind, aus denen der Planet und seine Monde entstanden.
„Diese Moonlets erinnern an Bruchstücke eines alten Körpers, der aus einem Einschlag Saturns großartige Ringe erzeugte“, vermutet Joseph Burns von der Cornell-Universität, der Coautor eines aktuellen NASA-Berichts zu diesem Thema ist.
Hinweise auf diese kleinen, kaum auflösbaren Objekte konnten mit Aufnahmen von Cassini gesammelt werden. Mit Hilfe der hochauflösenden Kamera wurde der mittlere A-Ring aus unterschiedlichen Neigungswinkeln aufgenommen. Dabei gelang es, mehrere dieser Objekte aufzunehmen, die sonst unter den anderen Ringpartikeln kaum auffallen, jedoch bei einem bestimmten Winkel das Sonnenlicht anders reflektierten. Die Aufnahmen wurden bereits bei der Ankunft von Cassini am Saturn gemacht, als die Sonde direkt durch das Ringsystem flog. Die bisher vier entdeckten propellerartigen Objekte unterscheiden sich stark von denen, die Voyager entdeckte und die im Mittel ein Zentimeter groß sind und maximal Busgröße erreichen können. Als Moonlet-artiges Objekt könnte man auch den bereits bekannten und im Durchmesser 30 Kilometer großen Mond Pan sowie den sieben Kilometer großen Daphnis in der Ringebene bezeichnen. Die meisten Moonlets sollten nach den neusten Messungen aber nicht nur deutlich kleiner sein, sondern mit etwa 10 Millionen auch viel zahlreicher.
„Die Entdeckung dieser mittelgroßen Körper bedeutet, dass Pan und Daphnis vermutlich eher die größten Mitglieder des Ringsystems sind, als eingefangene Besucher von woanders“, sagte Matthew Tiscareno, von der Cornell-Universität und leitender Autor des genannten Berichts.
Monde wie Pan und Daphnis schneiden klare, breite Streifen in die Wolke aus Ringpartikeln. Dagegen sind kleinere Moonlets vermutlich nicht groß genug, komplette Streifen zu erzeugen. Sie verursachen nur temporär „geöffnete“ Lücken. Diese Spuren wurden nun auch von Cassini aufgenommen.
Prometheus, der Schäfermond
Neben den Moonlets haben zusätzlich sogenannte Schäfermonde mit ihrer Gravitation große Auswirkungen auf die Ringe. Bisher vermutete man, der Mond Prometheus stehle auf seiner den Ringen recht nahen Umlaufbahn Ringpartikel. Neue Erkenntnisse weisen aber darauf hin, dass die Partikel lediglich „ausgeborgt“ werden, d.h. dass sie während des Vorbeiflugs abgesaugt werden und nach dem Verschwinden des Mondes wieder zurückgleiten. Damit haben diese Monde mit ihren Schwerefeldern eine stabilisierende Wirkung auf das Ringsystem. – Sie achten also wie Schäfer darauf, dass sich kein Schaf aus der Herde von selbst aus dem Staub macht.
Der scharfe äußerste F-Ring des Saturn – dieser liegt außerhalb der großen Hauptringe – wird von zwei Hirtenmonden bewacht: Dem 100 Kilometer messenden Prometheus innerhalb und der 85 Kilometer großen Pandora außerhalb. Dabei sind periodisch auftretende Kanäle, Streifen und andere Phänomene zu beobachten, die kürzlich von einem Team an der Queen Mary-Universität London untersucht und in Modellrechnungen bestätigt wurden.
„Wir fanden heraus, dass die Löcher nicht etwa durch ein permanentes Herausreißen von Partikeln entstanden, sondern durch eine erzwungene Interaktion durch einen Kontakt mit Prometheus„, erklärte Carlos Chavez vom Londoner Team. „[…] Es funktioniert ähnlich wie eine Menschenmenge, die in mehreren Reihen die Straße hinabläuft. Plötzlich erscheint von der anderen Seite der Straße jemand und überredet einige Leute, mit ihm zu kommen und erzeugt so Lücken in den Reihen. Nur Menschen der ihm am nächsten befindlichen Reihen folgen ihm, kehren jedoch wenig später zu den anderen zurück.“
Interessant wird dieses Zusammenspiel Ende 2009: Dann steht Prometheus in seinem Saturn fernsten Punkt, der Apoapsis, während der F-Ring seine Periapsis durchläuft und damit dem Saturn am nächsten kommt. Das führt zu einer großen Annäherung beider und dürfte zu größeren Interaktionen führen. Dies wird wohl auch zu einer vermehrten Zahl von Kollisionen zwischen Ringpartikeln und dem Mond führen. Aktuell kollidieren nur etwa 0,6 Prozent aller mitgeführten Partikel pro Orbit mit Prometheus – alle anderen werden zum Ring zurückgeführt.
Aktuelle Bilder
Das Saturnsystem beweist in einer aktuellen, hochaufgelösten Aufnahme von Cassini im sichtbaren Licht seine Schönheit: Sie zeigt den dünnen F-Ring, der den äußersten Berich der Ringebene darstellt. Darüber erheben sich sich majestätisch der Mond Enceladus (550 Kilometer Durchmesser) sowie die sich dahinter befindende Dione (1.126 Kilometer). Der erste bewegt sich dabei mit größerer Geschwindigkeit und passiert vom Blickpunkt der Raumsonde aus seine größere Schwester. Die Aufnahme wurden am 3. März 2006 gemacht. Cassini war währenddessen etwa 2,6 Millionen Kilometer von Enceladus und 2,7 Millionen Kilometer von Dione entfernt.
Eine weitere Aufnahme vom 25. Februar zeigt Tethys (1.071 Kilometer Durchmesser) mit ausgesprochen scharfen Oberflächenmerkmalen. Zu sehen ist der dominante Krater Penelope im Zentrum, der von unzähligen neueren Kratern überlagert wird. Daneben sieht man unter anderem die drei von Nord nach Süd verlaufenden mittelgroßen Krater Ajax, Polyphemus und Phemius. All diese Einschlagsereignisse sind benannt nach Figuren und Orten aus Homers Ilias. Der größte Einschlagskrater auf Tethys, der hier nicht abgebildet ist, heißt Odysseus.
Verwandte Artikel: