Erfahren Sie mehr über den Verlauf der Mars Exploration Rover-Mission im Jahr 2003.
Autor: Michael Stein.
Hier können Sie die archivierten Mission-Updates von Prof. Steven Squyres, dem Projektleiter für die wissenschaftlichen Instrumente der beiden Mars Exploration Rover, lesen. Diese persönlich gefärbten Berichte über den Fortgang der Arbeiten an den beiden amerikanischen Mars-Rovern und des Missionsverlaufs gewähren einen lebendigen und interessanten Einblick in die Arbeitsabläufe eines wissenschaftlich-technischen Projektes an der Grenze des heute Machbaren.
4. Quartal 2003
Dezember 2003
23. Dezember
Wir sind bereit.
Während ich dies schreibe sind es noch zwölf Tage bis zur Landung von Spirit im Gusev-Krater. Alles bis auf die letzten Kurskorrekturmanöver ist nun erledigt, und selbst diese sind nicht weit von uns entfernt.
Nach all den Jahren ist es schwer zu glauben das wir nun endlich beinahe dort sind. Unsere wissenschaftliche Nutzlast war zuerst eine ungefähre Idee vor etwa einem Jahrzehnt, aufbauend auf Instrumentenkonzepten, die schon Jahre vorher in Arbeit waren. Wir haben damals ’95 angefangen uns auszumalen wie wir es auf einen Rover bringen könnten, und ernsthaft haben wir seit ’97 begonnen, Flight Hardware zu entwerfen und zu bauen. Beginnend in 2000 begann eine Armee von hunderten unbeschreiblich talentierter und engagierter Ingenieure vom Jet Propulsion Laboratory und von anderswo damit, das Konzept rechtzeitig bis zum Start Realität werden zu lassen. Wir haben es trotz einiger lang andauernder Wiedrigkeiten bis zur Startrampe geschafft, und nun haben es wir beinahe bis zum Mars geschafft. Zweifach. Und dort, beginnend in der Nacht zum 4. Januar, werden all diese Jahre der Arbeit auf einen Sechs-Minuten-Sturz durch die marsianische Atmosphäre zulaufen. Ein toller Broterwerb, was? Aber ich würde es für nichts anderes hergeben.
Für die letzten paar Wochen habe ich meinem Team geraten, sich auszuruhen, Zeit mit ihren Familien zu verbringen und sich auf den Stress und die Ermüdung während der Flight Operations vorzubereiten. Ich werde nun meinem eigenen Ratschlag folgen, und dies wird das letzte Web-Update für etwa die nächsten zwölf Tage sein. Wenn Sie das nächste Mal von uns hören wird Spirit im Gusev-Krater sein.
Die Woche vom 8. bis 14. Dezember
Es sind weniger als drei Wochen bis zur Landung von Spirit. Unser letzter Operations Readiness Test ist vorbei. Die endgültige Flugsoftware ist sowhl zu Spirit wie auch Opportunity hochgeladen worden, und wir haben alle Instrumenten-Anweisungen für die erste Woche nach unserer Landung fertiggestellt und getestet. Letzte Überprüfungen aller Instrumente vor der Landung sind erledigt. Die Raumsonden sind bereit.
Wir hier unten auf der Erde sind ein bißchen weniger bereit. Wenn die beiden erst einmal den Boden berühren, wird unser komplettes Team für Monate vollständig von den Missionsoperationen eingenommen werden. Daher liegt der Schwerpunkt zur Zeit darauf unsere Leben in Ordnung zu bringen, so dass wir nicht zu oft gestört werden, wenn die Zeit gekommen ist. Zahnarzttermine. Friseurbesuche. Erneuerungen des Führerscheins. Grippeimpfungen. All die kleinen Dinge, die wir in den letzten sechs Monaten während der Vorbereitung auf die Landung vernachlässigt haben oder von denen wir wissen, das wir für wer weiß wieviele Monate nach der Landung dafür keine Zeit mehr haben werden.
Und dann gibt es da noch das Thema „Schlafen“. Zu dumm, dass man nicht auf Vorrat schlafen kann, denn wir werden nach der Landung nicht genug davon bekommen! Aber wenigstens versuchen wir sicherzustellen, dass jeder ausgeruht und gesund ist, so dass wir in guter Verfassung starten können. Wie auch immer, die Mannschaft soll in einigen Wochen genauso gut wie jetzt schon Spirit und Opportunity für all dies bereit sein.
November 2003
Die Woche vom 24. bis 30. November
Wow, was für ein ORT! Und es ist auch deshalb eine gute Sache, weil es unser letzter war.
Wir haben unseren letzten Operations Readiness Test (ORT) in der vergangenen Woche gehabt, und dieser war ein echter Hammer. Wir haben fünf Tage des Herumfahrens im Gusev-Krater simuliert, mit allen Schnickschnack. Der Höhepunkt dieses Tests war ohne Frage, dass wir RAT eingesetzt habe, das Rock Abrasion Tool. Das RAT ist unsere Version eines Geologenhammers… wir verwenden es, um die äußeren Schichten von Felsbrocken zu entfernen, so dass wir sehen können, was darunter liegt. In diesem ORT hatten wir es auf einen Felsbrocken abgesehen, den wir wirklich mochten, und so beschlossen wir, ihm mit dem RAT zuleibe zu rücken. (Das Wissenschaftsteam gab diesem speziellen Felsbrocken den Spitznamen „Käse“: Köder für die RAT(TE)… haben Sie’s?) Wir fuhren den Rover zu Käse, klappten den Arm aus und verwendeten RAT, um ein wundervolles, kreisrundes Loch hineinzuschmirgeln. Dann steckten wir die drei anderen Instrumente des Arms in das Loch und bekamen fantastische Daten. Es war ohne Frage der bisher coolste ORT. Es war schön, das Ganze mit einer solchen guten Note zu beenden.
Wir sind jetzt einen Monat von der wirklichen Landung im Gusev-Krater entfernt…
Die Woche vom 10. bis 16. November
Es ist Mitte November und damit Zeit für einen erneuten Operations Readiness Test (ORT). Diese ORTs sind intensiv, und sie scheinen es immer stärker zu werden. Während ich dies schreibe ist es 02:00 Uhr im Jet Propulsion Laboratory (JPL) und 02:30 Uhr (in unserer Simulation) im Gusev-Krater. Der Rover schläft gerade, und wir sind dabei die Befehle zusammenzustellen, damit er seine Aufgaben nach dem Sonnenaufgang auf dem Mars (wieder: in unserer Simulation) morgen früh erledigen kann. Die wichtigstens Aufgaben werden heute eine Überprüfung des RAT (Rock Abrasion Tool = Gesteinsabrieb-Werkzeug) gefolgt von einer kurzen Fahrt zu einem Felsbrocken, den das Wissenschaftsteam aus verschiedenen Gründen „Käse“ genannt hat, sein.
Währenddessen, draußen im Weltall… haben wir gerade eine letzte Überprüfung aller Kameras an Bord von Spirit abgeschlossen, und sie sehen alle hervorragend aus. Wenn wir sie das nächste Mal einschalten werden sie im Gusev-Krater sein. Real.
Die Woche vom 3. bis 9. November
Gute Neuigkeiten über das Mössbauer-Spektrometer von Spirit: Wir haben herausgefunden, wie wir es zum Funktionieren bekommen können.
Sie werden sich daran erinnern, dass wir seinerzeit im August eine In Flight-Überprüfung aller Instrumente der beiden Raumsonden durchgeführt haben. Die meisten von ihnen funktionieren gut, aber irgendetwas stimmte mit dem Mössbauer-Spektrometer an Bord von Spirit nicht. Wir konnten nicht genau sagen, was schief lief, aber das Bewegungssystem des Instruments – der Teil, der vor und zurück vibriert – arbeitete definitiv nicht korrekt.
Wir haben bis heute mehrere Monate mit der Fehlerbehebung verbracht. Die erste Regel bei solchen Angelegenheiten lautet „Nichts beschädigen“, und so haben wir uns sehr, sehr langsam vorangearbeitet. Wir haben eine sehr einfache, kleine Überprüfung durchgeführt, uns dann wochenlang durch die Daten gearbeitet, einen anderen Test ausprobiert, weitere Wochen für das Durcharbeiten weiterer Daten benötigt und so weiter. Es ist eine kleinteilige Arbeit, aber mit jedem Test lernten wir ein wenig mehr. Und was wir schließlich entdeckten war, dass das Bewegungssystem in irgendetwas am Ende einer Bewegungsrichtung hineinschlägt. Es schlug nicht stark dagegen, und es beschädigte sich dabei auch nicht selbst. Aber es gab einen geringfügigen Widerstand der verhinderte, das sich das Bewegungssystem wie vorgesehen bewegte.
Was also tun? Wir konnten nicht mit einem Schraubenzieher auf die Suche gehen! Aber es gibt einige Tricks, die man beim Bau der Hardware für Raumsonden anwendet, und die haben wir genutzt, als wir dieses Instrument damals gebaut haben. Ein Trick besteht darin, ein Instrument so anpassungsfähig wie möglich zu machen. Das kann selbst dann sinnvoll sein wenn es keinen offensichtlichen Grund gibt, warum man jemals eine Anpassung vornehmen sollte… man weiß nie, was passiert. Der andere Trick besteht darin ein Instrument mit viel „Spielraum“ zu konstruieren. Anders gesagt versucht man es besser zu machen, als es wirklich sein muss. Auf diese Weise kann es unter Umständen nach einer Anpassung immer noch gut arbeiten, wenn mal etwas schief gehen sollte.
Wir haben beide Tricks beim Mössbauer angewendet, und es hat sich enorm ausgezahlt. Wir haben das Bewegungssystem so gebaut, dass wir die Geschwindigkeit und Frequenz, mit der es vibriert, kontrollieren können. Durch Anpassung dieser beiden Größen konnten wir erreichen, dass es beim Vibrieren eine geringere Bewegung vollführt… so dass es das Hindernis nicht trifft. Und obwohl wir nie erwartet hatten, dass Instrument insgesamt mit so einer kleinen Bewegung zu betreiben, haben wir es doch mit genug Margen gebaut, so dass das Spektrometer auf dem Mars immer noch ordentlich arbeiten wird.
Was war nun das mysteriöse Hindernis, das immer wieder getroffen wurde? Die beste Vermutung ist, dass es ein Draht war, der durch die intensiven Vibrationen des Starts verschoben worden ist. Aber was immer es auch war, es bereitet uns keine Probleme mehr. Wenn das Instrument auf dem Mars so arbeitet wie jetzt, dann werden wir all die wissenschaftlichen Daten bekommen, die wir uns erhoffen.
Was für eine Erleichterung!
Oktober 2003
Die Woche vom 20. bis 26. Oktober
In den Operations Readiness Tests, die wir durchführen, verbringen wir eine Menge Zeit damit, über Elfen und Gremlins zu sprechen. „Elfen“ sind bei unseren Tests die Leute hinter den Kulissen, die uns das Leben leichter machen, indem sie einen reibungslosen Betrieb der Rover ermöglichen. Aber dieselben Leute sind manchmal „Gremlins“. Wir nennen sie so, wenn sie etwas unternehmen um uns herauszufordern, indem sie den Test härter machen.
Die Gremlins waren während unseres letzten Operations Readiness Tests schwer zugange. Bei den vergangenen Tests war es sehr einfach, den Rover vom Lander herunter zu fahren. Dieses Mal nicht! Dieses Mal landeten wir, fuhren den Mast hoch, schossen ein paar Bilder und entdeckten, dass der Lander beinahe vollständig von großen, gefährlich aussehenden Felsbrocken umgeben war. (Felsbrocken, die natürlich von den Gremlins dorthin gebracht worden sind.) Über derartig große Felsbrocken können wir nicht hinwegfahren, also mussten wir einen anderen Weg finden, um den Lander zu verlassen. Der einzige halbwegs freie Weg lag direkt hinter dem Rover. Wir haben es geschafft, indem wir das Segment des Landers, das sich hinter dem Rover befand, „überdehnt“ und es dabei soweit nach unten geneigt haben, bis so etwas wie eine Rampe entstand. Wir sind dann rückwärts die Rampe hinunter gefahren, ungefähr wie beim Verlassen einer Auffahrt auf der Oberfläche des Mars im Rückwärtsgang. Wirklich cool.
Und dies war vermutlich unser letzter „nominaler“ Test. Der nächste Test im November wird ein „nicht-nominaler“ Test sein. Wir sind alle sehr neugierig, was die Gremlins sich für uns beim nächsten Mal ausdenken!
Die Woche vom 13. bis 19. Oktober
Wenn es in Los Angeles 03:00 Uhr ist, wie spät ist es dann beim Gusev-Krater? Das ist die Sorte von Problemen, mit denen wir uns diese Woche herumschlagen. Wir befinden uns im vierten marsianischen Tag unseres letzten Operations Readiness Test. In diesem Test simulieren wir den Landevorgang des Opportunity-Rover in Meridiani Planum zur selben Zeit, in der wir auch den Spirit-Rover beim Gusev-Krater steuern. Beide Rover operieren natürlich in Mars-Zeit, und der marsianische Tag ist 24 Stunden und 39 Minuten lang. Das ist schlimm genug, aber es wird noch schlimmer. Die beiden Landestellen befinden sich an zwei vollkommen verschiedenen Orten auf dem Mars, und die lokale marsianische Zeit an diesen beiden Orten ist komplett verschieden.
Also, zum Beispiel…
Gerade jetzt, wo ich dies eingeben, ist es im Jet Propulsion Laboratory 03:00 Uhr. Es ist 04:35 Uhr im Gusev-Krater und 16:33 Uhr in Meridiani Planum. Morgen um 03:00 Uhr Pazifik-Zeit wird es ungefährt 03:56 Uhr im Gusev-Krater und ungefähr 15:54 Uhr in Meridiani Planum. Und so weiter.
Es wird wirklich verwirrend.
Aber egal, der Test läuft gut. Wir haben ein paar Problemchen gehabt, die meisten davon weil die Leute, die diesen Test durchführen, damit begonnen haben einige Anomalien einzuführen… kleine Herausforderungen (und einige große Herausforderungen) der Art, der wir während des Fluges begegnen könnten. Insgesamt läuft es sehr gut. Ich würde mir nur wünschen, wir müßten uns nicht an solche sonderbaren Zeiten halten…
Die Woche vom 29. September bis 5. Oktober
Raus aus der Bratpfanne und rein in das Feuer. Es fühlt sich immer noch so an, als hätten wir unseren letzten Operations Readiness Test gerade hinter uns, und schon ist es Zeit den nächsten zu beginnen. Der wird ein Killer sein.
Jeder andere Test, den wir bisher gemacht haben (und jeder andere Test, den wir machen werden), beinhaltet das Betreiben eines Rovers für eine gewisse Zeit. Aber wenn wir auf dem Mars sind müssen wir in der Lage sein, sowohl Spirit wie auch Opportunity simultan zu betreiben. Also werden wir in diesem Test versuchen, zwei Rover auf einmal zu betreiben. Wir haben die gesamte Hardware, die dafür notwendig ist, und wir haben genug Leute. Die Frage ist, ob alles funktionieren wird wenn wir es versuchen. Wir werden es sehr bald herausfinden. Der Test startet nächsten Montag und läuft zwei Wochen…
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