Mini-Kometen nähern sich der Erde

Eine „Perlenkette“ aus Kometen wird im kommenden Mai an der Erde vorbeifliegen und den Astronomen ein fantastisches Schauspiel eines sterbenden Kometen bieten.

Ein Beitrag von Eric Honstrass. Quelle: NASA. Vertont von Julian Schlund.

Jim V. Scotti
Der Komet 73P zerbrach im Jahre 1995.
(Bild: Jim V. Scotti)

Im Jahre 1995 tat der Komet 73P/Schwassmann-Wachmann 3 etwas unerwartetes: Er zerbrach. Ohne offensichtlichen Grund zerfiel der Kometenkern in mindestens drei Minikometen, die nun einzeln durch den Weltraum fliegen. Astronomen betrachteten das mit Interesse, auch wenn die Sicht sogar mit großen Teleskopen nur verschwommen war. Der Komet 73P war seinerzeit etwa 240 Millionen Kilometer entfernt.

„Dies ist eine seltene Gelegenheit, einen Kometen in seinem Todeskampf zu beobachten – aus sehr geringer Entfernung,“ sagt Don Yeomans, Chef des Near Earth Object (NEO) Programmes der NASA am Jet Propulsion Laboratory (JPL).

Die Gefahr einer Kollision mit der Erde besteht nicht. „Gott sei Dank, nicht,“ stellt Yeomans fest. „Das nächste Fragment wird etwa 9,5 Millionen Kilometer weg sein – also etwa 25 mal so weit weg, wie der Mond. Das ist zwar nahe, aber ohne dass man davor Angst haben müsste.“

Der Vorbeiflug ist eine großartige Sache. „Das Hubble-Weltraumteleskop wird spähen“, erklärt Yeomans. „Und auch das riesige Arecibo-Radioteleskop wird die Fragmente anpeilen, um Form und Umdrehung zu ermitteln“. Auch Hobbyastronomen werden die Minikometen fotografieren können, wenn sie am 12. 13. und 14. Mai durch die Sternbilder Schwan und Pegasus ziehen.
Ironischerweise werden die Kometenbruchstücke trotz ihrer Nähe nicht sonderlich hell sein. Die größten Fragmente werden voraussichtlich mit mag3 oder mag4 leuchten, für das bloße Auge also nur schemenhaft erkennbar.

„Vergessen Sie nicht, dass es sich hier um Mini-Kometen handelt“, erklärt Yeomans. „Sie sind nicht vergleichbar mit den Riesenkometen Hayakutake oder Hale-Bopp aus den Jahren 1996 und 1997. Jene konnte man sogar mit bloßem Auge in „lichtverschmutzten“ Großstädten sehen. Die Bruchstücke von 73P hingegen, sieht man sich am besten von ländlichen Gegenden aus an – und vergessen Sie nicht Ihr Fernglas!“

Giovanni Sostero und Ernesto Guido vom Remanzacco Observatory in Italien
Die relativ großen Bruchstücke B und C sind hier zu sehen.
(Bild: Giovanni Sostero und Ernesto Guido vom Remanzacco Observatorium in Italien)

Die Anzahl der Bruchstücke verändert sich ständig. Zu Beginn, im Jahre 1995, gab es nur drei: A, B und C. Mittlerweile kommen die Astronomen auf acht: Die großen Fragmente B und C plus kleinerer Fragmente G, H, J, L, M und N. „Es sieht so aus, als ob sich einige der Bruchstücke ihre eigenen Sub-Bruchstücke schaffen,“ sagt Yeomans. Dies bedeutet, dass sich die Anzahl der Bruchstücke während der Annäherung von 73P weiter vervielfältigen könnte. Niemand kann bisher sagen, wie lang die „Perlenschnur“ werden wird, wenn sie letztlich ankommt.

Das gute daran: Es könnte auch einen Meteor-Schauer geben.

Tatsächlich ist das aber sehr unsicher, Prognosen sagen diesbezüglich eine geringe Wahrscheinlichkeit voraus. Aber eine sich ausdehnende Staubwolke aus dem Zerfall von 1995 könnte die Erde im Mai 2006 streifen und Meteore erzeugen.

Der Astronom Paul Wiegert von der Universität von Western Ohio hat diese Möglichkeit studiert: „Wir glauben, dass sich die Wolke zu langsam ausdehnt, als dass sie die Erde nach nur elf Jahren nach dem Zerfall erreichen könnte“, erläutert er, „aber alles hängt davon ab, was dazu führte, dass der Komet auseinanderflog – und genau das wissen wir nicht.“

Bildquelle
Nach der Berechnung von Wiegert und dessen Kollegen, wird die Trümmerwolke in diesem Jahr wohl keinen Meteorschauer auf der Erde verursachen.
(Bild: http://aquarid.physics.uwo.ca/%7Epbrown/taus.pdf)

„Die wahrscheinlichste Erklärung ist thermale Spannung – der eisige Kern zerbricht wie ein Eiswürfel, der in heiße Suppe fällt: Der Komet brach nach langem Aufenthalt in der Eiseskälte des äußeren Sonnensystems bei der Annäherung an die Sonne auseinander“, erklärt er. „Wenn es sich tatsächlich so ereignet hat, sollte sich die Trümmerwolke langsam ausdehnen, und wir werden keinen starken Meteorschauer bekommen.“

Andererseits: Was wäre, wenn „der Komet durch den Einschlag eines anderen, kleineren Brocken zertrümmert wurde?“ Eine gewaltsame Kollision würde sich viel schneller bewegende Trümmerteile erzeugen, die die Erde 2006 trefen könnten.

Wiegert erwartet nicht, etwas zu sehen, ermutigt aber Himmelsbeobachter, auf der Hut zu sein. Es wäre nicht das erste mal, dass ein sterbender Komet einen Meteorschauer verursacht.

„Ein hervorragndes Beispiel ist der Komet Biela, dessen Zerfall 1846 beobachtet wurde und der bis 1872 vollständig zerbrach“, meint Wiegert. „Durch diesen sterbenden Komet wurden mindestens drei intensive Meteorschauer (3.000 bis 15.000 Meteore pro Stunde) verursacht, nämlich 1872, 1885 und 1892.

Wiegert und dessen Kollegen unterstellten thermische Gründe für den Zerfall von 73P für Ihre Berechnungen der Flugbahn der Staubwolke. Das Ergebnis: Der Staub dürfte die Erde im Jahre 2022 erreichen und dabei einen kleinen Meteorschauer verursachen – nichts spektakuläres. „Jedoch“, fügt er hinzu, „bedeutet die weiter stattfindende Teilung des Kometen, dass neue Meteoroiten in neue Richtungen fliegen, so dass ein zukünftiger, starker Meteorschauer durch 73P eine reale Möglichkeit bleibt.“

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