Merkurorbiter Messenger: Das Ende naht

Nach fast vier Jahren, in denen sich die Raumsonde Messenger in einer Umlaufbahn um den Planeten Merkur befand, bahnt sich jetzt das Ende dieser Mission an. Allerdings haben die beteiligten Ingenieure einen innovativen Weg gefunden, um dieses letztendlich doch unausweichliche Ende um weitere vier Wochen hinauszuzögern.

Ein Beitrag von Ralph-Mirko Richter. Quelle: JHU/APL.

NASA, JHU/APL, Carnegie Institution of Washington
Im Verlauf der letzten fast vier Jahre konnte die Raumsonde Messenger die Oberfläche des Planeten Merkur vollständig abbilden.
(Bild: NASA, JHU/APL, Carnegie Institution of Washington)

Am 18. März 2011 trat die von der US-amerikanischen Weltraumbehörde NASA betriebene Raumsonde Messenger (so die Kurzform für MErcury Surface, Space ENvironment, GEochemistry, and Ranging) nach einem fast sieben Jahre dauernden Flug durch das innere Sonnensystem in eine Umlaufbahn um den Planeten Merkur ein und untersuchte diesen innersten und zugleich kleinsten Planeten unseres Sonnensystems in den folgenden Jahren intensiv mit den sieben an Bord der Raumsonde befindlichen wissenschaftlichen Instrumenten. Aufgrund des exzellenten technischen Zustandes und der hohen wissenschaftlichen Ausbeute wurde die ursprünglich auf 12 Monate ausgelegte Messenger-Mission zwischenzeitlich zwei mal verlängert.
Seit ihrer Ankunft beim Merkur hat die Raumsonde mittlerweile mehr als 250.000 Aufnahmen von dessen Oberfläche angefertigt und dabei die gesamte Planetenoberfläche fotografisch erfasst. Weitere Untersuchungen bezogen sich auf den inneren Aufbau dieses als terrestrischer Planet klassifizierten Himmelskörpers, auf dessen Magnetfeld, auf die früheren vulkanischen und tektonischen Aktivitäten des Merkur, auf die langfristige Entwicklung der dortigen Topographie sowie auf die Entstehung, Entwicklung und Zusammensetzung der Exosphäre des Merkur und auf die Interaktion der Planetenoberfläche und der Exosphäre mit der Sonne. Des weiteren konnten mit den Instrumenten von Messenger unter anderem auch Wassereisablagerungen in den Polarregionen des Merkur nachgewiesen werden.

NASA, Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory, Carnegie Institution of Washington
Der untere Bereich dieser am 24. September 2013 angefertigten Aufnahme der Raumsonde Messenger zeigt den 115 Kilometer durchmessenden Kasha-Krater auf dem Planeten Merkur. Diverse Ketten von Sekundärkratern umgeben diesen noch relativ jungen Impaktkrater. Das Innere des Kasha-Kraters ist dagegen sehr eben und wurde vermutlich durch Impaktschmelze oder durch vulkanische Lavaablagerungen verfüllt.
(Bild: NASA, Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory, Carnegie Institution of Washington)

Um ihre elliptische Umlaufbahn um den Merkur beibehalten zu können musste Messenger in den vergangenen Jahren allerdings in regelmäßigen Abständen Bahnkorrekturmanöver durchführen, in deren Verlauf die Höhe der Umlaufbahn der Raumsonde über der Planetenoberfläche wieder angehoben wurde. Ohne derartige Manöver wäre Messenger innerhalb weniger Monate auf der Oberfläche des Merkur zerschellt. Mittlerweile sind die hierfür zur Verfügung stehenden Treibstoffreserven jedoch nahezu vollständig erschöpft.

Derzeit führt die gegenwärtige Umlaufbahn die Raumsonde bis auf eine Entfernung von nur noch rund 100 Kilometern zu der Merkuroberfläche heran. Am 21. Januar 2015 wird die Raumsonde ein letztes Manöver zur Anhebung der Umlaufbahn durchführen, bei dem dieser Wert von den dann nur noch etwa 25 gegebenen Kilometern wieder auf gut 80 Kilometer erhöht werden soll. Im Rahmen dieses Manövers werden jedoch auch die letzten Reste des für derartige Korrekturmanöver zur Verfügung stehenden Hydrazins aufgebraucht werden. Ohne weitere Orbitkorrekturen – so die Berechnungen der an der Missions beteiligten Flugdynamik-Ingenieuren – würde Messenger somit voraussichtlich Ende März 2015 auf der Merkuroberfläche aufprallen.

Helium statt Hydrazin
Jetzt haben die beteiligten Ingenieure jedoch einen Weg gefunden, um dieses letztendlich unausweichliche Ende der Messenger-Mission noch einmal um mehrere Wochen aufzuschieben. Hierbei soll das Helium-Druckgas, welches eigentlich ausschließlich dazu gedacht ist, den Treibstofftank der Raumsonde ‚unter Druck‘ zu halten, zu einer weiteren Anhebung des Orbits genutzt werden. Dabei soll das Helium durch die Triebwerksdüsen geleitet werden und dabei einen ‚Schub‘ erzeugen, durch den die Höhe der Umlaufbahn des Merkur-Orbiters erneut angehoben werden kann.
„Normalerweise ist eine Raumsonde nach dem kompletten Verbrauch ihrer Treibstoffvorräte nicht mehr dazu in der Lage, die erforderlichen Anpassungen an der Flugbahn durchzuführen“, so der Messenger-System-Ingenieur Dan O’Shaughnessy vom Applied Physics Laboratory an der Johns Hopkins University (JHU/APL) in Laurel im US-Bundesstaat Maryland. Für Messenger hätte dies bedeutet, dass die Raumsonde unwiderruflich Ende März 2015 auf der Merkuroberfläche aufprallt. „Allerdings können wir das Helium dazu nutzen, um auch weiterhin kleinere Anpassungen an der Flugbahn durchzuführen.“

NASA, Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory, Carnegie Institution of Washington
Bereits am 29. Oktober 2011 fertigte Messenger diese Aufnahme des 134 Kilometer durchmessenden Sinan-Kraters an. Der äußere Rand und das Innere dieses relativ alten Kraters wurde nach seiner Entstehung durch diverse weitere Impakte nachhaltig verändert.
(Bild: NASA, Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory, Carnegie Institution of Washington)

„Meines Wissens nach ist dies das erste Mal, dass Helium bewusst als Kaltgastreibmittel in einem Hydrazin-Triebwerk verwendet werden soll“, so Stewart Bushman vom Applied Physics Laboratory, der leitende Triebwerksingenieur der Messenger-Sonde. „Die Triebwerke sind allerdings nicht dazu optimiert, um unter Druck stehendes Gas als Antriebsquelle zu verwenden.“
Die Triebwerke sind vielmehr dafür ausgelegt, um flüssiges Hydrazin zu zersetzen und sind hierfür mit entsprechenden Durchflussbegrenzern, Druckminderern und Zerstäubern bestückt, welche den Förderdruck regulieren, um einen kontrollierten Schub zu erzeugen. Aufgrund seines im Vergleich zu Hydrazin geringeren Molekulargewichts kann mit dem Helium-Gas auch nur ein eher geringer Schub erzeugt werden. Dieser soll letztendlich trotzdem ausreichen, um die Mission der Raumsonde Messenger um bis zu voraussichtlich etwa vier Wochen zu verlängern.

NASA, Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory, Carnegie Institution of Washington
In den Polarregionen des Merkur befinden sich eine Vielzahl an Kratern, deren Inneres niemals von dem Licht der Sonne erreicht wird. Hier konnte die Raumsonde Messenger in der Vergangenheit Ablagerungen von Wassereis nachweisen. Der hier gezeigte Krater verfügt über einen Durchmesser von etwa 7,2 Kilometern und befindet sich bei 82,8 Grad nördlicher Breite und 38,9 Grad östlicher Länge.
(Bild: NASA, Johns Hopkins University Applied Physics Laboratory, Carnegie Institution of Washington)

Weitere Forschungen
Die beteiligten Wissenschaftler werden diese unerwartete ‚Bonuszeit‘ dazu nutzen, um aus einer geringen Entfernung zur Merkuroberfläche heraus weitere Daten zu gewinnen. Während des vergangenen Sommers konzentrierte sich das wissenschaftliche Interesse unter anderem auf die Anfertigung von hochaufgelösten Aufnahmen, mit denen verschiedene Fließfronten von vulkanischen Lavaströmen, tektonische Oberflächenverwerfungen und Schichtungen in Kraterwällen in noch nie zuvor erreichter Auflösung abgebildet werden konnten.

Während der zusätzlichen vier Wochen soll zusätzlich zu der Anfertigung weiterer Aufnahmen auch das Magnetfeld des Merkur in einer noch nie zuvor erreichten Detailgenauigkeit analysiert werden. Messungen mit einem Neutronen-Spektrometer werden zudem während der dichtesten Annäherungen an die Merkuroberfläche aus Entfernungen von lediglich sieben bis 15 Kilometern weitere Erkenntnisse über die Wassereisablagerungen liefern, welche bereits in den vorherigen Jahren in der Nordpolregion des Merkur nachgewiesen wurden.

Auch Dank der so zu gewinnenden Daten wird sich das Wissen der Menschheit über diesen innersten Planeten unseres Sonnensystems auch in den kommenden Monaten ungemein erweitern. Bereits für den Juli 2016 ist dann der Start einer weiteren, diesmal aus gleich zwei Orbitern bestehenden Merkur-Mission vorgesehen. Die von der europäischen Weltraumagentur ESA und der japanischen Raumfahrtagentur JAXA betriebene Mission BepiColombo soll nach dem bisherigen Planungsstand im Januar 2024 in einen Merkurorbit eintreten.

Bis dahin finden Sie weitere Fotos, Grafiken, Videos und Animationen der Messenger-Mission auf dieser Internetseite der Johns Hopkins University.

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