Wissenschaftler haben zahlreiche kleine Objekte entdeckt, welche sich durch den F-Ring des Saturn bewegen und dabei leuchtende Schweife aus Eis und Staubpartikeln hinter sich her ziehen. Die nähere Analyse dieser Mini-Jets kann den Planetenforschern dabei helfen, die Entstehungs- und Entwicklungsgeschichte des Ringsystems besser zu verstehen.
Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: ESA, JPL, CICLOPS.
Die Ringe des Saturn wurden bereits im Jahr 1610 von dem italienischen Astronomen Galileo Galilei entdeckt. Dieser erkannte das Ringsystem jedoch aufgrund der geringen Auflösung des ihm zur Verfügung stehenden Teleskops nicht als ein Objekt, welches den Saturn umgibt. Vielmehr deutete er die Ringe als zwei „Henkel“, welche den Saturn berühren. Erst 45 Jahre später beschieb der holländische Astronom Christiaan Huygens die wahre Natur der Ringe wissenschaftlich korrekt.
Heute ist bekannt, dass sich das Ringsystem des Saturn aus mehr als 100.000 einzelnen Ringen zusammensetzt, welche aus Eis- und Staubpartikeln bestehen und die durch scharf umrissene Lücken voneinander abgegrenzt sind. Der innerste dieser Ringe, der sogenannte D-Ring, beginnt bereits etwa 7.000 Kilometer über der obersten Atmosphärenschicht des Saturn und verfügt über einen Durchmesser von 134.000 Kilometern. Der äußerste Ring, der erst im Jahr 2009 entdeckte Phoebe-Ring, erstreckt sich dagegen in einer Entfernung von mehrere Millionen Kilometern zum Saturn.
In einer Entfernung von rund 140.000 Kilometern wird der Saturn von dem F-Ring umrundet. Dieser Ring wurde im September 1979 von der US-amerikanischen Raumsonde Pioneer 11 bei ihrem dichten Vorbeiflug am Saturn entdeckt und anschließend von den Raumsonden Voyager 1 und Voyager 2 im Detail abgebildet. Bereits auf diesen ersten Bildern zeigte sich, dass der F-Ring nicht einfach nur einen schmalen Ring aus Staub- und Eispartikeln darstellt, sondern dass sich dort anscheinend sehr dynamische Prozesse abspielen. Auf den Aufnahmen der Raumsonden waren diverse Verästelungen und gewundene Einzelringe erkennbar.
Seit dem Sommer 2004 befindet sich die Raumsonde Cassini in einer Umlaufbahn um den Saturn und untersucht die Atmosphäre, das Ringsystem und die Monde dieses zweitgrößten Planeten innerhalb unseres Sonnensystems im Detail.
Im Rahmen dieser Untersuchungen rückte auch der F-Ring immer wieder in das Blickfeld der ISS-Kamera, einem von insgesamt 12 wissenschaftlichen Instrumenten an Bord der Raumsonde. Die Aufnahmen des Kamerasystems zeigten, dass vor allem gravitative Wechselwirkungen mit dem weiter innen liegenden A-Ring und den beiden den F-Ring begrenzenden Saturnmonden Prometheus und Pandora den F-Ring gestalten. Speziell die gravitativen Einflüsse dieser beiden als „Schäfermonde“ fungierenden Monde sind für die Ausbildung der beobachteten Wellenstrukturen des F-Ringes verantwortlich.
Besonders der etwa 86 Kilometer durchmessende Mond Prometheus „fräst“ durch die von ihm ausgehenden gravitativen Kräfte Furchen in die Struktur des F-Ringes. An anderen Stellen entstehen durch die einwirkende Schwerkraft dagegen schneeballartige Verklumpungen aus Ringpartikeln, welche dabei bis zu einen Kilometer durchmessende Objekte aus Wassereis und Staub bilden können. Aufgrund der vorherrschenden Gezeitenkräfte und infolge von gegenseitigen Kollisionen, so die bisherige Annahme, sollten sich diese Objekte innerhalb weniger Wochen bis Monate wieder in ihre ursprünglichen Bestandteile auflösen.
Neue Analysen zeigen jedoch, dass einige dieser „Schneebälle“ anscheinend über eine längere Lebensdauer verfügen und sich über längere Zeiträume innerhalb des F-Ringes um den Saturn bewegen, wobei sie mit den kleineren Staub- und Eispartikeln des Ringes kollidieren. Diese Kollisionen erfolgen vermutlich mit vergleichsweise geringen Geschwindigkeiten von etwa zwei Metern pro Sekunde.
Ausgelöst durch die von diesen „Schneebällen“ ausgehende Schwerkraft ziehen diese Klumpen einen Schweif aus glitzernden Eispartikeln hinter sich her, welche typischerweise Längen von 40 bis 180 Kilometern erreichen. Diese „Moonlets“ und die durch sie verursachten „Mini-Jets“ sind dafür verantwortlich, dass das optische Erscheinungsbild des F-Ringes einer permanenten Veränderung unterliegt.
Eine von Dr. Carl Murray von der Queen Mary University in London, einem Mitarbeiter des Cassini-Imaging-Teams, geleitete Gruppe hat einen solchen Jet auf einer am 30. Januar 2009 erstellten Aufnahme entdeckt und diesen auf weiteren Aufnahmen über einen Zeitraum von acht Stunden verfolgt. Die dabei angefertigten Aufnahmen zeigen deutlich, dass das für die Entstehung des Jets verantwortliche Objekt sich innerhalb des F-Rings befinden muss.
Die Wissenschaftler analysierten daraufhin über 20.000 von der ISS-Kamera angefertigte Aufnahmen des F-Ringes, um weitere Anzeichen für das Auftreten solcher Mini-Jets zu finden. Im Rahmen der Untersuchung konnten so insgesamt rund 500 Jets identifiziert werden, welche sich zwischen den Jahren 2004 bis 2011 durch den F-Ring bewegten. Für die Wissenschaftler besonders überraschend waren dabei verschiedene Aufnahmen, welche gleich mehrere eng beieinander liegende Mini-Jets zeigten.
„Ich glaube, der F-Ring ist der merkwürdigste Ring des Saturn und diese jüngsten Ergebnisse der Cassini-Mission zeigen uns, dass sich der F-Ring anscheinend noch weit dynamischer verhält, als wir bislang angenommen haben“, so Dr. Carl Murray. Die Beobachtung des F-Ringes könnte den Wissenschaftlern sogar dabei helfen, die Entwicklung neu entstehender Planetensysteme besser zu verstehen.
„Die Untersuchungen offenbaren uns nicht nur die exotische Schönheit des F-Rings. Durch sie erfahren wir auch mehr über die in den „protoplanetaren Staubscheiben“ ablaufenden Prozesse, welche junge Sterne umgeben und aus denen sich neue Planeten entwickeln“, so Linda Spilker, Projektwissenschaftlerin der Cassini-Mission am Jet Propulsion Laboratory (JPL) in Pasadena/Kalifornien. „Wir sind gespannt darauf, zu erfahren, was uns Cassini noch alles in den Saturnringen zeigen wird.“
Die hier kurz vorgestellten Forschungsergebnisse wurden am 24. April 2012 auf einer Tagung der European Geoscience Union in Wien präsentiert. Die Mission Cassini-Huygens ist ein Gemeinschaftsprojekt der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA, der europäischen Weltraumagentur ESA und der italienischen Weltraumagentur ASI. Das Jet Propulsion Laboratory (JPL) der NASA in Pasadena/Kalifornien, eine Abteilung des California Institute of Technology (Caltech), leitet die Mission im Auftrag des Direktorats für wissenschaftliche Missionen der NASA in Washington, DC.
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